Pechstein-Prozess:Die Springprozession

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Das Termingeschacher im Pechstein-Prozess lässt auf ein schweres - juristisches, sportpolitisches? - Ringen bis zur letzten Minute im Hintergrund schließen.

Thomas Kistner

Als rasante Achterbahn-Fahrt erweist sich der Pechstein-Prozess seit der Anhörung im Oktober. Erst tat der Sportgerichtshof Cas kund, ein Urteil werde ab dem 10. November erfolgen, wenig später hieß es, ab 5. November dürfte es vorliegen - was viele zu der Spekulation verleitete, die Athletin könne am Wochenende wieder starten. Dann, Stunden vor dem im Sport mit Hochspannung erwarteten Termin, ließ der Cas wieder die Luft raus: Es soll nun weitere zwei Wochen dauern.

Claudia Pechstein muss weiter auf das Urteil warten. (Foto: Foto: dpa)

Zweimal vor, einmal zurück: Nervlich geht diese sportjuristische Springprozession zu Pechsteins Lasten. Sie hatte sich ja, jüngsten Bekundungen zufolge, schon auf Freispruch eingestellt und mit ihrem Comeback am Freitag in Berlin gerechnet. So, wie der nationale Verband DESG, der sich in beispielloser Vehemenz mit seiner Athletin solidarisiert hat; eine Athletin, die immerhin erstinstanzlich wegen Dopingverdachts gesperrt worden ist.

Das Termingeschacher lässt auf ein schweres - juristisches, sportpolitisches? - Ringen bis zur letzten Minute im Hintergrund schließen. Dass es mit dem Hinweis garniert wird, die drei Cas-Richter wollten ihr Urteil gleich samt vollständiger Begründung vorlegen, schafft Raum für Spekulation. Üblich ist auch am Cas, dass Urteile vorab bekannt gegeben und detaillierte Erläuterungen erst Tage oder gar Wochen später nachgeliefert werden. Und einen schnellstmöglichen Spruch hatte der Cas auch in der Causa Pechstein avisiert. So stellt sich jetzt die Frage: Warum kommt das Urteil nicht vorab?

Im Fall eines Freispruchs wäre es von größter Bedeutung für Pechstein, dass sie sofort in den Qualifikationsbetrieb für die Vancouver-Spiele einsteigen kann; die Chance schrumpft Woche für Woche. Die jetzt avisierte Lösung (sofern nicht bald wieder alles umgeworfen wird) raubt ihr mehrere der wenigen Qualifikationschancen. Auch wirkt sich die Zurücksetzung des Verkündigungstermins nicht sehr motivierend auf die Wartende aus. Das belegen die jüngsten Reaktionen.

Sicher, jede Spekulation zum Urteil bleibt Kaffeesatzleserei. Erkennbar ist aber, welch enormer Druck auf den Richtern lastet. An ihrem Spruch hängen Millionenklagen. Zugleich könnte er die Bereitschaft der Sportverbände, in drängenden Verdachtsfällen Sperren aufgrund handfester Indizien zu verhängen, auf lange Zeit lähmen. Juristische Experimente nämlich kann sich kein Sportverband leisten - am wenigsten, wenn er davon ausgehen darf, dass seine wissenschaftliche Beweisführung ziemlich wasserdicht ist.

© SZ vom 06.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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