Impfstoff für Olympia:Gönnerhafte und gefährliche Gesten

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So ist das eben mit einem Machtfunktionär wie Thomas Bach: Da wird die Impfstoff-Verteilung eines autoritären Systems an internationale Sportteams mal eben als Akt der Solidarität verkauft. (Foto: Greg Martin/AFP)

Mit seiner seltsamen Impfkampagne zeigt IOC-Präsident Thomas Bach zum Auftakt seiner letzten Amtszeit erneut, dass ihm jedes Gespür für größere Zusammenhänge fehlt.

Kommentar von Thomas Hahn, Tokio

Irgendwas muss ein wiedergewählter IOC-Präsident seinem Volk ja bieten. Und da dachte Thomas Bach eben an das, was die Welt in diesen pandemischen Zeiten ganz dringend braucht: Impfstoff. Das hatte jedenfalls schon was, wie Bach am Donnerstag bei der 137. IOC-Session vor die Bildschirme der Online-Versammlung trat und mal eben Vakzin-Dosen für die Aktivenbelegschaft zweier Olympischer Sportfeste in Aussicht stellte. Aus chinesischer Produktion natürlich, denn ohne blendende Kontakte zur Elite in Peking hätte er das wohl nicht gekonnt. Bach sprach von einem "freundlichen Angebot" und sogar vom "wahren Geist der olympischen Solidarität".

Schwer zu sagen, ob Bach wirklich glaubt, was er da gesagt hat. Oder ob er schon so vereinnahmt ist von den autoritären Mächten dieser Welt, dass er deren Strategien einfach mitfährt. Mit dieser seltsamen Impfkampagne zeigt Bach zum Auftakt seiner letzten Amtszeit jedenfalls, dass ihm jedes Gespür für größere Zusammenhänge fehlt.

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Olympiasportler sind jung, gesund und - wie unter Bach besonders deutlich wird - Hauptdarsteller eines kommerziellen Spektakels. Es gibt keinen vertretbaren Grund, sie bevorzugt zu impfen. Außerdem sollte sich das IOC in diesem sensiblen Kampf um den Coronavirus-Schutz nicht auf eine Seite schlagen. Schon gar nicht auf die Seite einer Parteidiktatur, die Impfstoff-Spenden und -Exporte auch als Mittel einsetzt, um andere Länder auf ihre Seite zu bringen. Am Freitag stellte das IOC dann noch mal klar, dass die Kampagne nur für Teams aus Ländern gelte, in denen Chinas Impfstoffe zugelassen seien, also nicht in den USA zum Beispiel, in Deutschland oder Japan. Aber da hatten manche ja schon erklärt, dass diese Art der Solidarität sie ausschließt: der Deutsche Olympische Sportbund zum Beispiel. Oder Japans Olympiaministerin Tamayo Marukawa.

Die moralische Krise hat sich während Bachs erster Amtszeit verschärft

So ist das eben mit einem Machtfunktionär wie Thomas Bach. Er bietet etwas für die Galerie. Zeigt gönnerhafte Gesten. Aber spiegelt letztlich nur oberflächliche Interessen. Bei Bach ist das besonders gefährlich, weil er ständig vor sich herträgt, dass der Sport unpolitisch sein solle. Den Impfstoff eines autoritären Systems an internationale Sportteams zu verteilen, ist alles andere als unpolitisch. Es würde sicher nicht zum Weltfrieden beitragen, wenn das IOC nicht auch mit China zusammenarbeiten würde. Aber zu große Nähe färbt ab. Sie macht das vermeintlich neutrale IOC zum Teil einer Propaganda, die von Menschenrechtsverletzungen und demokratiefeindlicher Politik ablenkt.

Vielleicht will Bach das ja sogar. Das wäre schlimm, aber es fehlen tatsächlich Anhaltspunkte, dass es anders sein könnte. Die moralische Krise des IOC hat sich unter Bach trotz einem gewissen Reformeifer vertieft. Ständig stimmen Menschen gegen die Spiele, weil sie darin nur noch ein sündteures Massenspektakel zur Geldvermehrung sehen. Olympia in Tokio wird daran nichts ändern, im Gegenteil. In Umfragen pendelte sich die Ablehnung zuletzt bei etwa 80 Prozent ein. Die Japaner basteln gerade an einem Fest, bei dem die Corona-Bekämpfung fast spektakulärer wirkt als die Wettkämpfe. Demnächst wird wohl entschieden, dass keine ausländischen Zuschauer nach Tokio kommen können. Damit wäre das Flair der Spiele verpufft. Und Japans Wirtschaft muss auf den erhofften Gästeboom verzichten.

Aber Präsident Bach lässt nicht locker. Er muss die Probleme der pandemischen Spiele ja auch nicht lösen. Die Japaner bauen die Bühne, mit der das IOC in diesem Sommer sein Geld aus dem Fernsehrechteverkauf verdient. Auch deshalb wäre es gut gewesen, wenn Thomas Bach sich seine Impfkampagne gespart hätte. Das Verhältnis Japans zu China ist nicht gut. Und Tokios Organisatoren haben es nicht verdient, dass man ihnen zu all den Mühen, die sie ohnehin schon haben, auch noch die selbstgefällige Vakzin-Herrlichkeit der Chinesen vorführt.

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