Olympia:Russland am Doping-Pranger, Putin streitet ab

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Alles manipuliert? Die russische Mannschaft bei der Eröffnungsfeier in Sotschi 2014. (Foto: AP)

Das IOC leitet Verfahren gegen 28 russische Olympiateilnehmer ein, sechs Langläufer werden bereits gesperrt. Russlands Präsident greift die Anti-Doping-Kämpfer an.

Das Internationale Olympische Komitee hat ein Disziplinarverfahren gegen 28 russische Teilnehmer der Winterspiele 2014 in Sotschi wegen Dopingverdachts eingeleitet. Das IOC reagiert damit auf die Erkenntnisse aus dem zweiten McLaren-Report Anfang des Monats. Der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte 95 Proben russischer Athleten von Sotschi untersucht und sie dem IOC zur Verfügung gestellt. Bei 28 Sportlern hätten sich laut McLaren Beweise für eine Manipulation der Proben ergeben. Namen wurden nicht genannt.

McLaren hatte bereits bei der Vorstellung seiner Untersuchung am 9. Dezember in London davon gesprochen, dass Dopingproben von insgesamt zwölf Medaillengewinnern der Sotschi-Spiele 2014 manipuliert wurden. Vier Olympiasieger seien dabei gewesen.

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Das IOC bemächtigte den Internationalen Ski-Verband (FIS) in diesem Zusammenhang sechs russische Ski-Langläufer vorläufig zu sperren. Die Namen der betroffenen Athleten, deren Sperre seit Donnerstag in Kraft ist, wurden nicht genannt. Man sei entschlossen, die nötigen Maßnahmen zur Bestrafung möglicher Verstöße zu ergreifen, sagte FIS-Präsident Gian Franco Kasper.

Gleichzeitig verteidigte Wladimir Putin sein Sportland. Der russische Präsident stritt eine staatliche Beteiligung am massenhaften Doping russischer Sportler ab. "In Russland hat es nie ein staatliches Dopingsystem oder Doping-Unterstützung gegeben, das ist einfach unmöglich", sagte er bei seiner Jahrespressekonferenz in Moskau. Es werde alles dafür getan, dass das auch so bleibe. Er räumte aber ein, dass Russland wie jedes Land ein Problem mit gedopten Sportlern habe.

Putin forderte die Wada auf, "transparent, offen und nachprüfbar" zu arbeiten. Der kürzlich von Chefermittler Richard McLaren verfasste Report hatte den Russen Staatsdoping vorgeworfen. Die nationale Anti-Doping-Agentur Rusada, das Moskauer Kontrolllabor und der Inlands-Geheimdienst FSB hätten Sportlern geholfen, Dopingtests zu manipulieren. Russland werde ständig von allen Seiten zu mehr Transparenz aufgefordert, so Putin. Die Wada sei selbst "ein Bereich, in dem Transparenz wirklich nötig ist".

Putin griff den Wada-Informanten Grigori Rodschenkow an und bezichtigte ihn der Kollaboration mit ausländischen Auftraggebern. Rodschenkow war Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors und hat nach seiner Flucht in die USA die Manipulationen auch in Sotschi die Praktiken geschildert. "Sein Verhalten wirkt auf mich, als ob ihn jemand von außen instruiert hätte."

Im Zuge der Ermittlungen gegen russische Biathleten forderte der Deutsche Skiverband ein rigoroses Durchgreifen des Weltverbandes. "Wir haben Verständnis dafür, dass die IBU für eine seriöse Aufarbeitung dieser rund 30 Fälle mehr Zeit benötigt und deshalb noch keine Namen und weiteren Fakten nennt", erklärte DSV-Präsident Franz Steinle. "Unser dringender Wunsch ist es aber, dass die notwendigen Schritte und Untersuchungen zügig durchgeführt werden, um im Sinne des Sports größtmögliche Transparenz zu erhalten. Ohne weitere Details zu kennen, gehen wir aktuell davon aus, dass die IBU dann zeitnah weitere Konsequenzen ziehen wird."

Der Biathlon-Weltverband IBU hatte zwei im McLaren-Report genannte russische Olympia-Teilnehmer vorläufig gesperrt. Gegen 29 weitere Skijäger wurde ein formelles Untersuchungsverfahren eingeleitet. Die Russen selber hatten die für das nächste Jahr geplante Junioren-Weltmeisterschaft und den Weltcup in Tjumen zurückgegeben. Damit, so Steinle, sei der Russische Biathlon Verband der zu erwartenden Entscheidung der IBU vermutlich zuvorgekommen. "Dennoch war das ein richtiger Schritt. Wir hoffen, dass dieser Verzicht auch als Signal des russischen Verbands verstanden werden darf, die Dopingproblematik nun offen aufzuarbeiten."

Norwegens Biathlon-Chef Erlend Slokvik verteidigte die Boykott-Drohung seines Verbandes gegen Russland. "Es ist uns wichtig, dass der Sport sauber ist und wir hielten es für richtig, ein klares Signal zu setzen. Wir stehen zu dem Brief und denken, dass es wichtig war, als eine der weltbesten Skinationen zu sagen, was wir denken", sagte Slokvik.

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Im Vorfeld der IBU-Vorstandssitzung am Donnerstag hatte es Boykott-Drohungen einiger Nationen gegen die Russen gegeben. "Dass Nationen mit Boykott drohen, um den Prozess zu beeinflussen, ist nichts, was ich gut heißen kann", sagte IBU-Chef Anders Besseberg am Freitag dem Norwegischen Rundfunk NRK. Die Norweger hätten warten sollen, bis der IBU mit einer Entscheidung kommt und darauf reagieren sollen.

Die Austragung der Fußball-WM 2018 in Russland (14. Juni bis 15. Juli) steht trotz des Doping-Skandals im Riesenreich nicht zur Diskussion. Das teilte zumindest das lokale Organisationskomitee mit. "Wir fühlen keinen Stress und haben keine Angst. Es gibt keine Diskussionen darüber (einen möglichen WM-Entzug, d. Red.) mit der FIFA", sagte OK-Chef Alexej Sorokin der russischen Nachrichtenagentur Tass.

Der Weltverband denke nicht daran, die WM abzusagen, führte Sorokin aus. Die Doping-Enthüllungen im McLaren-Report, der vom staatlich gelenkten Betrug und über 1000 involvierten Athleten berichtete, "betreffen nicht den Fußball". Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte bereits angekündigt, dass Russland keine übergeordneten Konsequenzen fürchten müsse.

"Unsere disziplinarischen Gremien werden sich mit allem befassen, was im McLaren-Bericht mit Fußball zu tun hat", sagte Infantino dem Spiegel: "Wenn tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden müssen, werden sie das tun." Benannt werden in dem Bericht 33 vertuschte Proben aus dem Fußball.

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