Die Ausbildung eines Fußball-Schiedsrichters weist Parallelen zu der eines Autofahrers auf. In Theoriestunden wird dem Interessierten das nötige Wissen vermittelt, aber das wirkliche Lernen beginnt erst, wenn er das erste Mal hinter dem Lenkrad sitzt - oder zwei Mannschaften aufs Feld führt und ein Spiel pfeift. Dann muss die Theorie in die Praxis umgesetzt werden. Und das ist oft schwieriger und nervenaufreibender als vorher gedacht.
Was bei den ersten Versuchen im Fahrschulauto der Fahrlehrer mit der Notfallbremse auf dem Beifahrersitz ist, kann für den angehenden Unparteiischen seit einigen Monaten der sogenannte Tandem-Schiedsrichter sein. Das Pilotprojekt der Schiedsrichtergruppe Bad Tölz hat sich bewährt und darf künftig in ganz Bayern angewendet werden.
Die Idee hinter diesem Projekt ist so einleuchtend wie simpel. Viele junge Schiedsrichter erleiden offenbar bei ihrem ersten alleinigen Auftritt einen Praxisschock. Sie sind nervös, auf sich alleine gestellt und machen vielleicht Fehler, was dazu führt, dass Spieler reklamieren und Zuschauer oder Eltern am Spielfeldrand schimpfen.
Ein zur Seite gestellter Tandem-Schiedsrichter verringert diese äußeren Einflussfaktoren: Bei seinem Premieren-Auftritt gibt der junge Unparteiische in der ersten Spielhälfte den Beobachter; ein erfahrener Kollege, der sogenannte Tandem-Schiedsrichter, leitet das Spiel, der Neuling läuft neben ihm her, beobachtet, analysiert. "Vormachen und erklären", nennt es Thomas Sonnleitner, Schiedsrichter-Lehrwart aus Bad Tölz und Initiator des Projekts.
"Viele hatten Angst vor dem zweiten Spiel"
Der junge Schiedsrichter kann sich so die Laufwege und das Stellungsspiel seines Kollegen abschauen und dessen Verhalten bei Standardsituationen, die richtige Zweikampfbeurteilung oder den Umgang mit den Spielern beobachten - mögliche Fehlerquellen erlebt er unmittelbar und kann sie so künftig vermeiden.
In der Pause bespricht der unparteiische Routinier das Spiel mit dem Neuling, erklärt, warum er bestimmte Entscheidungen getroffen hat. Im zweiten Durchgang werden dann die Rollen getauscht. "Nachmachen und umsetzen", sagt Sonnleitner. Der junge Schiedsrichter wird jetzt selbst zum Entscheidungsträger, der erfahrene begleitet ihn weiter auf dem Platz und unterstützt bei Bedarf als Ansprechpartner und Helfer. Was dann oft gar nicht mehr nötig ist.