Francesco Friedrich hatte sich schon immer von vielen seiner Bob-Sport-Kollegen abgehoben. Die Explosivkraft, die man oben beim Anschieben braucht, entlädt sich oft in wüster Brüllerei und unten, wenn der Sieg feststeht, in durchdringenden Freudenschreien. Friedrich freut sich dann natürlich mit, er lächelt und macht aber gleichzeitig auch den Eindruck, als denke er schon ans nächste Rennen.
Am zweiten Dienstag der Olympischen Spiele in Peking aber hob ein Jubel an im versammelten Bob-Lager der Deutschen, den selbst dieser vom Erfolg verwöhnte Verband in seiner Lautstärke wohl noch nicht kannte. Eine Premiere in diesem Sport wurde zur Aufführung gebracht, ein neuer Rekord an Medaillen: Gold, Silber und Bronze im Zweierbob gingen an Deutschland, das war im olympischen Bobfahren noch nicht vorgekommen.
Der Abstand der anderen Teams müsste auch den Deutschen zu denken geben
Angedeutet hatte sich dies vom ersten Bahntraining in Peking an. Friedrich und sein Anschieber Thorsten Margis hatten zu keinem Zeitpunkt Probleme mit der kniffligen Startpassage, in der man leicht mal wichtiges Anfangstempo verlieren kann. Den beiden gelang es, über vier Läufe vorne zu bleiben und am Ende wieder Gold einzustreichen. Es war Friedrichs dritter Olympiasieg zusammen mit den beiden Erfolgen bei den Spielen in Pyeongchang vor vier Jahren.

Ähnlich zielstrebig ging der etwas emotionalere Berchtesgadener Silber-Pilot Johannes Lochner vor, angeschoben von Florian Bauer landete er vom ersten Lauf an stets mit gebührendem Abstand hinter Friedrich, und deutlichem Vorsprung vor dem Rest des Feldes. Und weil die Stärken der beiden deutschen Bob-Piloten seit Jahren schon bestehen, weil hier niemand etwas entgegenzusetzen hatte, verlagerte sich das Thema Spannung auf den Kampf um den Bronze-Platz. Da lagen Christoph Hafer und Matthias Sommer nach dem ersten Tag noch zurück, aber nur um 0,05 Sekunden, woraus dann am Dienstag noch 25 Hundertstel Vorsprung wurden.
Dass der Rest der Bob-Welt diesmal derart abgehängt wurde, dürfte nach den Feierlichkeiten wohl auch den Deutschen zu denken geben. Es mag an der besonders fordernden Strecke gelegen haben, vielleicht auch an der Pandemie, die Konzeption und Training wohl hier und da erschwert haben. In jedem Fall haben sich die Stärken des deutschen Eisbahn-Systems nach den aktuellen Erfolgen der Rennrodler und Skeletonis nun besonders stark bemerkbar gemacht.
Das Fiasko bei Olympia in Sotschi hatte Friedrichs großen Ehrgeiz entfacht
Zunächst war da die Motivation von Friedrich, der die anderen gewissermaßen mitgezogen hat. Er hat bereits 13 Weltmeister-Titel gesammelt, aber erst zwei Olympiasiege. Nachdem er 2014 in Sotschi überraschend leer ausgegangen war, empfindet Friedrich Olympia vielleicht als noch wichtiger, als es anderen Sportlern ohnehin schon ist. Schon vor dem Sotschi-Fiasko hatte er verstanden, dass Bob-Piloten nicht nur sitzen und lenken sollten, sondern eine Doppelrolle einnehmen, als Pilot und natürlich auch Anschieber. Deshalb erzielen er und Margis regelmäßig beste Startzeiten, wie nun auch im Zweier.
Jedes Detail muss stimmen, weshalb Friedrich auch mal alles auf den Kopf stellen kann, wie ebenfalls nun in Peking. Am Morgen des zweiten Renntages entschloss er sich, seinen eigentlich gar nicht so schlechten Bob - zur Erinnerung: er lag ja auf Platz eins - zu tauschen, gegen ein noch besser auf die Bahn abgestimmtes Gefährt, nämlich das von Teamkollegin Kim Kalicki.
Das trug ihn endgültig zu Gold, was dem Perfektionisten und Grübler weitere Sorgen abnahm. Der erste Sieg, der mit dem Zweier, war sicher, aber noch ist Friedrichs Projekt nur zur Hälfte gelungen. Es gehe quasi im Anschluss gleich weiter, mahnte er: "Morgen früh ist Vierertraining."