Paralympics in Russland:Zu ernst fürs Raushalten

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Die Unbefangenheit der Paralympics ist verschwunden: Die Krim-Krise belebt die Frage nach einem Boykott. Anders als zu Beginn der Olympischen Winterspiele sind die Muskelspiele des Gastgebers nun greifbar. Der Sport gerät zur Nebensache.

Ein Kommentar von Thomas Hahn

Die Boykott-Frage ist zurück, weil Großbritanniens Regierung wegen der Krim-Krise demonstrativ den Paralympics in Sotschi fernbleibt. Keiner der angekündigten Minister wird nach Stand der Dinge die Reise nach Russland antreten, auch nicht Prinz Edward, der als Schirmherr des Britischen Paralympischen Verbandes (BPA) avisiert war. Das ist kein kleiner Verlust für die Weltspiele des Behindertensports, denn Großbritannien gilt als Mutterland des paralympischen Sports.

Das Ereignis ist wenige Tage vor seiner feierlichen Eröffnung am 7. März im Olympiastadion Fischt ins weltpolitische Spannungsfeld geraten. Die Unbefangenheit ist fort, und mancher Sportfreund mag sich hilflos fragen: Was können die Paralympics denn dafür, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in der tausend Kilometer entfernten Ukraine Truppen aufmarschieren lässt? Müssen Athleten für die Irrungen der Politik büßen? Kann man nicht ein Mal in Ruhe ein Sportfest feiern?

Schön wär's, wenn man den Sport jetzt raushalten könnte aus diesem Konflikt, der das Hintergrundraunen zum zweiten Teil der russischen Spiele geworden ist. Dann wäre die Lage nämlich nicht so ernst. Erinnert sich noch jemand? Schon vor Olympia in Peking 2008 haben manche Zeitgeister darüber diskutiert, ob Vertreter westlicher Demokratien nicht fernbleiben sollten, wenn eine Parteidiktatur unter den Ringen sich selbst feiert. Vor Olympia in Sotschi gab es eine ähnliche Debatte.

Putin muss Fallstricke der Wirklichkeit fürchten

Aber damals war es einfacher, sich auf die Seite des Sports zu schlagen, weil die Boykott-Kontroverse eher das Symptom eines allgemeinen moralischen Unbehagens in Menschenrechts- und Umweltfragen war. Jetzt hat der Spiele-Gastgeber einen konkreten militärischen Akt unternommen, den die sieben führenden Industrieländer geschlossen als Völkerrechtsverletzung interpretieren.

Hier hört der Spaß endgültig auf - da kann das Internationale Paralympische Komitee noch so hingebungsvoll auf die Idee vom olympischen Frieden verweisen. Selbst die Herren der Olympischen Ringe müssten in einer ähnlichen Situation erkennen, dass Sport eben doch nur Sport ist: eine Nebensache, über die sich ein paar hübsche Werte meistbietend vermarkten lassen und für die ein Putin auch mal 50 Milliarden Dollar zahlt.

Es wird nicht unspannend, wie der britische IPC-Präsident Sir Phil Craven am Freitag bei der Eröffnungsfeier neben seinem Gastgeber auftreten wird. Ob er Putin für seine Muskelspiele genauso feiern wird, wie es sein deutscher Kollege Thomas Bach vom Internationalen Olympischen Komitee getan hat? Wichtiger ist allerdings etwas anderes mit Blick auf die gesellschaftlich wertvollen Paralympics: Dass sich im Zuge der Krim-Krise die Sicherheitslage in Sotschi und Krasnaja Poljana nicht derart verschärft, dass Länder wie Großbritannien nicht nur ihre Politiker, sondern auch ihre Athleten abziehen müssen. Dann wären Putins Spiele endgültig an den Fallstricken der Wirklichkeit gescheitert.

© SZ vom 04.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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