Neues Olympisches Motto:Ein aufgehübschtes Motto ist zu wenig

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Gegenüber Tokio nicht so solidarisch: Das IOC bringt nicht nur die Ringe in die Stadt, sondern auch viele Menschen während der Pandemie. (Foto: Charlie Riedel/dpa)

Das Internationale Olympische Komitee ergänzt "schneller, höher, weiter" um den Zusatz "gemeinsam". Doch echte Solidarität erfordert eine Haltung, die man mit Leben füllen muss. Da ist das IOC in der Bringschuld.

Kommentar von Thomas Hahn, Tokio

Bildung ist ja schön und gut. Aber ab und zu muss man auch zeigen, dass man eine hat. Vorurteile und öffentliche Unterschätzung drohen allen, die das nicht tun, die nicht immer wieder Halbsätze von Rilke zitieren, regelmäßig von den Iden des März erzählen oder vom Lieblings-Jazz-Trompeter schwärmen. Völlig egal im Grunde, was man weiß, Hauptsache, die anderen wissen, dass man es weiß. Und sehr im Vorteil sind Zeitgenossen mit großem Latinum, denn das macht natürlich was her, wenn man einfließen lässt, dass "ceterum censeo Carthaginem esse delendam" und außerdem "ut desint vires, tamen est laudanda voluntas", nicht wahr.

Großes Verständnis also für das Internationale Olympische Komitee (IOC), das an diesem Dienstag in Tokio auf beeindruckende Art unter Beweis gestellt hat, dass es Latein kann. Sein altes olympisches Motto "citius, altius, fortius", schneller, höher, weiter, wurde erweitert um das Adjektiv "communis", gemeinsam. Damit dürfte die Welt verstanden haben dass die altphilologische Kompetenz des IOC unter dem umsichtigen Vorsitz von Präsident Thomas Bach nicht gelitten hat. Das ist beruhigend und zeigt die herrliche Zukunft toter Sprachen im modernen Leistungssport. Passend dazu erklärte Thomas Bach: "Wir müssen das Motto unseren Zeiten anpassen."

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Übereinstimmende Medienberichte sagen allerdings, dass es sich bei der Aufbesserung des Mottos gar nicht um eine geschickt platzierte Bildungshuberei handle. Sondern um einen Beitrag zur "Solidarität in schwierigen Zeiten wie der Covid-19-Pandemie". Sicher, das Wort Solidarität kommt auch aus dem Lateinischen. Aber abgesehen davon kann diese Information nicht ganz stimmen. Solidarität zeigt man schließlich nicht dadurch, dass man ein Motto aufhübscht. Sondern indem man sich solidarisch verhält. Und das tut das IOC ja eigentlich gerade nicht.

Korrektur: Das tut das IOC schon, aber nur mit ausgewählten Interessengruppen wie IOC-Schatzmeistern und -Mitgliedern, TV-Rechteinhabern, australischen Olympia-Bewerbern aus Brisbane und sonstigen Individuen, die gerade eine heile Sportunterhaltung vor leeren Tribünen und mit Konservenjubel gut finden.

Aber wenn man dieser Tage Menschen in Tokio fragt, haben diese nicht den Eindruck, dass sich das IOC besonders solidarisch verhält. Immerhin bringt es mitten in der Pandemie das größte Sportereignis der Welt in die Stadt, was zahlreiche Medizin-Experten als ziemlich rücksichtslosen Akt deuten. Und neulich bei seiner Ansprache in Hiroshima hat Thomas Bach nicht einmal ein Statement gegen Atomwaffen abgegeben. Dabei ist das eine Herzensangelegenheit der Menschen in dieser Stadt, die 1945 den ersten Atombombenabwurf erleiden musste. Vielleicht findet Thomas Bach gar nicht, dass die Welt atomwaffenfrei sein sollte. Die Meinung kann man haben. Aber dann ist er an markanter Stelle eben auch nicht solidarisch.

Latein und Solidarität. Zwei schwierige Felder des öffentlichen Lebens. Wobei man mit Latein leichter angeben kann, auch wenn man kein großes Latinum hat, sondern nur ein belesener Asterix-Kenner ist. Solidarität dagegen erfordert eine Haltung, die man mit Leben füllen muss. Die sich spiegeln muss in Handeln und Reden. Und hier müsste das IOC eigentlich auch mal einen Leistungsnachweis erbringen.

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