Claudia Pechstein in Sotschi:Zu zweit ans Schwarze Meer

Lesezeit: 3 min

Gemeinsam in Sotschi: Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und Matthias Große (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein fährt nicht alleine zu den Spielen nach Sotschi. Der Deutsche Olympische Sportbund hat trotz knapper Kontingente ihren Freund als Betreuer nominiert. Dieser hat im deutschen Sport schon viel Unruhe erzeugt.

Von Johannes Aumüller

152 Teilnehmer umfasst die deutsche Olympia-Mannschaft für die Spiele in Sotschi, und kaum eine Athletin steht dabei so im Fokus wie die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein. Nachdem sie von 2009 bis 2011 wegen auffälliger Blutwerte von ihrem Weltverband gesperrt worden war, will sie nun in der Adler-Arena in der Nähe des Schwarzen Meeres mit 41 Jahren ihre zehnte olympische Medaille gewinnen.

Seit ein paar Tagen debattiert die nationale Sportwelt, ob Pechstein nicht bei der Eröffnungsfeier die Fahnenträgerin sein solle. Und nun steht die Berlinerin auch noch im Zentrum einer Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), über die sich viele gerade wundern: Denn zur 171 Namen umfassenden Betreuer-, Trainer- und Offiziellen- Liste für Sotschi zählt unter Nummer 40 auch Matthias Große, der Lebensgefährte von Claudia Pechstein.

Für die breite Verwunderung gibt es einen allgemeinen und einen speziellen Grund. Der allgemeine ist, dass die Betreuerplätze bei den Olympia-Fahrern sehr begehrt sind. Manche Athleten hätten zum Beispiel gerne ihren Heimtrainer oder einen Psychologen dabei. Zugleich sind die Betreuerplätze aber auch streng kontingentiert. Für die gesamte Olympia-Mannschaft beträgt das Verhältnis zwischen Sportler und Betreuer, deren Reise zu einem wesentlichen Teil aus Bundesmitteln finanziert wird, zirka 1 zu 1.

Durch sogenannte "Wechselakkreditierungen" ist es möglich, dass sich mehrere Betreuer für die Zeit der Spiele eine Akkreditierung teilen. Welcher Verband und welche Sportart wie viele Akkreditierungen bekommen, entscheidet der DOSB nach Diskussion mit den Verbänden. In dieser Gemengelage ist es jedenfalls ungewöhnlich, wenn der Lebensgefährte mit dabei ist.

Beschwerde über Drohanrufe

Der spezielle Grund ist Matthias Große selbst. Seit 2010 sind er und Claudia Pechstein ein Paar. Kennengelernt hatten sie sich, weil er sie nach der vom Weltverband verhängten Sperre unterstützen wollte. Der Geschäftsmann Große, der gemäß Pechsteins Buch "Von Gold und Blut" früher an der Militärpolitischen Hochschule in Minsk studierte und inzwischen unter anderem als Immobilienmakler tätig ist, tritt wie Pechsteins Beschützer auf, auch bei Wettkämpfen. Aber er hat im deutschen Sport, gelinde formuliert, auch schon viel Unruhe erzeugt.

Vor knapp einem Jahr befand zum Beispiel der Erfurter Funktionär Marian Thoms, Ehemann der früheren Eisschnellläuferin Daniela Anschütz-Thoms: "Die DESG (Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft, die Red.) darf Pechsteins Freund nicht mehr bei Wettkämpfen akkreditieren. Bei Wettkämpfen hält er sich im Innenraum auf und stört dort die anderen Sportler. Einige fühlen sich sogar eingeschüchtert."

Auch der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel hatte über Belästigungen berichtet. Zwei Sportpolitiker aus dem Bundestag werteten Anrufe von Große als so bedrohend, dass sie sich beim Bundesinnenministerium, dem Arbeitgeber der Bundespolizeibeamtin Pechstein, beschwerten. Es war ihnen auch ein Anliegen, den Sicherheitsdienst des Bundestages entsprechend zu informieren. Große gestand zwar die Anrufe ein, bestritt aber stets, Drohungen ausgesprochen zu haben.

Angesichts dieser Aspekte fragen sich nun viele, warum ausgerechnet Pechsteins Lebensgefährte eine der begehrten Akkreditierungen bekommen hat. DESG-Präsident Gerd Heinze teilt mit, dass sein Verband Große auf Anregung von Pechstein vorgeschlagen habe. "Er gehört seit zwei Jahren zum Betreuerteam, hat an allen internationalen Wettkämpfen teilgenommen, warum soll er jetzt fehlen?" Außerdem sei Große in erster Linie für Pechstein, aber auch für allgemeine Belange der Mannschaft da, "zum Beispiel als Dolmetscher". Von anderen Athleten des Eisschnelllauf-Teams habe es keine Wünsche nach speziellen Betreuern gegeben.

Die endgültige Entscheidung traf das DOSB-Präsidium bei seiner Nominierungssitzung in der vergangenen Woche - nach offenkundig längerer Debatte. Der olympische Dachverband habe sich bei dieser Entscheidung von der Frage leiten lassen, "wie Claudia Pechstein bei ihrem Ziel, ihre zehnte olympische Medaille zu gewinnen, bestmöglich unterstützt werden kann", teilte er auf Anfrage mit.

Der DOSB ist in den vergangenen Wochen bemerkbar auf Annäherungskurs zu Pechstein gegangen. Erst kürzlich tat der neue Präsident Alfons Hörmann kund, dass er sich für eine Wiederaufnahme der Athletin in die Sportfördergruppe einsetze; diesen Status hatte sie wegen ihrer Sperre verloren.

Aspekte wie die Beschwerden aus der Eisschnelllauf-Branche über Große sowie die Anrufe bei den Bundestagsabgeordnete seien dem DOSB "selbstverständlich bekannt". Es seien intensive Gespräche mit Pechstein und Große geführt worden. Nach Angaben eines Verbandssprechers hat es für die Nominierung auch Rahmenbedingungen gegeben.

Demnach werde Große seine Lebensgefährtin zum Training begleiten, den Wettkampf aber von der Tribüne aus verfolgen und sich nicht im Innenraum der Eishalle aufhalten. Zudem werde er nicht im Olympischen Dorf wohnen, sondern gemeinsam mit DESG-Verantwortlichen in einem Hotel.

Claudia Pechstein wollte auf Anfrage konkrete Fragen zu diesem Fall nicht konkret beantworten und verwies auf die Stellungnahme des DOSB, der nichts hinzuzufügen sei. Ende der Woche reist sie ab nach Sotschi, und wenn sie dann um ihre zehnte olympische Medaille kämpft, wird sie nicht allein im Fokus stehen.

© SZ vom 28.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: