Paralympics:Annika Zeyen holt vierte deutsche Goldmedaille

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Acht Jahre nach ihrem Triumph im Rollstuhlbasketball holt Annika Zeyen wieder Gold - diesmal mit dem Handbike. (Foto: REUTERS)

Vor acht Jahren gewann sie als Rollstuhlbasketballerin in London, nun triumphiert Zeyen im Zeitfahren mit dem Handbike. Im Kugelstoßen kommt Sebastian Dietz auf den zweiten Platz.

Meldungen von den Paralympics

Radfahren: Handbikerin Annika Zeyen hat bei den Paralympischen Spielen in Tokio die vierte deutsche Goldmedaille gewonnen. Die Weltmeisterin aus Bonn siegte im Einzelzeitfahren über 16 km auf dem Fuji International Speedway nach starker zweiter Rennhälfte in 32:46,97 Minuten und holte sich mit 43 Sekunden Vorsprung ihr viertes Edelmetall. Alle vorherigen Medaillen sammelte sie noch als Rollstuhlbasketballerin, 2012 in London gewann sie mit dem deutschen Team Gold.

"Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Es ist einfach unglaublich, ich hätte damit nicht gerechnet", sagte Zeyen, die erst 2019 zum Radfahren gewechselt war: "In zwei verschiedenen Sportarten Gold bei Paralympics zu gewinnen, ist einfach unglaublich, das kann man nicht toppen."

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Erwartungsgemäß hübschten die Radsportler die deutsche Bilanz in Japan am Zeitfahrtag enorm auf. Rio-Champion Vico Merklein gewann Silber und verpasste mit dem Handbike sein zweites Gold bei den Paralympics nur um zwei Sekunden. Die Medaille ist sein insgesamt viertes Edelmetall.

Fahnenträger Michael Teuber und Kerstin Brachtendorf holten jeweils Bronze. Teuber verpasste sein historisches fünftes Gold nacheinander im Zeitfahren nur um fünf Sekunden, holte bei seinen sechsten Spielen erstmals den dritten Platz. "Ich bin stolz drauf, dass ich so stark gefahren bin. Wenn ich auf meine Leistungsdaten schaue, denke ich, dass es das beste Rennen meines Lebens war", sagte der Münchner. Eine Überraschungsmedaille gewann Brachtendorf in der Startklasse C5. Die 49-Jährige holte als Dritte ihr erstes Edelmetall bei Paralympics. Erst drei Wochen vor den Spielen musste sich die Cottbuserin wegen eines Verschlusses der inneren Beckenarterie operieren lassen.

Leichtathletik: Die Kugelstoßer Sebastian Dietz hat die nächste Bronzemedaillen für das deutsche Team geholt. Dietz wurde in der Startklasse F36 trotz Oberschenkelproblemen in Saisonbestleistung von 14,81 Metern Dritter, zum erneuten Gold-Coup wie in Tokio fehlten fast zwei Meter. "Ich bin erleichtert, aber auch glücklich", sagte der 36-Jährige: "Es ist etwas ganz anderes als in Rio. Das hier war sicherlich die schwerste Medaille, die ich mir erkämpft habe. Mental und körperlich war das der schwerste Weg, den ich gegangen bin." Dietz hatte in den vergangenen zwei Jahren sowohl mit Verletzungen als auch mit mentalen Problemen zu kämpfen. Deshalb sei die Medaille "ein Gewinn und keine Niederlage".

Leichtathletik: Sprinter Felix Streng hat bei den Paralympischen Spielen in Tokio die dritte deutsche Goldmedaille gewonnen. Der 26-Jährige siegte über 100 m in 10,76 Sekunden zwei Hundertstel vor dem Costa Ricaner Sherman Isidro Guity Guity und feierte in der Startklasse T64 den größten Erfolg seiner Karriere. Weltrekordler Johannes Floors holte sich in 10,79 Sekunden zeitgleich mit dem Briten Jannie Peacock Bronze.

"Das ist unglaublich viel wert. Ich habe so viel reingesteckt in dieses Jahr. Ich bin so happy", sagte Streng im ZDF. 2016 hatte er über 100 m Bronze gewonnen, auch über die 200 m am Samstag ist Streng heißer Goldkandidat. Für Floors ist es die erste Einzelmedaille bei Paralympics, über die 400 m geht der Doppelweltmeister und Weltrekordler am Freitag als Topfavorit ins Rennen. Gemeinsam mit Markus Rehm und David Behre gewann das Duo in Rio Gold in der 4x100 m Staffel.

Leon Schäfer holte derweil in der Startklasse T63 seine zweite Medaille der Spiele. Nach Silber in seiner Paradedisziplin Weitsprung gewann der 24-Jährige über 100 m Bronze. Mit einer Zeit von 12,22 Sekunden blieb er sieben Hundertstel unter seiner bisherigen Bestleistung, Sieger Anton Prochorow (Russisches Paralympisches Komitee) war exakt zwei Zehntel schneller.

Reitsport: Dressurreiterin Regine Mispelkamp hat bei ihrer Paralympics-Premiere in Tokio überraschend die Bronzemedaille gewonnen. Die 50-Jährige aus Geldern belegte in der Kür der Startklasse V auf Highlander Delight's mit 76,820 Punkten den dritten Platz. Zur Siegerin Michele George aus Belgien fehlten der an MS erkrankten Athletin 3,77 Zähler.

"Ich habe es mir gewünscht. Wir haben dafür trainiert, und jetzt ist es endlich wahr", sagte Mispelkamp unter Tränen: "Das Härteste war, mich mit meiner Krankheit zu identifizieren. Aber es hat mich auch angetrieben, den Sport weiterzumachen, weil es mir hilft, meine Stabilität zu halten. Ich gebe mein ganzes Leben dafür." Die zweimalige deutsche Meisterin hatte am vergangenen Donnerstag eine Medaille im Einzel-Wettbewerb noch knapp um 0,214 Punkte verpasst. Zuvor war Saskia Deutz in der Klasse IV auf den sechsten Platz geritten. Die inkomplett querschnittsgelähmte Reiterin lag beim Sieg der Niederländerin Sanne Voets 2,195 Punkte hinter den Medaillenrängen.

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Schwimmen: Schwimmerin Verena Schott hat bei den Paralympischen Spielen in Tokio ihre dritte Medaille nur knapp verpasst. Die 32-Jährige kam im Finale über 50 m Schmetterling in 37,03 Sekunden auf Platz vier, zu Bronze in der Startklasse S6 fehlten nur zwei Zehntelsekunden. Zuvor war die Cottbuserin bereits über 200 m Lagen und 100 m Brust Dritte geworden und hatte damit die bislang einzigen Medaillen für die deutschen Schwimmer gewonnen.

"Ich bin mega happy mit meiner Zeit", sagte Schott: "Natürlich ist es schade, dass es am Ende so knapp war. Aber ich hätte nichts besser machen können. Hätte mir vor einem halben Jahr einer gesagt, dass ich über 50 m Schmetterling Vierte werde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Das hätte ich nie geglaubt."

Goalball: Die hochambitionierten deutschen Goalballer sind bei den Paralympics überraschend in der Vorrunde ausgeschieden. Der Europameister und Gold-Anwärter verlor am Montag in Tokio gegen China deutlich mit 3:8 und beendete die Gruppe B aufgrund der schlechtesten Tordifferenz (-7) als Letzter. Alle fünf Mannschaften haben zwei Siege und zwei Niederlagen auf dem Konto.

Die Mannschaft des scheidenden Bundestrainers Johannes Günther war mit einer Gold-Ansage ins Turnier gestartet. Doch die zwei klaren Niederlagen gegen die Ukraine (5:11) und am Montag gegen China bedeuteten das Aus. Gegen die Asiaten traf Michael Dennis zweifach. Der Sieger hatte in Yang Mingyuan, dem sieben Tore gelangen, den überragenden Akteur auf seiner Seite.

Rollstuhlbasketball: Die deutschen Rollstuhlbasketballer haben bei den Paralympics in Tokio ihr Minimalziel erreicht. Das Team von Bundestrainer Nicolai Zeltinger bezwang im Endspiel ums Weiterkommen in der Vorrunde den WM-Vierten Iran mit 56:53 (29:25) und erreichte als eines der besten vier Teams der Hammergruppe B das Viertelfinale. Eine Niederlage hätte das Aus bedeutet, die K.o.-Runde beginnt am Mittwoch.

"Das war ein schwerer Gegner, der über Emotionen kommt. Sie sind am Ende ein bisschen heißgelaufen, aber wir haben uns durchgekämpft und sind froh, dass wir im Viertelfinale stehen", sagte Christopher Huber. Matchwinner zum Vorrundenabschluss war Aliaksandr Halouski mit 27 Punkten, Thomas Böhme gelangen 15 Zähler. Die deutsche Mannschaft schaffte damit in der Gruppenphase drei Siege, demgegenüber stehen die Niederlagen gegen Rio-Champion USA und den WM-Dritten Australien. Gegen den Iran war es bis zur Pause ein enges Spiel mit mehreren Führungswechseln. Trotz eines Laufs im dritten Viertel musste Deutschland am Ende nochmal ordentlich zittern.

Zuletzt gewannen die Rollstuhlbasketballer des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) 1992 in Barcelona eine Medaille, in Japan soll dieser Bann gebrochen werden. Das deutsche Frauen-Team marschierte ungeschlagen als Gruppensieger durch die Vorrunde und ist am Dienstag (8 Uhr MESZ) im Viertelfinale gegen Spanien klar favorisiert.

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