Es muss ja nicht gleich die Verwandlung von Dr. Jekyll in Mr. Hyde sein, die Oliver Glasner gerade durchmacht, aber die Gefühle beim Trainer von Eintracht Frankfurt bewegen sich definitiv in Randbereichen. Seine emotionalen Ausbrüche erreichten in den vergangenen Tagen eine fast schon beängstigende Schwankungsbreite.
Am Mittwochabend war da sein viel fotografierter sogenannter Diver in der Stuttgarter Arena, nachdem sich sein Team ins DFB-Pokalfinale gekämpft hatte: Das sah sehr ausgelassen aus.
Am Donnerstag dann ein Besuch auf dem Frankfurter Wochenmarkt, wo der Österreicher an einem Apfelweinstand mit seinem Assistenten Michael Angerschmid einen Schoppen genoss: Auch das wirkte ziemlich entspannt.
Und am Samstag? Eine Schimpfkanonade in der Sinsheimer Arena, als der zuvor bereits mit roter Karte auf die Tribüne verwiesene Glasner nach dem verlorenen Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim (1:3) in der Pressekonferenz tobte: Das hörte sich tief frustriert an. Und bleibt vorerst als letzter Eindruck haften.
Die Frage eines Journalisten nach dem erneuten Liga-Rückschlag lautete, ob seine Spieler es nicht kapieren würden, weil der Auftritt beim Abstiegskandidaten TSG den Verdacht nährte, dass die Eintracht nach dem Erreichen des Pokalfinales auch diese Bundesligasaison teilnahmslos austrudeln lässt (wie schon die vergangene, als es am Ende um den Europa-League-Titel ging). Dasselbe hatte auch Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche nach dem jüngsten Auftritt gegen Augsburg (1:1) in der Vorwoche angesprochen: "Man muss sagen, wir haben es nicht begriffen."
Mit dieser These nun erneut konfrontiert, ging Glasner, 48, noch mitten in die Fragestellung hinein zum Gegenangriff über: "Hört auf damit, der Mannschaft irgendwas mit nicht kapieren vorzuwerfen. Der alte Makoto Hasebe ist 39 Jahre alt, der spielt das dritte Mal 90 Minuten in dieser Woche - am Ende einer Saison, wo wir heute unser 43. Pflichtspiel haben. Der hat teilweise Blut im Urin, weil er so kaputt ist. Und was macht er: Er spielt wieder", echauffierte sich Glasner und schob nach: "Hört mir mit diesem Müll auf. Ich weiß, was die Jungs hier leisten. Diese Mannschaft bestreitet das zweite Finale im zweiten Jahr. Sie haben es natürlich kapiert."
Das mag für die Pokalwettbewerbe gelten, in der Liga aber gibt die Eintracht (in der Rückrunden-Tabelle nur auf Platz 16) ein anderes Bild ab - genauso wie der Trainer. Der früher smart auftretende, freundliche und verbindliche Österreicher Glasner gibt sich seit Wochen dünnhäutig. Mitunter wird er schmallippig und unsachlich, verwechselt Ursache und Wirkung. Dabei ist nicht zu negieren, dass zehn sieglose Liga-Spiele in seinen Verantwortungsbereich fallen.
Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann kritisierte Glasners Wutrede. "Es ist spürbar, dass er natürlich enttäuscht ist über die sportlichen Ergebnisse. Was ich auf keinen Fall verstehen kann, ist, dass man diese Enttäuschung an einem Journalisten auslässt, der seine Arbeit macht. Ich habe mitbekommen, dass Oliver Glasner sich dafür auch entschuldigt hat", sagte Hellmann der Bild. Aber es sei "weder gut noch richtig" gewesen, nach der Niederlage so zu reagieren. Zudem gehöre ein so delikates Thema wie Blut im Urin eines Spielers "nicht in die Öffentlichkeit", kritisierte Hellmann. Ein Rüffel, den Glasner als Warnruf begreifen muss.
"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht", sagt Glasner selbstkritisch
Diesmal lag sein entkräftetes Team bereits zur Pause mit 0:3 zurück. Nach der roten Karte gegen den Hoffenheimer Stanley Nsoki (49.) gelang Mario Götze zwar noch ein Tor (54.), doch der Weltmeister von 2014 steht symbolisch dafür, die falschen Prioritäten zu setzen, weil er sich regelmäßig Gelb wegen Meckerns einhandelt. Die von weit mehr als 10 000 Fans unterstützten Frankfurter brachten nur dann richtigen Widerstand auf, wenn es Entscheidungen von Schiedsrichter Harm Osmers zu kritisieren galt. Vorgelebt vom Vorgesetzen persönlich.
Glasner bolzte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte aus "stillem Protest" gegen den Referee, wie er später sagte, einen zweiten Ball aufs Feld. Osmers zückte regelkonform Rot. Wenn Gegenstände auf den Rasen fliegen, gibt es keinen Ermessensspielraum. "Wenn das Rot ist, dann war die Karte gerechtfertigt", sagte Glaser, der mit Gelb gerechnet hatte und einräumen musste: "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht."
Kommenden Samstag im Rhein-Main-Derby gegen Mainz muss Glasner nun aussetzen. Und womöglich hat er nicht mehr so viele Gelegenheiten, als Eintracht-Trainer an der Seitenlinie zu stehen. Die Wutrede, die sportliche Lage: Es mehren sich die Indizien, dass das Pokalfinale in Berlin am 3. Juni gegen RB Leipzig Glasners letztes Spiel für Frankfurt sein könnte.