Sportfilme beim DOK.fest München:Spagat auf dem Place de la Concorde

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Spektakuläre Akrobatik: Breaking wird in diesem Sommer olympisch. (Foto: DOK.fest München)

Die Dokumentation "2Unbreakable" bietet einen Einblick in die Breaking-Szene. Ihre Kultur ist für die Protagonisten sogar wichtiger als die große Bühne Olympia.

Von Julian Sieler

Die Ruhe vor dem Sturm: Serhat Perhat sitzt Backstage im Schneidersitz auf dem Boden, die Kapuze hat er über den Kopf gezogen, seine Augen sind geschlossen. Gedämpft dringt der Lärm der Menge zu ihm. Ein letztes Mal atmet er durch, dann betritt er unter Jubel die Bühne. Perhat ist kein Boxer, kein Turner, kein Tänzer - und ist doch von allem ein wenig: Er ist Breaker.

Die Dokumentation "2Unbreakable" von Maike Conway bietet einen Einblick in die Szene des Breakings. Der Film begleitet die beiden Deutschen Serhat Perhat und Joanna Mintcheva zu Wettbewerben und in ihrem Alltag. Beide haben ein großes Ziel: Sie wollen nach Paris. "Wenn ich das schaffe, dann würde ich mir die Ringe tätowieren", sagt Perhat in der Doku.

Dort, wo sich Emmanuel Macron und die Mona Lisa treffen würden, verließen sie Büro und Bilderrahmen, werden sich im Sommer die Weltbesten ihrer Kunst gegenüberstehen. Oder zutreffender: Sie werden gegenüber voneinander alles tun, außer zu stehen. Auf dem Place de la Concorde, gelegen zwischen Élysée-Palast und Louvre, werden die olympischen Wettbewerbe im Breaking stattfinden.

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Das Breaking wurde in den 70er-Jahren in New York City von Afroamerikanern und Puerto Ricanern erfunden. Der Begriff Breakdance wurde später von Medien erschaffen, die B-Boys und B-Girls (B für Breaking) verwenden ihn selbst nicht. Breaking ist in diesem Jahr erstmals Teil des olympischen Programms - aus der Bronx nach Paris. "Das Thema ist für uns alle neu, egal ob für die Athletinnen und Athleten, die Szene oder die Organisatoren. Ich selbst denke, dass dieser Begriff Olympia uns Tänzern einen gewissen Respekt verschafft", sagt Mintcheva. Die Dokumentation stellt jedoch glaubwürdig dar, dass die Kultur des Breakens für beide Protagonisten noch wichtiger ist als diese größte Bühne.

Ein Spagat ist für die Breaker ein Leichtes, doch dieser zwischen der gemeinschaftlichen und kreativen Untergrundkultur und der starren, leistungsorientierten Struktur der Spiele ist eine Herausforderung. Bei Olympia treten sie in Battles gegeneinander an. Die Jury bewertet und vergibt die Medaillen anhand der Kriterien Kreativität, Persönlichkeit, Technik, Vielseitigkeit, Darstellungskraft und Musikalität.

Perhat ist in München geboren, wuchs im Viertel Kieferngarten auf - und er ist Uigure

Perhats Ideal klingt ganz anders: "Breaken ist für mich die schönste und freieste Kunst, die ich für mich nutzen kann." Er ist in München geboren und wuchs im Viertel Kieferngarten auf. Und er ist Uigure. In der chinesischen Region Xinjiang wird die Minderheit brutal unterdrückt. "Ich will meine Kultur auf eine Art und Weise repräsentieren, dass Leute sie schön und interessant finden. Ich bin der erste Uigure, der vom Tanzen leben kann und so ein freies Leben führen darf. Und dafür bin ich so dankbar", sagt er mit Tränen in den Augen.

Der Film zeigt den Zusammenhalt in den Crews, die harte Arbeit und die Wettbewerbe, bei denen Musik, Zuschauer und Tänzer zu einer energetischen Einheit verschmelzen. Er gibt dem Breaken Raum, präsentiert die beeindruckende Akrobatik und vollendete Coolness. Auf der Bühne angekommen, geht es los: Virtuos dreht sich Perhat im Kopfstand um die eigene Achse, stützt sich auf beide Hände, friert in dieser Position für einige Momente ein und springt auf.

Inzwischen ist der Traum von den Olympischen Spielen für Perhat und Mintcheva geplatzt. Doch im Film wird deutlich: Dabei sein ist nicht alles, die Show geht weiter. Statt in Paris treten sie nun in München bei der Premiere des Films im Rahmen des Dok.fests auf.

2UNBREAKABLE (Deutschland 2023, Regie: Maike Conway, 90 Minuten) Fr. 3.5., 20.30 Uhr, Deutsches Theater, mit Bühnenperformance; Mo. 6.5., 20.30 Uhr, HFF Audimax; Sa. 11.5., 20.30 Uhr Pasinger Fabrik; jew. OmeU. Online abrufbar zwischen dem 6. und 20. Mai für 5 Euro unter https://www.dokfest-muenchen.de/films/2unbreakable

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