Paris Saint-Germain:Herrscher ohne Zügel

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Zlatan Ibrahimovic (li.): Nächster Titel schon in Sichtweite (Foto: AFP)

Die nächste Meisterschaft für Paris Saint-Germain gilt als sicher, auch wenn es zum Auftakt nur zu einem Remis reicht. Das Finanzgebaren des französischen Klubs ist umstritten, doch die Uefa schränkt es nur halbherzig ein.

Von Oliver Meiler, Paris

Es tut dem Wettbewerb nie besonders gut, weder in der Wirtschaft noch im Sport, wenn ein Mächtiger abhebt und in eine andere Sphäre wechselt - gewissermaßen auf einen anderen Planeten. In der höchsten französischen Fußball-Liga, der Ligue 1, die an diesem Wochenende wieder den Betrieb aufgenommen hat, droht eine denkwürdige Monopolisierung. Das lässt sich jetzt schon sagen, ohne Furcht, dass einem später die Kritiker die Prognose um die Ohren schlagen.

Darum sei diese Vorhersage in aller Deutlichkeit gewagt: Paris Saint-Germain, kurz "PSG", der Verein mit dem Eiffelturm im Wappen, gegründet 1970 und seit drei Jahren im Besitz Katars, wird in diesem Jahr alles gewinnen, was es in Frankreich zu gewinnen gibt.

Den Liga-Auftakt in Reims gestalteten die Pariser zwar nur mit einem 2:2 und zwei Toren von Zlatan Ibrahimovic, dem unantastbaren Piloten und Popstar des Vereins, dem Posterboy des französischen Klubfußballs (der Schwede verschoss zudem noch einen Elfmeter und traf alleine vor dem Tor nur den Pfosten). Doch Auftaktspiele lagen den Parisern noch nie. Das Remis in Reims passt daher ins Bild - und zur Prognose. Die Franzosen schauen also einer Meisterschaft entgegen, in der man ihnen von Runde zu Runde neue Rekorde auflisten wird, die PSG reihenweise brechen wird. Garantiert. Oder?

Jüngst sah es mal so aus, als ließe sich der Pariser Höhenflug stoppen, und zwar administrativ. Die Investoren aus Katar verletzen mit ihrer kuriosen Querfinanzierung des Vereins ja das zentrale Gebot des Financial-Fairplay-Programms der Uefa, das lautet: Gib nie mehr aus, als du einnimmst! PSG aber erhält das Geld für seine teure Personalpolitik von einem Sponsor, der Qatar Tourism Authority (QTA). Dieser Sponsor gehört ebenso zum katarischen Staat wie der Fonds Qatar Sports Investments (QSI), der die Mehrheit am Verein hält.

Reichhaltig besetzt

Die Uefa verschrieb dem Klub deshalb eine Art Vernunft-Kur: PSG darf nur noch neue Spieler kaufen, wenn man für denselben Betrag welche verkauft, hieß es - und die gesamte Einkommenssumme der Belegschaft darf nicht zusätzlich wachsen. In der französischen Fußball-Provinz dachte man da schon, der neue Hegemon aus der Hauptstadt werde in Zügel gelegt.

Doch diese Hoffnung war trügerisch. Ganz so ernst scheint es der Uefa und ihrem Chef, dem Franzosen Michel Platini, nämlich nicht zu sein - zumal dann nicht, wenn es um die Pariser und Katar geht; Platinis Sohn arbeitet in Doha. Noch bevor der Verein große Verkäufe tätigte, kaufte er also den brasilianischen Innenverteidiger David Luiz vom FC Chelsea - für 50 Millionen Euro. Im Gespräch ist zudem Angel Di Maria, der schnelle Angreifer von Real Madrid, für sagenhafte 75 Millionen Euro. So viel jedenfalls erhoffen sich die Madrilenen.

Aber wahrscheinlich müssten die Pariser, wollten sie den hageren Argentinier tatsächlich verpflichten, dafür einen anderen Großverdiener verkaufen, etwa Mittelstürmer Edinson Cavani (Uruguay). Es ist nicht etwa so, dass sich Paris nicht beide leisten könnte, das ginge problemlos. Doch die Uefa müsste dann einschreiten, selbst wenn es ihr unangenehm wäre.

So oder so ist der PSG-Kader, gebaut für die Champions League, auf jeder Position so viel reichhaltiger besetzt als die Kader der Konkurrenz, dass in der Liga wohl nur die Rolle des Verfolgers zu vergeben bleibt. Dafür kommen hauptsächlich zwei Teams aus dem Süden des Landes infrage: AS Monaco und Olympique Marseille.

Die Monegassen haben das erste Saisonspiel gegen Lorient gleich 1:2 verloren, der neue Trainer steht also schon etwas unter Druck: Der Portugiese Leonardo Jardim, früher bei Sporting Lissabon und Piräus, ersetzt den Italiener Claudio Ranieri, den Monaco entließ, obwohl er den Klub aus der zweiten Liga auf Platz zwei der ersten Liga geführt hatte. Er coacht nun Griechenlands Nationalteam. Von Jardim heißt es, er sei der "neue Mourinho", doch das heißt es von jedem portugiesischen Trainer im Ausland. Er spielte nie selbst aktiv, den Trainerschein erwarb er mit 24 Jahren.

Jardim muss ohne den Kolumbianer James Rodríguez auskommen, Monacos bisherigen Spielgestalter, der sich bei der WM mit sechs Toren zu Real Madrid geschossen hat. Ob der andere berühmte Kolumbianer im Team der Monegassen, Torjäger Radamel Falcao, nach überwundener Knieverletzung bleibt, ist trotz Treuebekenntnissen noch immer fraglich. Das Interesse an ihm ist breit gestreut, und so kann es sein, dass das Fürstentum seine kurz gehegten Großmachtträume im Fußball, genährt von den Millionen eines russischen Oligarchen, bald schon wieder ausgeträumt hat.

Vielleicht hat dies einen ungewöhnlichen Grund: Klubbesitzer Dimitri Rybolowlew trennte sich unlängst von seiner Frau - 3,3 Milliarden Euro soll ihn die Scheidung gekostet haben. Da schränkt sich wohl auch der Spielraum für den teuren Spaß mit dem Ball ein bisschen ein.

Bewunderung durch Guardiola

In Marseille dagegen träumen sie von der Rückkehr an die Liga-Spitze, nachdem man zuletzt als Tabellensechster alle Aussicht auf Europa verspielt hat. Auswärts gegen die Korsen vom SC Bastia, neuerdings trainiert vom langjährigen Nationalspieler Claude Makelele, begann auch Marseille die Saison mit einem Unentschieden: einem spektakulären 3:3, das von schwerer Randale durch Bastia-Fans überlagert wurde, mit 44 verletzten Polizisten.

Marseilles Zuversicht hat nicht unwesentlich mit dem neuen Trainer zu tun. In Argentinien, der Heimat von Marcelo Bielsa, nennen sie ihn "El loco", den "Verrückten". Gemeint ist eher "der Besessene". Bei Olympique halten sie ihn für den Heilsbringer, den Messias. Zu hören ist, Bielsa zwinge den Spielern eine eiserne, schier militärische Disziplin auf, was die kulturellen Gewohnheiten gerade im Süden Frankreichs, wo man es gerne gemütlich hat, durchschütteln dürfte. Dem früheren Coach der Nationalelf Chiles und von Athletic Bilbao wird zudem nachgesagt, er hole aus jeder Mannschaft das Maximum heraus, auch aus bescheiden dotierten Teams. Denn er revolutioniere das Spiel mit taktischen, für die Gegner verwirrenden Innovationen.

Bielsa hat sich mit seiner Situationsintelligenz unter Trainerkollegen einen guten Ruf erworben. Einer seiner offenkundigsten Bewunderer ist Bayern-Coach Pep Guardiola. Bevor Guardiola 2008 den FC Barcelona übernahm, reiste er eigens nach Rosario, in die argentinische Pampa, um mit "El loco" über Fußball zu reden. Eine ganze Nacht lang, wie er danach erzählte. Ob aber Bielsas Verrücktheit ausreicht, um an der Hauptrolle des PSG zu kratzen? Nun, es müsste wahrlich verrückt zugehen.

© SZ vom 11.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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