Rekord-Vertrag in der NFL:Onkel Aaron bleibt

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Streitbar - und enorm erfolgreich: Quarterback Aaron Rodgers bleibt wohl für vier weitere Jahre in Green Bay. (Foto: Jeffrey Phelps/AP)

Die Green Bay Packers machen ihren Quarterback Aaron Rodgers zum bestbezahlten Akteur der NFL-Geschichte - und sparen dabei wohl sogar noch Geld. Es ist ein sportökonomischer Spagat, der so wohl nur im US-Sport funktioniert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hilft, wenn man sich Aaron Rodgers vorstellt als den Onkel beim Familien-Grillfest, der immer alles schrecklich findet und das auch jedem mitteilen muss, der sich nicht rechtzeitig ins Baumhaus absetzt. Das Fleisch: ungenießbar. Der Mann am Grill: ein Trottel. Warum er überhaupt gekommen ist, fragt sich der Onkel, alles doof hier. Man kann ihn nur mit dem feinsten Steak beruhigen, dann hält er ein paar Minuten lang die Klappe.

Genau das haben die Green Bay Packers getan, als sie Rodgers nun mit einem neuen Vertrag ausstatteten, der alle Rekorde brechen dürfte: Die Rede ist von bis zu 200 Millionen Dollar Salär über vier Jahre, 153 Millionen davon garantiert, der Rest Bonuszahlungen. 50 Millionen Dollar also pro Saison, so viel hat noch nie jemand in der US-Footballliga NFL verdient. Rodgers nannte die Zahlen "ungenau", er bestätigte bloß, dass er bei den Packers bleiben werde.

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Abgesehen davon ist das Interessante an diesem Vertrag vor allem die Struktur: Die Packers dürften, obwohl sie Rodgers derart viel Geld hinterherschmeißen, für die kommende Saison sogar mehr Geld zur Verfügung haben, das sie für andere Spieler ausgeben können; sie sollten damit auch erneut zu den Titelkandidaten zählen. Das ist ein sportökonomischer Spagat, der so wohl nur im US-Sport funktioniert.

Zuletzt standen die Zeichen immer wieder auf Trennung

Rodgers, 38, spielt seit Beginn seiner Profikarriere vor 17 Jahren bei den Packers, er hat mit ihnen 2010/11 den Super Bowl gewonnen; nach den vergangenen zwei Spielzeiten wurde er jeweils zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. Die Bilanz der Packers über die vergangenen drei Jahre - 39 Siege, zehn Niederlagen - ist die beste der NFL-Geschichte - eines Klubs freilich, der in diesem Zeitraum nicht den Super Bowl erreicht hat.

Darauf konzentrierte sich Rodgers' Kritik, die er schon im Sommer 2020 anbrachte: Die Franchise solle gefälligst die strategische Ausrichtung mit ihm absprechen. Aber nein, es hörte mal wieder keiner auf ihn. Am Ende der vorvergangenen Saison boykottierte er Trainingseinheiten und sagte Packers-Mitarbeitern, dass er nie wieder für den Verein spielen wolle. Der Klub verpflichtete deshalb bei der Talentbörse in der ersten Runde den Quarterback Jordan Love als möglichen Nachfolger. Im letzten Moment kehrte Rodgers zu den Packers zurück, legte eine famose Saison hin - und sagte nach der überraschenden Playoff-Niederlage gegen die San Francisco 49ers zuletzt, dass er nun wirklich keinen Bock habe, für eine Auswahl im Neuaufbau tätig zu sein. Wieder standen die Zeichen auf Trennung.

Aber: Solvente Arbeitgeber, die um den Titel buhlen und einen teuren Spielmacher wie Rodgers suchen, sind gerade rar. Und der Quarterback hat nun mal die bedeutsamste Einzel-Position über alle Teamsportarten hinweg inne; man kann ohne einen fähigen Spielmacher nicht viel gewinnen. Das wissen auch die Packers.

Nur: Mussten sie Rodgers deshalb gleich mit so viel Geld überschütten, das dann für andere Schlüsselspieler fehlt? Alleine kann ein Quarterback den Super Bowl ja auch nicht holen. Und Rodgers ist bekannt dafür, sich öffentlich zu allen möglichen Dingen zu äußern - und damit viel Unruhe auf sich zu ziehen. Ein Beispiel: Er nannte sich im vergangenen Sommer "immunisiert", und als er am 3. November positiv auf Covid getestet wurde, kam heraus, dass er damit nicht die Corona-Impfung gemeint hatte, sondern eine weder von der NFL noch vom Gesundheitsministerium anerkannte Alternative. Seine Reaktion: Ach, er werde doch andauernd missverstanden.

Eine Karriere in Grün und Gold: Aaron Rodgers spielt seit Beginn seiner Profikarriere vor 17 Jahren bei den Packers. (Foto: Kirsten Schmitt/Zuma Wire/Imago)

Es ist nun jedenfalls auch so: Durch die Architektur von Rodgers' neuem Vertrag würden die Packers in der kommenden Saison tatsächlich Geld sparen. Von den 50 Millionen Dollar, die Rodgers theoretisch zustünden, erhielte der Quarterback ja zunächst nur einen garantierten Anteil. Der setzt sich, unter anderem, aus dem neuen Grundgehalt und einem Bonus für die Unterschrift zusammen - der wiederum rechnerisch auf mehrere Vertragsjahre aufgeteilt wird, so dass er die jährliche Gehaltsobergrenze (Salary Cap) des Teams weniger belastet. So könnten die Packers Rodgers' Gehalt für die kommende Saison unter jene 46 Millionen Dollar drücken, die ihm sein bisheriger Vertrag zugesichert hätte.

Oder anders gesagt: Die Packers halsen sich mit Rodgers neuem Kontrakt zwar eine dicke Rechnung auf - müssen diese aber erst später begleichen.

So können sie jetzt auch erst mal Passempfänger Davante Adams mit dem so genannten "Franchise Tag" belegen und für eine weitere Saison an sich binden. Adams würde aufgrund des Reglements knapp 20 Millionen Dollar erhalten. Nur: Sollte es den Packers noch gelingen, auch mit ihm einen langfristigen Vertrag auszuhandeln, könnten sie dessen Gehalt für die kommende Saison ebenfalls senken - und einen weiteren Passempfänger für Rodgers verpflichten.

Die Packers übergeben Rodgers damit also gewissermaßen die Grillzange. Sie haben alles dafür getan, um in der kommenden Saison den Titel zu holen, alles andere als ein Super-Bowl-Sieg wäre eine Enttäuschung für die Leute in Green Bay, die - eine Ausnahme zu all den milliardenschweren NFL-Franchise-Besitzern - Eigentümer der Packers sind. Und Rodgers, der nun alles gekriegt hat, was er wollte, weiß auch: Daheim motzt es sich noch immer am besten.

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