Olympisches Fußballturnier:Britischer Start mit Blutergüssen

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Überraschung im Königreich: Da spielt das britische Fußballteam zum Olympia-Auftakt gegen Außenseiter Senegal nur Unentschieden - doch die Engländer, Schotten und Waliser gehen höchst gnädig mit dem eigenen Team um. Schuld am verpatzten Start hatte ohnehin ein böser Bube aus Senegal.

Jürgen Schmieder, London

Die Olympischen Spiele 2012 in London sind noch nicht einmal offiziell eröffnet - da gibt es bereits den ersten bösen Buben: Moussa Konaté ist kein Dopingsünder, er hat auch keinen rassistischen Twittereintrag verfasst. Moussa Konaté hat ein Tor erzielt, ein sehr schönes sogar, er hat den Ball aus vollem Lauf gefühlvoll ins Tor gelupft. Konaté erzielte diesen Treffer für die senegalesische Nationalelf. Das Problem dabei: Senegal spielte gegen Gastgeber Großbritannien, es war das Tor zum 1:1-Endstand.

Umkämpfter Olympia-Auftakt: Großbritanniens Danny Rose (links) gegen Sadio Mane. (Foto: Getty Images)

Zuvor hatte diese Partie eine Choreographie entwickelt, für die man Regisseur Danny Boyle rügen würde, wenn er derart viel Pathos in der Eröffnungsfeier am Freitag unterbringen würde: Das britische Team spielte schrecklich, die jungen Spieler liefen orientierungslos über den Platz - doch die beiden walisischen Dackel sorgten für die Führung: Ryan Giggs schlug in der 20. Spielminute einen Freistoß in den Strafraum, der Ball kam zu Craig Bellamy - und der drosch das Spielgerät aus acht Metern ins Tor.

Zehn Minuten vor dem Ende, die Briten führten noch mit 1:0, da wurde Bellamy ausgewechselt. Er, der einst für Manchester City spielte und nun beim FC Liverpool agiert, bekam stehende Ovationen. In Old Trafford, dem Stadion von Manchester United. "Das ist ein seltenes Erlebnis", sagte Bellamy nach dem Spiel, "Liverpool ist mein Verein, aber dieses Stadion ist ein besonderer Ort. Das ist das Theatre of Dreams."

Es wäre ein traumhafter Start gewesen für diese gesamtbritische Elf - womöglich hätte ein Erfolg des "Team GB" dafür gesorgt, dass sich die Briten endlich anfreunden mit diesen Olympischen Spielen. Es wäre der Erfolg gewesen, den London nach all den großen und kleinen und witzigen und peinlichen Pannen der vergangenen Tage nötig gehabt hätte. Aber dann musste Konaté einen Treffer erzielen.

Es war in der 82. Minute, die Briten verloren wieder einmal im Mittelfeld den Ball. Sadio Mané spielte einen sehenswerten Pass in die viel zu offene Schnittstelle der britischen Viererkette. Konaté erlief den Ball und hob ihn elegant über Jack Butland hinweg ins Tor. "Dieser Treffer war extrem wichtig für uns", sagte Abdoulaye Ba nach dem Spiel, "wir haben die Qualität, wir haben nur lange gebraucht, das in ein Tor zu verwandeln."

"Wir müssen nun das Positive sehen", sagte Ryan Giggs nach der Partie. Nur gab es davon nicht allzu viel im Spiel der britischen Elf. Die Taktik von Trainer Stuart Pearce war recht einfach gestrickt: Giggs sollte den eigenen Laden zusammenhalten, Bellamy den des Gegners auseinandernehmen - die übrigen Spieler sollten je nach Bedarf beim Zusammenhalten und Auseinandernehmen helfen.

Die beiden Anführer spielten in der Tat herausragend: Giggs agierte umsichtig, er spielte schöne Pässe und gab seinen Mitspielern kluge Anweisungen. Bellamy sieht nicht nur aus wie ein Rugbyspieler, an guten Tagen benimmt er sich wie eine ganze Rugbymannschaft - und dieser Tag war ein sehr guter für Bellamy. Die anderen Spieler jedoch kamen nicht zurecht mit der wuchtigen und ruppigen Spielweise der Senegalesen.

Die hatten die Taktik von Pearce schnell durschaut und agierten deshalb in der Defensive mit dem Ziel, Giggs und Bellamy so lange auf die Füße zu klopfen, bis sie verletzt ausscheiden oder zumindest Angst vor einer Verletzung haben. Das gelang ihnen: Bellamy musste nach einem Foul von Saliou Ciss mit einer Bänderdehnung (Bellamy: "Nicht schlimm, es sollte gehen") ausgewechselt werden, Giggs sagte nach dem Spiel: "Wir bitten nur um ein klein wenig Schutz und den haben wir heute nicht bekommen. Da waren einige hässliche Grätschen dabei."

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Die Senegalesen kämpften jedoch nicht nur Fußball, sie spielten auch ganz herausragend. Immer wieder kombinierten sie sich in den gegnerischen Strafraum, wobei ihnen die britischen Verteidiger und Torwart Jack Butland immer wieder mal halfen. Senegal hätte bei schwacher Chancenverwertung drei Tore erzielen können. Sie gingen jedoch sehr schwach mit den Gelegenheiten um.

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Konaté lupfte in der ersten Halbzeit am Tor vorbei, einen sehenswerten Weitschuss von Saliou Ciss wehrte Butland herausragend ab, einen Kopfball von Papa Gueye wehrte ein britischer Spieler auf der Linie ab. Deshalb schafften die Senegalesen nur diesen einen Treffer bei 18 Torschüssen. Zum Vergleich: Die Briten schossen gerade einmal fünf Mal aufs Tor.

Immerhin trafen die Briten kurz vor dem Ende die Latte, zudem wurde ihnen ein klarer Elfmeter verwehrt, als Bellamy im Strafraum gelegt worden war. "Es wäre schön gewesen, wenn der Schuss von Marvin Sordell am Ende ins Tor gegangen wäre", sagte der britische Trainer Stuart Pearce nach dem Spiel, "und die Aktion von Bellamy war ein klarer Elfmeter. Deshalb sind wir enttäuscht - aber wir müssen als Team energischer spielen, wenn wir die nächste Runde erreichen wollen.

Die britischen Medien gingen am Morgen danach recht gnädig um mit der eigenen Elf, der Tenor ist: Der Schiedsrichter ist schuld und nicht die Mannschaft. Das ist doch bemerkenswert, wenn man sich an die Berichte über die englische Elf erinnert. "Team GB erlebt einen Start mit Blutergüssen" ist im Guardian zu lesen, selbst die oftmals viel martialischer daherkommende Sun schreibt: "Hell's Bells". Damit ist aber der Schiedsrichter gemeint und nicht die Mannschaft. In der Times steht: "Die Briten lecken ihre Wunden." Offenbar genießt dieses gesamtbritische Team noch Welpenschutz.

Die schottische Zeitung The Herald lobt indes den Willen der senegalesischen Elf - und die walisischen Zeitungen beschäftigten sich weniger mit dem Spiel als vielmehr mit der nächsten Panne dieser Spiele: Im offiziellen Programm des Teams ist der Waliser Joe Allen als Engländer ausgewiesen. Die Organisatoren entschuldigten sich und gelobten, bis zum nächsten Spiel neue Programme gedruckt zu haben.

Nach dem Spiel schüttelte der Waliser Ryan Giggs ein paar Hände, er sprach kurz mit den Schiedsrichtern. Dann ging er vom Feld. Er, der seit 25 Jahren für Manchester United agiert, bekam an diesem Abend in Old Trafford keine stehenden Ovationen.

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