Als das Spiel angepfiffen war, hatte der Sekundenzeiger nicht einmal drei Runden gemacht, da ereilte Borussia Dortmund die nächste Hiobsbotschaft: Jakub Błaszczykowski verdrehte sich an der Außenlinie das rechte Knie, kurz darauf humpelte der Pole von zwei Helfern gestützt in den Kabinentrakt. Der erste Verdacht lautete Kreuzbandriss. Nach dem Spiel sprach sein Trainer Jürgen Klopp bereits von einer "Katastrophe - vor allem für Kuba". Die These wurde am Sonntagmittag bestätigt, Błaszczykowski wird die komplette Rückrunde verpassen - auch wenn der Patient gute Miene zur bösen Diagnose machte:
Das Jahr geht für Borussia Dortmund genau so los, wie das alte geendet hat: Es wird viel über das verletzte Stammpersonal gesprochen und wenig über sportliche Glanztaten. Klopp stufte das Geschehen als "dramatisch" ein, "das passt in diese Saison, aber das muss es jetzt auch mal gewesen sein". Zu den schlechten Nachrichten aus der Krankenstation kommen beim Revierklub die weiterhin dürftigen Auftritte auf dem Rasen.
Dabei - so der feste Vorsatz - sollte doch im neuen Jahr alles besser werden, nach drei Heimniederlagen in Folge zum Ende der Hinrunde. Die hehren Wünsche wurden beim Trainingslager in Spanien zuhauf formuliert, doch die guten Taten lassen auf sich warten. Der BVB kam vor 80.645 erwartungsvollen Zuschauern im ausverkauften Dortmunder Stadion gegen den FC Augsburg über ein Unentschieden nicht hinaus, weil der tapfere Gegner aus Bayern die zweimalige Führung durch Sven Bender und Nuri Sahins herrlichen Freistoßtreffer jedes Mal egalisierte. Zunächst grätschte Aushilfs-Manndecker Bender eine scharfe Hereingabe des starken André Hahn ins eigene Tor, später traf der wenige Momente zuvor eingewechselte Koreaner Dong Won Ji per Kopf zum Endstand von 2:2.
Borussia Dortmund sucht also weiter nach der Form, die diese Mannschaft bis zum Gewinn des Doubles und in das Finale der Champions League getragen hat. Was die Mannschaft braucht, hatte Bender in der Winterpause so formuliert: "Wir müssen uns wieder auf das konzentrieren, was uns so stark gemacht hat: das effektive Umschaltspiel, das aggressive Draufgehen, das Gegenpressing. Wir müssen zu hundert Prozent gallig sein und richtig Lust haben, etwa aus einem 2:0 ein 3:0 zu machen."
Die Analyse des Nationalspielers trifft die Dinge im Kern, doch bei der Umsetzung haperte es gegen Augsburg an allen Ecken. "Das war nicht das, was wir uns vorgenommen haben", monierte Torhüter Roman Weidenfeller: "Wir haben sowohl vorne als auch hinten fahrlässig agiert. Uns fehlt derzeit der klare Durchblick."
Klopp glaubte zu wissen, warum es nicht gelang, zu den Dortmunder Tugenden zurückzukehren. Er habe an sich selbst festgestellt, wie heiß er vor dem Rückrundenstart gewesen sei, berichtete der Trainer, vielleicht habe sein Personal bei der Suche nach Besserung überzogen. "Wir haben richtig Betrieb gemacht in den ganzen Wochen, weil wir unbedingt ein Signal setzen wollten." Ist Dortmunds Holperstart ein typischer Fall von Übermotiviertheit? Klopp vertrat diese These und fand Indizien. "Zu verkrampft" sei die Vorstellung des BVB gewesen, "da war zu wenig Leichtigkeit, zu wenig Freude im Spiel."
Tatsächlich ist das schwarz-gelbe Ensemble, das mit seinen mitreißenden Darbietungen ganz Europa beeindruckte, derzeit nicht von der Muse geküsst. Im Sturm fehlen Durchschlagskraft und zündende Ideen, in der Rückwärtsbewegung ließen sich die Dortmunder auf der linken Außenbahn zweimal überlaufen, weil die Abstände nicht stimmten.
Ohne den Namen von Linksverteidiger Marcel Schmelzer zu erwähnen, legte Klopp den Finger in die Wunde: "Der Hahn hat zwar Tempo, aber wir stehen nicht kompakt genug." Beim 2:2 war der Koreaner Dong Won Ji der Abnehmer von Hahns Flanke, die Schmelzer nicht verhinderte. Der Koreaner stand bei seinem Kopfballtreffer gerade mal 120 Sekunden auf dem Platz und sorgte so für "eine dieser Geschichten, wie sie wohl nur der Fußball schreibt", wie Augsburgs Trainer Markus Weinzierl lächelnd kommentiert.
Schicksalhafte Fügung für Dong Won Ji
Der Stürmer, der in der kommenden Saison das Dortmunder Trikot überstreifen wird, kam erst wenige Tage vor dem Ende der Winterpause vom AFC Sunderland bei seinem neuen Arbeitgeber an und spielt in Weinzierls Planungen eigentlich noch gar keine Rolle. "Normalerweise darfst du ihn gar nicht mitnehmen, der hat nur ein Mal mit der Mannschaft trainiert und noch keinen Rhythmus." Doch dann meldete sich mit Sascha Mölders die erste Offensivkraft ab, sodass Ji in den Kader nachrückte und Platz auf der Bank nahm. Als dann auch noch Halil Altintop mit einer Gehirerschütterung raus musste und Raul Bobadilla über muskuläre Probleme klagte, wurde Weinzierl praktisch zu seinem Glück gezwungen.
Von solch schicksalhaften Fügungen würde sein Kollege Jürgen Klopp bestimmt auch liebend gern mal wieder berichten. Doch der hat andere Sorgen. Zum Beispiel, wie er seiner Mannschaft jenes Selbstverständnis zurückgeben kann, das sie so stark gemacht hat. Wie das gehen soll, weiß der Trainer selbst nicht genau. "Du musst versuchen, dich zurückzukämpfen", sagt der 46-Jährige mit einem leichten Achselzucken. Konkret bedeutet das: weitermachen wie immer und dabei versuchen, irgendwie zurück in die Spur zu kommen.
Das klingt zwar eher vage, doch Klopp hat nicht vor, in Dortmund Grundlegendes zu verändern: "Wir werden jetzt bestimmt nicht die Woche über im Kreis tanzen und in Braunschweig mit bunten Kappen auflaufen."