Neue WM-Helden (9): Samir Handanovic:Ein Hüne für zwei Millionen

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Slowenien ist das kleinste Teilnehmerland, bringt aber den vielleicht besten Torwart mit nach Südafrika: An Samir Handanovic, 25, war auch der FC Bayern schon interessiert.

Thomas Hummel

An Samir Handanovic haben einige sehr schlechte Erinnerungen. Tamas Hajnal und Jakub Blaszczykowski zum Beispiel, die beiden Dortmunder Fußballprofis scheiterten im Oktober 2008 mit ihren Elfmetern an dem Torwart. Aber eigentlich war die ganze Mannschaft des BVB zuvor schon an Handanovic gescheitert, jeder Dortmunder hatte in Hin- oder Rückspiel gegen Udinese Calcio mindestens eine Torchance. Dennoch schied ihr Verein schied aus dem Uefa-Cup aus. Weil Handanovic 1000 Hände und Beine zu haben schien und am Ende auch das Elfmeterschießen entschied.

Samir Handanovic (Udinese Calcio), ein slowenischer Held, hat auch schon Schüsse von Luca Toni (hinten, AS Rom) abgewehrt. (Foto: online.sdesport)

Handanovic war damals 24 Jahre alt und hatte es erst ein Jahr zuvor geschafft, sich in Udine und der Serie A durchzusetzen. Nun wussten auch die Dortmunder, dass sich da ein Torwart mit enormen Fähigkeiten entwickelt. Der 1,94 Meter große und 92 Kilogramm schwere Hüne aus Ljubljana in Slowenien gilt inzwischen als einer der heißesten Tipps, wenn es um das internationale Torwartkarussell geht. Durch die überraschende WM-Teilnahme Sloweniens könnte der Tipp so heiß werden, dass selbst sein Vertrag bis 2013 und viele Treuebekundungen Udine nicht davor schützen, den Torwart zu verlieren.

Allein durch die schiere Größe und körperliche Präsenz macht Handanovic Eindruck. Und wenn er dann einmal losfliegt, seine Finger in die entlegensten Ecken des Tores streckt, um den Ball noch um Pfosten oder Latte zu lenken, hallt ein erstauntes Raunen durch die Stadien.

Im Stadion Ljudski vrt in Maribor schrien die Zuschauer hingegen am 18. November jedes Mal entzückt auf, wenn Handanovic wieder einmal einen Fuß, eine Hand oder sonst ein Körperteil an den Ball brachte. Es ging um die WM-Teilnahme in der Relegation gegen Russland, und nach dem 1:2 im Hinspiel führten die Slowenen durch ein Tor kurz vor der Pause mit 1:0. Die hochfavorisierten Russen benötigten jetzt ein Tor für Südafrika und rannten an und rannten an. Doch egal, ob Alexander Kerschakow, Juri Schirkow, Pawel Pogrebniak - sie scheiterten alle an Handanovic. Slowenien hielt das 1:0 fest und fährt zum zweiten Mal nach 2002 zu einer WM.

"Wir haben demonstriert, dass im Fußball über alles die Gruppe und die Motivation zählt", erklärt Handanovic. Slowenien sei ein kleines Land mit zwei Millionen Einwohnern und wolle einen Traum leben. Spätestens seit dem Rückspiel gegen die Russen ist der Torwart einer der Heroen des Landes, er gilt vielen als bester Keeper, der je in Slowenien geboren wurde. Kurioserweise gehört auch Samirs Cousin Jasmin zu den slowenischen WM-Torhütern, der 32-Jährige ist allerdings nicht so stark wie sein jüngerer Verwandter und hält die Bälle beim italienischen Zweitligisten Mantova. Samir indessen führt zusammen mit dem Kölner Stürmer Milivoje Novakovic, Kapitän und Spielmacher Robert Koren (West Bromwich Albion) und Abwehrchef Marko Suler (KAA Gent) die Mannschaft an.

Interesse des FC Bayern

Dabei macht der Torwart nicht den Eindruck, ein Anführer sein zu wollen. Er wirkt eher zurückhaltend, lässt seine Paraden für sich sprechen. Und auch nach diesen steht der 25-Jährige zumeist auf und geht emotionslos mit etwas gesengtem Kopf auf seine Position in die Tormitte als würde er gerade ein Torwarttraining absolvieren. Parade abgehakt, nächste Parade.

Als Anfang des Jahres Jörg Butt noch auf dem Weg in die Rente war, meldete zuerst die italienische Zeitung Tuttosport und dann die Münchner Blätter, dass Handanovic auf dem Weg zum FC Bayern sei. Paul Breitner soll den Torwart mehrfach beobachtet und für gut befunden haben, hieß es, dessen Berater rechnete bereits fest mit einem offiziellen Angebot der Münchner. Dieses kam jedoch nicht. Butt verlängerte stattdessen in München.

Nun glaubt Italiens Presse, dass Handanovic der Erbe von Gianluigi Buffon bei Juventus Turin wird, wenn der Weltmeister doch noch einmal den Weg ins Ausland wagt. Zu Manchester United etwa. "Er ist einer der besten Torhüter in Italien", lobt Buffon seinen designierten Nachfolger.

Am Ende dieser WM könnten sich die großen Klubs aber gleich für den jungen Slowenen entscheiden. "Wenn wir das Achtelfinale erreichen, wäre das ein Wunder", sagt Trainer Matjaz Kek vor den Gruppenspielen gegen Algerien, die USA und England. Vor allem braucht es einen Samir Handanovic in Bestform. Und einige Gegenspieler, die ihn in schlechter Erinnerung haben werden.

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