Philipp Kohlschreiber besiegt John Isner:Mit Gelassenheit gegen die Tennisball-Kanone

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Bewahrte im Match gegen John Isner die Ruhe: Philipp Kohlschreiber. (Foto: AFP)

John Isner hat einen Aufschlag, für den er einen Waffenschein vorzeigen sollte. Doch Philipp Kohlschreiber wird nicht nervös und besiegt den Amerikaner in der dritten Runde der US Open. Sein nächster Gegner gehört zu den großen Favoriten.

Von Jürgen Schmieder

Es war bewundernswert, dass sich Philip Kohlschreiber gegen Ende des dritten Satzes überhaupt noch hinter der Grundlinie positionierte, um die Aufschläge von John Isner zu erwarten. 30 von 33 Punkten hatte der Amerikaner zuvor für sich entschieden - 24 davon, ohne einen zweiten Schlag danach zu benötigen. Insgesamt gelangen Isner 26 Asse und 39 weitere direkte Aufschlagpunkte.

Nein, es war wirklich kein Vergnügen, die Eröffnungen von Isner zu retournieren, der Amerikaner präsentierte sich wieder einmal als humorloser Spaßverderber.

Kohlschreiber indes blieb gelassen, er ließ sich weder von den Aufschlägen seines Gegners aus der Ruhe bringen, noch von dessen neun Minuten währenden Toilettenpause, noch von den Zwischenrufen von Isners Freunden während der Ballwechsel.

US Open
:Kerber und Mayer im Achtelfinale

Angelique Kerber besiegt bei den US-Open die Estin Kaia Kanepi in zwei Sätzen, steht aber nun vor einer schweren Aufgabe. Auch für die deutschen Männer läuft es gut: Florian Mayer folgte Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber in die nächste Runde. Sabine Lisicki dagegen ist raus.

Kohlschreiber wusste: Beim Tennis werden nicht alle Punkte zusammengezählt - da stand es am Ende 123:123 -, sondern es genügt, gerade gegen Isner, ein Mal pro Satz vier Punkte bei dessen Aufschlag zu gewinnen. Kohlschreiber siegte am Ende mit 6:4, 3:6, 7:5 und 7:6 (7:5) und trifft nun im Achtelfinale auf den Spanier Rafael Nadal.

Kohlschreiber agierte während der gesamten Partie variabel, laufstark und reaktionsschnell - vor allem aber präsentierte er sich nahezu fehlerfrei. In den beinahe drei Stunden Spielzeit leistete er sich gerade einmal 17 Fehler, während seinem Gegner 40 dieser Missgeschicke unterliefen.

Isner ist einer der unangenehmsten Gegner im Männertennis. Selbst Akteure wie Rafael Nadal oder Novak Djokovic suchen nach der Auslosung von Grand-Slam-Turnieren zuerst nach Isner - und bekreuzigen sich dann drei Mal, wenn dessen Name im Tableau möglichst weit weg vom eigenen steht. Das liegt nicht daran, dass Isner kein netter Kerl wäre oder weil er nach Siegen den Zuschauern zu verstehen gibt, dass er gerne Superman wäre. Es liegt an der Spielweise des 28-Jährigen.

Man tritt Isner nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass er nicht unbedingt einer der Filigransten seiner Zunft ist. Außer einer wuchtigen Vorhand verfügt er aus dem Spiel heraus nicht wirklich über einen gefährlichen Schlag, sein Netzspiel ist trotz seiner Größe von 2,06 Metern eher wacklig. Allerdings: Isner hat einen Aufschlag, für den man grundsätzlich den Besitz eines Waffenscheins verlangen sollte.

Mit bis zu 227 Stundenkilometer prügelte Isner den Ball an diesem Tag über das Netz, er war dabei überaus präzise und konstant - gegen Kohlschreiber etwa brachte er mehr als 80 Prozent seiner ersten Aufschläge ins Ziel. Partien gegen Isner sind deshalb äußerst enervierend, weil der Gegner weiß: Gelingt Isner ein Break, dann ist der Satz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verloren. Gelingt Isner kein Break, dann ist ein Tie-Break gegen diese Mensch gewordene Tennisball-Kanone auch nicht gerade ein Vergnügen.

Kohlschreiber gelang im ersten Satz dieses Break, im zweiten Durchgang allerdings musste er ein Aufschlagsspiel abgeben, während Isner seine Punkteserie startete - die jedoch beim Stand von 5:6 endete. Kohlschreiber erspielte sich drei Satzbälle, von denen er den zweiten nutzte.

Am Ende des vierten Satzes dann konnten die Zuschauer die Entwicklung von Philipp Kohlschreiber, 29, bewundern: Aus einem herausragenden Tennisspieler, der in engen Partien bisweilen nervös agiert, ist mittlerweile ein herausragender Tennisspieler geworden, der auch in kniffligen Momenten gelassen bleibt: Beim Stand von 5:5 gelang Isner ein Break, er schlug zum Satzgewinn auf.

"Ich habe nach dem Break zu viel Energie verbraucht, um mich selbst anzufeuern", sagte Isner nach der Partie, "das war ein Fehler von mir, weil ich deshalb müde wurde." Kohlschreiber gelang sogleich das Re-Break, er dominierte auch den folgenden Tie-Break. "Ich war einfach nur fertig", sagte Isner danach.

Bei seinen zehnten US Open steht Kohlschreiber damit wie im Jahr zuvor im Achtelfinale, er wird am Montag gegen Rafael Nadal antreten, der bislang in drei Partien ohne Satzverlust geblieben ist. Ob Nadal allerdings drei Kreuzzeichen gemacht hat, weil er nicht gegen Isner spielen muss, das ist nicht überliefert.

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