Olympia im Sog der Eventkultur:Ringen ums Ringen

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Wofür soll Olympia künftig stehen? Kommen die Spiele bei der Jugend der Welt überhaupt noch an? Das Sportfest war immer auch von Wandel geprägt, Sackhüpfen und Dreibeinlauf trauert heute keiner mehr nach. Wie es jedoch mit dem Ringen bei Olympia weitergeht, wird viel aussagen über die Olympischen Spiele.

Ein Kommentar von René Hofmann

Die Olympischen Spiele sind die größte Sportveranstaltung der Welt. Drei Jahre ist es her, dass diese in Vancouver gastierte. Die Spiele in Kanada waren bunt und erfolgreich. Und sie waren eine Wegmarke in der Olympia-Geschichte. Vor den Wettbewerben war das Internationale Olympische Komitee (IOC) unsicher gewesen: Kommen unsere Spiele bei der Jugend der Welt überhaupt noch an? Sind wir noch up to date? Liegen wir noch im Trend?

Um einen neuen Reiz zu bieten, war Skicross ins Programm genommen worden - eine spektakuläre Disziplin, bei der sich mehrere Skifahrer gleichzeitig eine enge Piste voller Sprünge hinabstürzen. Um das urbane Publikum zu locken, zeigten die Buckelpistenfahrer ihre Tricks auf einem Hang, der nicht weit von der Stadt entfernt lag. Um eine Partyatmosphäre zu schaffen, wurde eine Feiermeile ausgewiesen.

Der Erfolg all der Bemühungen? Er war überwältigend. Jeden Abend ging es in Vancouver hoch her. Die Spiele brachten nicht nur beeindruckende TV-Quoten hervor, sie waren auch in den sozialen Netzwerken ein herausragendes Thema. Der Mythos Olympia - offenbar wirkte er auch noch im Twitter-und-Facebook-Zeitalter. Die Erleichterung darüber war den IOC-Gewaltigen zum Ende der Spiele deutlich anzumerken. Mehr noch. Sie wirkten wie von einem Fieber erfasst, beseelt, dass ihr Mut zur Erneuerung mit solch prächtigen Früchten belohnt worden war.

Eine ähnlich zittrige Erregung muss die 15 Mitglieder des IOC-Exekutivkomitees erfasst haben, als sie sich am Dienstag dieser Woche in Lausanne trafen, um über das Programm der Sommerspiele 2020 zu beraten. Wo die Spiele stattfinden werden, ist noch nicht entschieden. Im Rennen sind Tokio, Istanbul und Madrid.

Wer den Zuschlag bekommt, entscheidet die IOC-Mitgliederversammlung im September in Buenos Aires. Bei der Gelegenheit wird dieses Gremium auch das endgültige Programm festlegen. Aber die Exekutive hat eine Empfehlung ausgesprochen. Sie rät: das Ringen zu streichen und durch Baseball, Karate, Sportklettern, Squash, Inline-Speedskaten, Wakeboarden oder den chinesischen Kampfsport Wushu zu ersetzen.

Die anderen Streichkandidaten hießen Moderner Fünfkampf, Hockey, Kanu und Taekwondo. Ringen erwischte es mit acht von 14 Stimmen. Der scheidende Präsident Jacques Rogge stimmte nicht mit und ist seit dem Votum bemüht, die Weichenstellung kleinzureden. Das finale Verdikt falle ja erst im September.

Das Treffen in Buenos Aires wird so zur nächsten Wegmarke für die olympische Idee. Bis dahin haben die mehr als hundert stimmberechtigten Mitglieder des IOC nun viel Zeit, über einige grundsätzliche Fragen nachzudenken: Wie weit wollen wir das Spektakel treiben? Und welche Art des Spektakels wollen wir überhaupt? Wie wichtig nehmen wir Trends? Und wie schnell lassen wir uns auf sie ein? Wie viele Sportarten lassen wir zu, bei denen das Glück eine nicht unerhebliche Rolle spielt? Wofür soll Olympia künftig stehen?

Das Sportfest war immer auch schon von Wandel geprägt; Sackhüpfen und Dreibeinlauf trauert heute keiner mehr nach. Aber: Gibt es Werte, die bei Olympia tatsächlich als unverrückbar gelten? Und werden diese in manchen Disziplinen beispielhaft vorgelebt, etwa wenn zwei Frauen oder zwei Männer alleine mit Händen und Füßen darum rangeln, einander fair aufs Kreuz zu legen? Wie es mit dem Ringen bei Olympia weitergeht, wird viel sagen.

© SZ vom 16.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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