Probleme der Deutschen bei der Basketball-EM:Zu wenig Ellbogen

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Dirk Nowitzki bei einem Wurf gegen die Türkei. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die deutschen Basketballer kämpfen bei der EM gegen das frühe Vorrunden-Aus. Fünf Gründe, warum sich die Mannschaft um Dirk Nowitzki so schwertut.

Von Jonas Beckenkamp, Berlin

Drei Partien liegen nun hinter der deutschen Basketball-Nationalmannschaft - ein knapper Erfolg gegen Island, eine noch viel knappere Pleite gegen Serbien und ein enttäuschendes 75:80 gegen die Türkei. Die EM verläuft bisher in Wellen, immer wieder wechseln sich Momente der Hoffnung mit Schwächephasen ab. Für ein positives Zwischenfazit hat bisher zu wenig funktioniert im deutschen Spiel. Mindestens ein Sieg muss für ein Weiterkommen in die Finalrunde in Frankreich her. Diese fünf Baustellen lassen sich bereits jetzt ausmachen.

Fehlende Struktur im Angriff

Ein Problem, das sich seit einigen Wochen offenbart, ist die Abhängigkeit von Dennis Schröders Künsten im Spielaufbau. So wie der NBA-Profi seine Rolle als Dirigent teilweise interpretiert, ist er für das Angriffsspiel eher Hindernis als Inspiration. Der 21-Jährige hat sich in Atlanta angewöhnt, seine Schnelligkeit im direkten Duell mit seinem Gegenspieler auszunutzen.

Dazu hält er sehr lange den Ball im Dribbling, nimmt Anlauf und versucht, alleine zum Korb durchzubrechen. Seine Kollegen im Nationalteam sind aber das europäische Spiel gewohnt: flinke Pässe, Blocks, Systembasketball, bei dem alle involviert sind. Bisher gelingt es Schröder und auch seinem Vertreter Maodo Lô nicht, der Offensive eine Balance zu verleihen. Es fehlt der Fluss, der Rhythmus, die Direktive. Bereits mehrfach beschwerte sich Dirk Nowitzki bei Schröder, den Ball besser zu verteilen. Auch Bundestrainer Chris Fleming sagte offen: "Dennis hält den Ball manchmal zu lang."

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Tempomangel

Der isländische Basketballer Logi Gunnarsson erklärte nach der Niederlage seines Teams gegen Serbien: "Sie warten mit Geduld auf den richtigen Moment - und dann geht alles plötzlich blitzschnell." Genau diese Geschwindigkeit lassen die Deutschen mitunter vermissen. Ihnen geht das Zusammenwirken von Kontrolle und Tempo ab. Schon in der Vorbereitung zeigte sich, dass die Mannschaft vor allem dann ihrer Identität gerecht wird, wenn sie in Bewegung gerät. Akteure wie Paul Zipser, Schröder oder Anton Gavel haben ihre Stärken im offenen Feld - auch Nowitzki mag es trotz seines Alters gerne rasant, früher dribbelte er sogar einfach selbst mit dem Ball nach vorne.

Um ins Laufen zu kommen, braucht es aber ein funktionierendes Umschaltspiel (die sogenannte "Transition"). Dass dies zuletzt nicht klappte, verdeutlicht ein Nowitzki-Zitat über die verschlafene Anfangsphase im Duell mit den Türken: "Das Problem im ersten Viertel war, dass wir immer den Ball aus dem Netz holen mussten und dann können wir auch das Spiel nicht schnell machen. Dann müssen wir jedes Mal vortrotteln und ein System rennen, dass die wahrscheinlich eh besser kannten, als wir selbst."

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Schlechte Trefferquote

Oft macht es "Klonk" und der Ball prallt vom Ring wieder ab. Nur etwas über 40 Prozent aller deutschen Schüsse aus dem Feld rauschten bisher durch die Reuse - das reicht im Turnierranking nur zu Platz 20 (von 24 Teams). Von der Dreierlinie sind es sogar nur 26 Prozent, ein ebenfalls unterdurchschnittlicher Wert. Auffällig ist vor allem die Wurfschwäche Nowitzkis und Schröders: Nowitzki muss sich seine Versuche so hart erkämpfen, dass er kaum mehr als jeden dritten Wurf versenkt.

Für einen Mann, der das Werfen im Basketball revolutioniert hat, ist das ungewöhnlich. Schröder trifft zwar etwas besser, ist aber dafür von der Dreierlinie nahezu wirkungslos (bisher nur zwei Treffer). Auch Anton Gavel, Heiko Schaffartzik und Robin Benzing wackeln beim Wurf. Die großen Leute Tibor Pleiß und Johannes Voigtmann können mit ihren durchaus vorzeigbaren Quoten (über 60 Prozent) die fehlende Präzision der Kollegen nicht ausgleichen.

Verteidigen kann eigentlich jeder Basketballer, er muss es nur wollen - so lautet eine Korbball-Weisheit. Beim deutschen Team fehlte zuletzt aber "die Energie", wie Maodo Lô treffend feststellte. Auch Pleiß merkte nach dem Türkei-Spiel an, dass er "die Kampfkraft" vermisste und dem Gegner "viele leichte Punkte geschenkt" wurden.

In den Schlussphasen der Spiele gegen Island und Serbien, sowie in der ersten Hälfte gegen die Türken mangelte es den Deutschen an Intensität beim Körbe-Verhindern. Die isländischen Werfer durften freistehend abdrücken, Serbiens Nemanja Bjelica entschied mit einem Kunstwurf (gegen eine unaufmerksame deutsche Abwehr) die zweite Partie und die türkischen Spieler wundern sich wohl heute noch, warum sie eine Halbzeit lang eine Übungsstunde im "Block und Abrollen" absolvieren durften. "Unsere Verteidigung muss 40 Minuten stehen", forderte Schröder, der gegen die Türkei selbst zum Problem wurde: Er war mit seinem Gegenspieler Ali Muhammed überfordert.

Unerfahrenheit

Zipser: 21, Schröder: 21, Lô: 22, Giffey: 24, Voigtmann: 22. So jung sind einige deutsche Spieler - der Druck der Heim-Vorrunde belastet diese Talente. Im deutschen Team müssen sich einige erst auf europäischem Spitzenlevel zurechtfinden. Sie müssen lernen, dass auch Ellbogen dazugehören, dass kleine Tricks das Leben im Zonengerangel leichter machen und dass dauerhafte Erfahrung in der Euroleague durchaus hilfreich ist. Bei den Serben, Türken, Italienern oder Spaniern kennen sich fast alle mit komplizierten Momenten, feindlicher Stimmung und Dramen aller Art aus.

Wer in Barcelona, Istanbul oder Belgrad spielt, kommt viel rum - beim DBB bilden mehrere junge Akteure diese Expertise gerade erst aus. Bestes Beispiel ist Zipser. Er sagte nach seinem starken Abwehr-Auftritt gegen Serbiens Bjelica: "In der Defense habe ich großes Selbstvertrauen, da weiß ich mittlerweile, was ich kann." Und im Angriff? Da traut er sich zu wenig, da passt er lieber weiter, anstatt seine Physis auszunutzen. "Ich muss mehr attackieren", so der Münchner. Damit hat er recht. Er absolviert wie einige Kollegen bei dieser EM einen Crashkurs im Bereich "Lernen von den Großen".

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