Olympia:"Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich dich liebe"

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Wie Usain Bolt Rio findet, lässt sich hier erahnen. (Foto: dpa)

Usain Bolt lässt sich feiern, Asafa Powell will sich ausziehen und ein Reporter aus Norwegen ist schwer verknallt. Protokoll einer skurrilen Sprinter-Audienz.

Von Johannes Knuth, Rio de Janeiro

Rio de Janeiro, Cidade des Artes, das Kunstzentrum der Stadt. Im turmhohen Foyer hängen Bilder zeitgenössischer Maler, im ersten Stock werden kleine Törtchen mit Spinat, Schinken oder Käse serviert, es gibt Grenadinensaft, brasilianisches Bier, zwei Sorten Caipirinha, einen mit Limetten, einen mit Passionsfrucht. Drinnen, im Theatersaal: rote Polstersessel, Fahrstuhlmusik. Auf der Bühne drei Reihen mit Fotografen und Kameras, 200 Journalisten, mindestens. Hier wird Usain Bolt, Olympiasieger, Weltrekordhalter, Spaßsprinter aus Jamaika, gleich seine Pressekonferenz abhalten. Der Saal wird abgedunkelt. Jonathan Edwards federt auf die Bühne, der Dreisprung-Weltrekordhalter arbeitet nun als Experte für die BBC.

Edwards: Meine Damen und Herren, herzlich Willkommen. Ich bin heute Abend ihr Gastgeber. Es ist eine Show, aber es ist auch eine Pressekonferenz.

Edwards bittet Asafa Powell, 33, auf die Bühne, den ehemaligen Weltrekordhalter, später wegen Dopings für ein halbes Jahr gesperrt. Powell plumpst gelangweilt auf die grün lackierte Bank neben Edwards.

Edwards: Asafa, wie gefällt dir Rio?

Powell: Gut. Ich habe viel Zeit, um zu faulenzen und um Usain zu bespaßen. Ich laufe diesmal ja nur mit der Staffel. Ich liebe meinen Sport, aber das werden definitiv meine letzten Spiele.

Unverfänglicher Smalltalk zwischen Edwards und Powell.

Edwards: Fragen von den Reportern?

Niemand meldet sich. Dann, nach quälenden Sekunden der Stille, ein Reporter aus den USA.

Reporter: Hast du Ratschläge für Usain, wenn er bald 30 wird?

Powell: Er weiß, dass er älter wird. Er weiß, was ihn erwartet.

Edwards: Vielen Dank, Asafa. Jetzt bitte noch hierher, für die Fotografen posieren.

Powell schlurft vor die Fotografen.

Powell: Soll ich mein T-Shirt ausziehen?

Edwards bittet Hürdenläufer Deuce Carter und Hürdenläuferin Ristananna Tracey hinein, sie schauen schüchtern in den Saal. Wieder unverfänglicher Smalltalk.

Edwards: Und jetzt der Moment, auf den wir alle gewartet haben. Ich höre gerade, das jamaikanische Fernsehen ist live drauf. Meine Damen und Herren, Usain Bolt.

Bolt schlurft auf die Bühne, dreht sich zu den Reportern.

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Hunderte Journalisten versammeln sich, um den jamaikanischen Sprinter reden zu hören. Am Ende müssen sie ihm beim Tanzen zusehen.

Bolt: Hey, hey, das war schwach. Ihr müsst lauter klatschen. Das war viel zu schwach.

Bolt dreht sich um, verschwindet noch einmal neben der Bühne. Kommt zurück. Höflicher Applaus. Er plumpst auf die Bank neben Edwards, dreht sich zu Asafa Powell, der mittlerweile im Pulk der Reporter sitzt.

Bolt: Hey Asafa, warum willst du immer dein T-Shirt ausziehen? Was ist eigentlich mit dir los?

Edwards: Usain, wie laufen deine Vorbereitungen? Wie war dein letztes Rennen in London?

Bolt: Die Saison war nicht so gut, mit der Verletzung, aber mittlerweile bin ich gut in Form. Mein Trainer ist happy, das ist das Wichtigste. Ich habe ihn nach dem Rennen in London angerufen. Er hat mir gesagt, Usain, das war eines der schlechtesten Rennen, das du je gelaufen bist. Er hat so lange weitergeredet, bis ich fast depressiv geworden bin.

Die Fragerunde für die Journalisten ist eröffnet, Dutzende Hände schnellen nach oben. Die erste Frage stellt eine Reporterin, die seit Wochen mit Bolt einen Dokumentarfilm dreht.

Reporterin: Usain, wie findest du Rio?

Bolt: Ganz gut. Die Busse fahren pünktlich, ich kann mich echt nicht beschweren. Das einzige Problem war, dass ich mir selbst einen Fernseher kaufen musste.

Britischer Reporter: Usain, die Leichtathletik steckt in einer schweren Glaubwürdigkeitskrise. Können die Leute noch glauben, was sie sehen?

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Bolt: Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Wir merzen gerade die Betrüger aus. In ein paar Jahren wird der Sport sauber sein und alles ist gut, denke ich. Ich mache mir darüber nicht zu viele Gedanken, das geht die Verbände an. Ich bin hier, um zu laufen und die Leute zu unterhalten.

Bolt beantwortet einige Fragen zu seiner Form und den Teamkollegen.

Japanischer Reporter: Usain, es ist mir eine Ehre. Danke für all die Höhepunkte, die du uns geschenkt hast. Was bedeutet dir die Leichtathletik? Was bedeutet sie für dein Leben?

Bolt: Das ist mein Leben. Ich liebe es, zu unterhalten, zu inspirieren. Ich werde das alles irgendwann echt vermissen. Bis auf die Journalisten (lacht).

Amerikanische Reporterin: Wie war das noch mal mit dem Fernseher?

Bolt: In dem Apartment, in dem wir wohnen, war halt keiner. Sie haben uns gesagt, dass sie einen Fernseher besorgen, aber dann ist zwei Tage lang nichts passiert. Ich habe mir dann selbst einen besorgt.

Ein norwegischer TV-Journalist, der sich seit Minuten aufgeregt meldet, darf endlich seine Frage stellen.

TV-Journalist: Usain. Ich habe keine Frage, ich wollte dir nur sagen (hält kurz inne), ich liebe dich echt, Mann (Bolt lacht laut). Ich wollte dir nur noch sagen . . .

Der Reporter fällt in einen Sprechrhythmus und wirft seine Hand in die Luft, wie bei einem Hip-Hop-Konzert.

Usain Bolt, you are my favourite guy,

I'm loving your moves, your feet and your style,

I hope you win, I hope it's your day,

I hope you succeed, and don't get hit by a segway.

(Anm.: Bolt war nach seinem WM-Sieg 2015 über 200 Meter auf der Ehrenrunde von einem Reporter auf einem Segway-Roller umgefahren worden).

Bolt (aufgeregt): Wow, wow, noch mal! Gebt ihm das Mikro!

Reporter ziert sich.

Bolt: Komm schon, Mann! Zehn Sekunden!

Reporter rappt noch einmal. Lautstarker Applaus.

Brasilianische Reporterin: Usain, wenn wir Brasilianer sehen, wie du mit Druck umgehst, wollen wir dich noch ein wenig mehr heiraten. Hast du eine Botschaft an alle Kinder, die dich als Held sehen?

Bolt: Arbeite für deine Ziele, lass dir von niemandem sagen, dass du es nicht schaffst. Mir wurde nie gesagt, dass ich Olympiasieger werden kann. Aber ich wollte es einfach.

Edwards: Ein schönes Schlusswort.

Plötzlich Krach im Hintergrund, Pfeifen und Trommeln. Ein Dutzend Sambatänzerinnen mit gelb-grünem Federschmuck kommt auf die Bühne und nimmt Bolt in die Mitte. Er tanzt mit ihnen, dann gesellen sich Powell und Michael Fennell dazu, Chef des jamaikanischen Olympischen Komitees. Eine Minute wackeln sie alle mit ihren Hüften, dann tanzen sie wie im Entenmarsch von der Bühne. Die Hände von NOK-Chef Fennell ruhen fest auf den Schultern einer Tänzerin. Alle ab.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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