NFL-Expansion nach Europa:Sabbern erwünscht

NFL-Expansion nach Europa: Signalfarbe Rot: Die Kansas City Chiefs mit Quarterback Patrick Mahomes (rechts) könnten im Herbst als Gegner der Tampa Bay Buccaneers in München antreten, so wie hier im Super Bowl 2021. Anzeichen dafür gibt es einige.

Signalfarbe Rot: Die Kansas City Chiefs mit Quarterback Patrick Mahomes (rechts) könnten im Herbst als Gegner der Tampa Bay Buccaneers in München antreten, so wie hier im Super Bowl 2021. Anzeichen dafür gibt es einige.

(Foto: Ashley Landis/AP)

Die Tampa Bay Buccaneers werden im Herbst eine Partie in München austragen - viel mehr ist noch nicht bekannt über die Deutschland-Pläne der US-Footballliga NFL. Diese Salami-Taktik ist Absicht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wären die Footballfans in Deutschland Hunde, würden sie derzeit mal wieder vor Freude mit dem Schwanz wedeln. Vor ein paar Wochen hatten sie das bereits getan, als die US-Footballliga NFL kurz vor dem Super Bowl in Los Angeles verkündet hatte, in den kommenden vier Jahren je eine Partie der regulären Saison in München oder Frankfurt auszutragen; die erste in diesem Herbst in der Arena des FC Bayern. Nun steht das erste Team fest: Die Tampa Bay Buccaneers, Titelträger 2021 und auch ohne Quarterback Tom Brady - der kürzlich seinen Ruhestand angetreten hat - eines der aufregenderen Teams der NFL.

Viel mehr ist noch nicht bekannt, und das gehört durchaus zur Strategie der NFL. Die Liga ist meisterhaft darin, auch in der spielfreien Zeit Interesse zu generieren; bei der Expansion nach Deutschland verhält sie sich nun wie ein Metzger, der die Hunde vor der Tür immer wieder an der Salami schnuppern lässt, bis sie zu sabbern beginnen, weil da bestimmt ein riesiger Leckerbissen auf sie wartet. Ab und zu wirft er ihnen ein Rädchen Wurst zu, als Vorgeschmack quasi, oder auch drei: Soeben hat die NFL neben den Buccaneers noch den Kansas City Chiefs, Carolina Panthers und New England Patriots Vermarktungsrechte für Deutschland zugesprochen.

Die Liga hatte ihre reguläre Spielzeit in der vergangenen Saison auf 17 Partien erweitert und beschlossen, dass Teams mit neun Heimspielen die Kandidaten für eine Reise nach Mexiko oder Europa sind - und dennoch wie alle anderen acht Mal vor ihren Fans daheim spielen. In der kommenden Saison also werden die Arizona Cardinals im Estadio Azteca in Mexiko City antreten; die Green Bay Packers und die New Orleans Saints jeweils in der Arena der Tottenham Hotspurs und die Jacksonville Jaguars im Wembley Stadium in London.

Aufgrund dieser Regelung steht jetzt bereits fest, dass die Carolina Panthers 2024 nach Deutschland kommen werden; sie haben als einzige der vier Franchises in dieser Saison neun Heimspiele. Die Patriots (bei denen der deutsche Running Back Jakob Johnson unter Vertrag steht) und Chiefs sind dann 2023 und 2025 dran. Wer davon wann, ist unbekannt, ebenso, welche Partie wo stattfinden wird; klar ist nur: noch eine in München, zwei in Frankfurt.

Zwei Millionen verfolgten zuletzt den Super Bowl - trotz Spielbeginns am Montagmorgen um halb eins

Das Interesse an der NFL in Deutschland ist immens, mehr als zwei Millionen wollten den Super Bowl auf verschiedenen Kanälen und Streamingportalen sehen - obwohl der Spielbeginn in einer Nacht zu Montag um 0.30 Uhr lag. In den ersten 48 Stunden, nachdem die NFL für den Herbst die Partie in München angekündigt hatte, bekundeten mehr als 400 000 deutsche Fans Interesse an Tickets, ohne die Paarung zu kennen. "Das wird ein Leuchtturm-Event", sagte NFL-Deutschland-Chef Alexander Steinforth in Los Angeles zur SZ: "Das wird den Stellenwert in Deutschland auf ein neues Niveau heben."

Erfahrene Spürhunde freilich haben bereits Witterung aufgenommen. Der Spielplan für die kommende Saison und damit der Gegner der Buccaneers in München wird zwar erst am 12. Mai veröffentlicht, alle Heimspiel-Gegner von Tampa Bay sind allerdings schon bekannt - darunter zum Beispiel der Super-Bowl-Sieger, die Los Angeles Rams und Gegner Cincinnati Bengals. Das wäre Grund zu Freude und Schwanzwedeln; wer sich jedoch ein bisschen in der NFL umhört, der wird auf eine andere Fährte geschickt.

Einer der neun Heim-Gegner der Buccaneers in der kommenden Saison sind: die Kansas City Chiefs. Deren Eigentümer Clark Hunt hat über seinen Fußballverein FC Dallas eine Talent-Kooperation mit dem FC Bayern. Vor drei Jahren sollten die Münchner beim Freundschaftsturnier International Champions Cup im Chiefs-Stadion gegen den AC Mailand antreten - die Partie musste wegen Regens verlegt werden. Chiefs-Spielmacher Patrick Mahomes traf sich dennoch mit dem damaligen Bayern-Mittelfeldstrategen Thiago Alcantara, die zwei sprachen über taktische Ähnlichkeiten zwischen Fußball und Football.

Es gibt zwar keine offizielle Bestätigung. Mehrere NFL-Insider vermuten allerdings, dass die Chiefs in diesem Herbst als Auswärtsteam nach München für eine Wiederholung des Endspiels 2021 (Tampa Bay siegte 31:9) kommen werden und entweder die Partie 2023 oder '25 wieder in München ausgetragen wird, wenn die Chiefs als Heimteam dran sind. Sie würden dann zwei Mal nach München kommen innerhalb von nur vier Jahren. Nur so nebenbei, die prägende Vereinsfarbe der Chiefs ist Rot.

Das erklärte Ziel von NFL-Chef Roger Goodell ist es, Fans in Deutschland langfristig an gewisse Franchises zu binden

Dazu passt, dass die Chiefs eines der spektakulärsten Teams der vergangenen Spielzeiten gewesen sind, in der kommenden Saison zu den Titelfavoriten gehören und aufgrund des langfristigen Vertrags mit Quarterback Mahomes (bis zu 503 Millionen Dollar über zehn Jahre) mittelfristig Anziehungskraft besitzen. Ja, die Jacksonville Jaguars tragen seit 2013 jeweils eine Partie (Ausnahme: die Covid-Saison 2020) in London aus und sind dort trotz ihrer notorischen Erfolglosigkeit beliebt. Die NFL weiß aber auch, dass sie in Deutschland ein schmackhafteres Stück Wurst braucht für den nächsten Schritt der Expansion, und das sind für München offenbar die Chiefs.

NFL-Expansion nach Europa: NFL-Chef Roger Goodell verspricht den Klubs, die Einnahmen bis 2027 von 18 auf 25 Milliarden Dollar zu steigern. Dazu gehört Wachstum rund um den Globus.

NFL-Chef Roger Goodell verspricht den Klubs, die Einnahmen bis 2027 von 18 auf 25 Milliarden Dollar zu steigern. Dazu gehört Wachstum rund um den Globus.

(Foto: Julie Jacobson/AP)

Gut möglich, dass Panthers oder Patriots mit Frankfurt in Verbindung gebracht werden, oder dass Tampa Bay als Panthers-Divisions-Rivale (die spielen garantiert zwei Mal pro Saison gegeneinander) ebenfalls ein zweites Mal nach Deutschland kommen wird. Das erklärte Ziel von NFL-Chef Roger Goodell ist es, den Fans in Deutschland nicht nur irgendeine Partie pro Saison vorzusetzen, sondern sie über Kooperationen mit Fußballvereinen und mehreren Auftritten langfristig an gewisse Franchises zu binden. Also: Jaguars in London, Chiefs in München, Rams so bald wie möglich in China und die Miami Dolphins in Brasilien.

Das Versprechen von Goodell lautet nämlich: die jährlichen Einnahmen von derzeit etwa 18 Milliarden Dollar bis 2027 auf 25 Milliarden zu steigern. Der Markt in den USA ist wegen des üppigen TV-Vertrags (113 Milliarden Dollar über elf Jahre) erst einmal gesättigt, also sagte Goodell vor dem Super Bowl: "Wichtig ist für uns, dass wir unseren Sport weltweit wachsen lassen können." Also erst einmal Spiele in Europa und Mexiko, danach die anderen Märkte.

Wären die Eigentümer der 32 NFL-Franchises Hunde, hätten sie bei dieser Ankündigung wohl ebenfalls mit ihren Schwänzen gewedelt.

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