Amon-Ra St. Brown in der NFL:"Es ist ansteckend, was dieser Typ macht"

Lesezeit: 3 min

Die Fans der Detroit Lions sind leiderprobt - Wide Receiver Amon-Ra St. Brown könnte viel Freude in die Autostadt bringen. (Foto: Tannen Maury/UPI Photo/Imago)

Der deutschstämmige Footballspieler Amon-Ra St. Brown brilliert mit 24 Jahren bei den Detroit Lions - und bringt einem legendären Verliererteam dringend benötigte Eigenschaften bei.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Amon-Ra St. Brown schluchzte heftig am Morgen von Thanksgiving. Nicht wegen der 22:29-Niederlage seiner Detroit Lions gegen die Green Bay Packers. Der Grund war auch nicht die Strafe, die die US-Footballliga NFL gegen den deutschstämmigen Passempfänger verhängt hatte wegen eines unzulässigen Blocks am Wochenende davor gegen die Chicago Bears. "Fast fünf Prozent meines Gehalts - das tut weh", schrieb St. Brown bei X angesichts der 43 709 Dollar, die er löhnen muss, weil er seinen Gegner mit dem Helm gerammt hatte.

Nein, St. Brown weinte wegen seiner Eltern.

In den USA berichten Athleten am Erntedankfest während Sport-Übertragungen oft von ihrem Weg in die NFL - und davon, wofür sie dankbar sind. St. Brown spricht in einem Video darüber, dass er bereits im Grundschulalter das Berufsziel "Footballprofi" formuliert und mit Gewichtstraining und Ernährungsplan begonnen habe. "Ich war für den Körper zuständig", sagt Vater John, als Bodybuilder zweimaliger Mister Universe in der Amateur-Klasse: "Sie kümmerte sich um den Kopf."

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Sie, das ist Mutter Miriam aus Leverkusen, die ihren Söhnen Amon-Ra, Equanimeous (spielt mittlerweile bei den Chicago Bears) und Osiris (war an der Elite-Uni Stanford aktiv) nicht nur Englisch, Deutsch und Französisch beibrachte, sondern auch, in all dem Trubel nicht durchzudrehen. In den USA wird landesweit über die Brüder berichtet, seit sie Teenager sind.

"Ich will einfach nur Danke sagen", erklärt St. Brown gegen Ende des Videos auf Deutsch, dann kullern die Tränen.

Das Arbeitsethos hat Amon-Ra St. Brown von seinem Vater

Drei Dinge sind bedeutsam an diesem Drei-Minuten-Einspieler. Erstens: Darin zeigt sich große Wertschätzung, nur die Besten der NFL bekommen so etwas - und St. Brown gehört spätestens seit dieser Spielzeit dazu. In der dritten Profisaison seiner Karriere liegt er derzeit mit einem Raumgewinn von 993 Yards auf Platz fünf der Wide Receiver ligaweit. Er hat im Alter von 24 Jahren ein paar Rekorde von NFL-Größen wie Randy Moss, Rob Gronkowski, Antonio Brown und Michael Thomas eingestellt oder gebrochen. Etwa Touchdowns in sechs Spielen nacheinander zu erzielen im Alter von 22 oder jünger, oder in sechs Partien nacheinander jeweils acht Pässe zu fangen und einen Touchdown zu schaffen.

Nicht schlecht für einen, der bei der Talentbörse 2021 erst als 17. Wide Receiver seines Jahrgangs gewählt worden ist - und, wie er sagt, die Namen aller vor ihm Gewählten niemals vergessen wird und sie nachts um vier aufsagen kann.

Fußball statt Football: die Familie "St. Brown" mit Mutter Miriam und Vater John Brown sowie den Söhnen Equanimeous, Amon-Ra und Osiris St. Brown (v. l.) beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Kolumbien. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Zweitens: Die Aussage von Vater John, dass es bei allem Spaß nie einen freien Tag gab für seine Söhne, auch nicht an Thanksgiving - der Filius habe diese Einstellung zu den Lions gebracht. Die sind eigentlich legendäre Verlierer; sie sind das einzige NFL-Team, das seit dem ersten Super Bowl im Jahr 1967 dabei ist und dieses Endspiel noch nie erreicht hat. Was sie geschafft haben: eine Saison ohne Sieg, 2008. Damals mit dabei als Spieler: Dan Campbell, der aktuelle Coach der Lions.

In dieser Spielzeit aber sind sie von einer solchen Misere weit entfernt. Erstmals seit 61 Jahren wiesen die Lions nach zehn Spielen eine Bilanz von 8:2 auf, nach der Thanksgiving-Niederlage gegen die Packers lautet sie nun 8:3. Sie könnten zum ersten Mal seit sieben Jahren die Playoffs erreichen und gelten neben den Philadelphia Eagles, San Francisco 49ers und Dallas Cowboys als Favoriten, im Super Bowl im Februar in Las Vegas der Vertreter der NFC zu sein - eine der beiden Konferenzen, aus denen sich die NFL zusammensetzt. Der wichtigste Grund: St. Brown.

Nach jedem Training lässt sich St. Brown 202 Bälle aus einer Wurfmaschine zuspielen

"Es ist ansteckend, was dieser Typ macht", sagte Verteidiger Kerby Joseph kürzlich nach dem 41:38-Sieg der Lions bei den Los Angeles Chargers der SZ; St. Brown hatte famose 156 Yards Raumgewinn und einen Touchdown geschafft: "Er ist immer am Arbeiten, nicht nur auf dem Platz. Der läuft übers Trainingsgelände und wirft sich selbst Bälle zu, am nächsten Tag jongliert er mit Tennisbällen. Die Frage, die man sich irgendwann stellt: Wenn dieser Typ, ganz klar einer unserer besten Spieler, Extraschichten einlegt und dauernd an sich arbeitet - wie kann ich das nicht tun?"

Amon-Ra St. Brown, eindeutig der Sohn eines Bodybuilders, spricht mit Quarterback Jared Goff. (Foto: Junfu Han/USA Today Network/Imago)

Nach jedem Training lässt sich St. Brown 202 Bälle aus einer Wurfmaschine zuspielen - die zusätzliche Arbeit ist ansteckend, wie auch Receiver-Kollege Jameson Williams sagt: "Er zeigt dir, was nötig ist, um derart großartig zu sein: keine Ausrede, keine freien Tage, jeden Tag besser werden."

Was diese Einstellung anstellt mit einem Team, in dem zudem Quarterback Jared Goff beweisen will, dass die Finalteilnahme 2019 mit den Los Angeles Rams kein Zufall war? Die Lions sind in allen sechs verbleibenden Partien der regulären Spielzeit favorisiert - außer der bei den Cowboys am 30. Dezember, die als Vorgeschmack auf ein mögliches Halbfinale gilt.

Fehlt noch die dritte Erkenntnis aus dem Thanksgiving-Video: "Ich glaube, die wissen gar nicht, wie viel sie mir bedeuten", sagt St. Brown am Ende mit Tränen in den Augen. Sofort kommen Mutter Miriam und Vater John dazu, beide schluchzend, und Miriam sagt: "Doch, das tun sie."

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