Poschner beim TSV 1860:Kampf um Transfer-Häkchen

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"Trefft eine Entscheidung, wie auch immer, damit gearbeitet werden kann": Gerhard Poschner. (Foto: imago/MIS)

Beim TSV 1860 blockieren sich die Parteien weiter: Sportchef Gerhard Poschner sucht neue Spieler, doch das Übergangspräsidium behält sich das letzte Wort vor. Mit Hilfe einiger Klubhelden aus der Vergangenheit.

Von Sebastian Fischer

Torsten Fröhling hat geklatscht am Donnerstag, dem Trainer vom TSV 1860 hat gefallen, wie seine Spieler im Trainingslager in Bodenmais gearbeitet haben. Daniel Adlung hat ein paar Mal getroffen, der Spanier Rodri auch, es waren wirklich schöne Tore dabei. "Es macht Spaß hier", hat Fröhling später erklärt, mit beinahe fröhlicher Miene.

Schade eigentlich, wie vergeblich der Spaß und all die Arbeit für den TSV 1860 gerade ist. Wie wenig es dem Klub hilft, die Saison in der zweiten Bundesliga vorzubereiten, die in vier Wochen beginnt.

Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner saß am Rande des Trainingsplatzes auf einer Bank, während Fröhling klatschte. Er sagte: "Das ist kein Zustand für die Mannschaft, kein Zustand für den Trainer, kein Zustand für den ganzen Verein." Der Zustand ist wie folgt: Das Übergangspräsidium um Karl-Christian Bay und Siegfried Schneider hat Poschner längst als Hauptverantwortlichen für die missliche Lage ausgemacht und will ihn loswerden.

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Doch er saß ja nun einmal da, und deshalb sah es für einen Moment so aus, als herrsche Stillstand bei 1860. Bis am Abend der Schweizer Erstligist FC St. Gallen den Transfer von Löwen-Verteidiger Martin Angha, 21, als fix meldete. Doch auch 1860 braucht neue Spieler - vier bis fünf, sagt Fröhling: "Es geht nicht anders!" Nicht, wenn die neue Saison besser werden soll als die alte.

Poschner, 45, ist die dramatische Figur in diesen für die Zukunft von 1860 München wichtigen Wochen. Sein Schicksal entscheidet über das des Vereins. Doch seine Gedanken und seine Motivation sind ein Rätsel. Manchmal spricht er süffisant, dann plötzlich ernsthaft; mal klingt er wütend und angriffslustig, dann wieder resigniert. Als er vor einem Jahr nach München kam, war er ein Sportdirektor mit Visionen, die an der Realität der zweiten Liga zerschellt sind. Doch er habe jetzt neue, sagt er: "Ideal wäre, wenn wir unseren Weg jetzt weitergehen. Vielleicht gibt es ja Überraschungen in den nächsten Tagen." Vielleicht glaubt er wirklich daran.

Die Verhandlungen mit dem Verteidiger Tim Hoogland dürften Poschners Glauben geschwächt haben. "Ich hätte ihn gerne gehabt", sagt Fröhling über den früheren Schalker, der zuletzt für den FC Fulham spielte und nun nach Bochum wechselt. Poschner sagt, er habe für den Transfer nur noch ein Häkchen des Präsidiums gebraucht. Schneider sagt, er habe sich am Tag seines Amtsantritts als Übergangspräsident "erst mal einarbeiten" müssen. Daher bekam Poschner ein Kreuz: abgelehnt.

Hoogland, 30, war zuletzt Stammspieler in der zweiten englischen Liga, sportlich hätte wenig gegen ihn gesprochen, so er denn finanzierbar gewesen wäre. Poschners Telefon summt ständig, das Display ist zerschellt, er hat keine Zeit gefunden, es auszuwechseln: Der Stress setzt ihm offensichtlich zu. Natürlich wäre ein Rücktritt das Eingeständnis seiner Niederlage, aber es wäre verständlich, würde er seinen Abschied vorbereiten. Täglich spürt er den Zorn der Fans, die mit "Poschner-go-home"-Plakaten vor die Geschäftsstelle pilgerten. Emotionen will er sich nicht eingestehen, es geht in dieser Geschichte des TSV 1860 ja auch um Männerstolz. "Wenn er Manns genug ist , würde er zurücktreten", hat Schneider über Poschner gesagt.

Poschner will besonders lässig wirken, souverän. Doch sein Appell an den Vorstand klingt nicht danach: "Trefft eine Entscheidung, wie auch immer, damit gearbeitet werden kann", sagt er. Und längst nicht mehr: Vertraut mir.

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Eine Entlassung Poschners ist eine mögliche Entscheidung, aber ein bedrohliches Szenario. Sie müsste mit Hilfe der 50+1-Regel an Investor Hasan Ismaik vorbei getroffen werden. Ismaik könnte daraufhin seine Darlehen im Wert von mehr als sechs Millionen Euro aufkündigen, und der Vorstand könnte mit der Aushebelung des Beirats um Ismaik gegen Zivil- und Handelsrecht verstoßen und privat haftbar gemacht werden. Über den Stand des Dialogs zwischen München und Abu Dhabi gibt es seit Tagen keine sicheren Informationen. Es ist unklar, ob er überhaupt stattfindet.

Produktive Gespräche zwischen Schneider, Bay und Poschner gibt es wohl auch keine. Schneider hat immerhin Torsten Fröhling vor der Abfahrt nach Bodenmais angerufen und ihm erklärt, es würde nun schnell gehen mit den ersten Transfers. Das berichtet Fröhling, er sagt: "Ich vertraue ihm." Tatsächlich hat Schneider nach SZ-Informationen am Donnerstag einen Zugang genehmigt; Poschner darf unter den von ihm angekündigten Konditionen einen Transfer tätigen.

Erschwert wird Poschners Arbeit seit kurzem dadurch, dass Schneider einem Gremium vertraut, das die Aktivitäten des Sportdirektors kontrollieren soll. Er dürfe nur eine Büroklammer kaufen, sagt Poschner. In dem Gremium sitzen die Altlöwen Karsten Wettberg, Thomas Miller und Peter Grosser: Als die Fans gegen Poschner protestierten, protestierten sie mit. Sie werden seine Ideen eher kritisch sehen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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