Bobsport bei Olympia:Zwei Freundinnen müsst ihr sein

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Die Bobfahrerinnen Laura Nolte (rechts) und Deborah Levi feiern ihren Olympiasieg. (Foto: Julian Finney/Getty Images)

Laufstark, talentiert und ein Team: Laura Nolte und Deborah Levi überwinden alle Rückschläge. Nun sind sie die bislang jüngsten Olympiasiegerinnen der Bobgeschichte.

Von Volker Kreisl

Dann grüßte noch einmal die tückische Hufeisenkurve 13, die so vielen Bob-, Skeletonfahrern und Rennrodlern im letzten Moment noch den Erfolg verdorben hatte. Auch Laura Nolte und ihrer Anschieberin Deborah Levi gab sie mit ihrer Ausfahrt links einen Schlag mit, sodass die beiden vor dem Ziel nochmal drifteten und schlingerten.

Aber es blieb harmlos. Niemand erschreckte sich, denn die beiden hatten fast acht Zehntelsekunden Vorsprung, zwei Kurven vor dem Ziel, was so viel ist, wie ein 4:0 im Fußball fünf Minuten vor Schluss. Vielleicht hatte sich Nolte auch ungewollt schon entspannt, jedenfalls ließ sie ihren Schlitten jetzt ausrutschen, nach diesen für sie so anstrengenden Tagen von Peking.

Dann kam der Bob zum Stillstand und Nolte/Levi schälten sich in Windeseile aus ihrer Kiste, drückten sich, hauten sich und hüpften vor Freude auf der Stelle. So groß war die Erleichterung, dass gar keine Zeit blieb, um wenigstens die Helme abzunehmen, weshalb Nolte, als sie der große Augenblick in die Knie zwang, nur schwer die Tränen trocknen konnte. Insgesamt war es eine schöne, weil unroutinierte Jubelszene, kein Wunder, dieses Gespann ist nun unter allen bisherigen Bob-Olympiasiegerinnen das jüngste. "Das ist das, was wir die ganze Zeit wollten", sagte Nolte, dann ohne Helm.

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Die Bilanz des Bob- und Schlittenverbands Deutschland (BSD) ist bei diesen Spielen überragend wie nie, in allen Rodel-, Bob- und sogar Skeleton-Wettbewerben holte man Gold, außer im Monobob der Frauen. Aber bei aller - wegen überlegener Technik und umfangreichen Trainingsmöglichkeiten - gewohnten BSD-Siegroutine sind auch immer wieder Neulinge dabei, die mit großen Augen Olympia bestaunen und eine eigene Spiele-Geschichte schreiben. Wie Nolte, 23, und Levi, 24.

Anschieberin Levi gab, nachdem sie ihren Helm abgesetzt hatte, doch etwas ungläubig und ehrfürchtig zu bedenken: "Wir fühlen uns, als wären wir betrunken. Olympia war unser Traum, aber dass wir Gold gewinnen? Wer hätte damit gerechnet?" Niemand, denn unter ihren Konkurrentinnen war ja nicht nur die Olympiasiegerin von 2018, nämlich ihre Teamkollegin Mariama Jamanka, die diesmal Zweite wurde, und das gar nicht mal knapp. Sondern sie hatten es auch mit den erfahrenen Olympia-Fahrerinnen Elana Meyers Taylor, 37, und Kaillie Humphries, 36, aus den USA zu tun, mehrmalige Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen.

Im Monobob patzte Nolte in einem von vier Läufen

Mit einem Nolte-Sieg bei diesem Zweierbobrennen musste auch deshalb nicht unbedingt gerechnet werden, weil keineswegs klar war, ob sie mit ihrer überschaubaren Erfahrung das kleine Trauma aus dem Monobob-Rennen rechtzeitig würde verarbeiten können. Da hatte sie ebenfalls starke drei Rennen gezeigt, aber es waren nun mal vier auf dem Programm, und das vierte, genauer gesagt das dritte von vier Rennen, war ihr derart misslungen, dass sie begann, an sich zu zweifeln.

Ausgerechnet im oberen Teil der Bahn hatte sie sich verschätzt. Schon beim Start war sie ein Zehntel langsamer gewesen als sonst. Sie bekam eine Bande nach der Kurve vier mit und gleich noch ausgangs der Geraden, da eckte sie frontal links an, was sie nach rechts warf, womit das eintraf, was alle Bobfahrer hier fürchten. In diesem Fall, so die allgemeine Erkenntnis, könne man gleich aussteigen, wenn es denn unterwegs eine Haltestelle gäbe.

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Nolte verlor im Monobob dann ihren Podestplatz, wurde Vierte und sagte: "Ich bin einfach traurig. Ich konnte nicht das zeigen, was ich kann." Aber sie hatte ja noch eine Chance, mit einem schwereren, weniger anfälligen Zweier-Schlitten und mit ihrer seit vier Jahren verlässlichen Gefährtin und Anschieberin Deborah Levi.

Vier Jahre Freundschaft verbindet Nolte und Levi

Die beiden verstehen sich nicht nur, weil sie der Erfolg verbindet, sondern auch, weil sie ähnliche Interessen haben. Wie zahlreiche Athletinnen und Athleten im Bobsport wurden auch Nolte und Levi in Leichtathletik-Klubs entdeckt - als Sprinterinnen, deren Schnellkraft nicht ganz für eine Stadionlaufbahn, aber doch locker für eine Bob-Karriere reichen würde. Und vier Jahre Freundschaft sind genug, um in sechs Tagen das Selbstvertrauen wieder herzustellen.

Jedenfalls durchmaß Nolte den Pekinger Eiskanal nun in vier Durchgängen derart vertraut und sicher, als hätte sie ihn selber gebaut. Keine Bande leistete sie sich im Zweier, sie lenkte immer rechtzeitig und fand stets den direkten Weg. Obwohl? Nicht ganz. Weit unten, nach der Kurve 13, beim Stande von 4:0 kurz vor Schluss leistete sie sich noch diesen Drift. Geschenkt.

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