Volleyball:Aufbruch der Leidenden

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"Ich mag es, junge, hungrige Leute zu entwickeln": Straubings neuer Trainer Tomasz Wasilkowski ist bereits deutscher Meister geworden. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Nawaro Straubing geht nach Insolvenz und Erstliga-Rückzug mit neuer Struktur, neuer Mannschaft und neuem Trainer in die nächste Saison - in der neuen zweiten Liga Pro. Tomasz Wasilkowski, der künftige Coach, weiß immerhin, wie man deutscher Meister wird.

Von Sebastian Winter

Es geht wieder aufwärts bei Straubings Volleyballerinnen, allem Anschein nach. Sogar eine neue Geschäftsstelle haben sie nun, ganz im Westen der Stadt, Otto-von-Dandl-Ring 4, zwischen Penny, Norma und Lidl. Und einen neuen Trainer, dessen in der Szene durchaus nicht unbekannten Namen sie erst am Montag verkündet haben. Der Pole Tomasz Wasilkowski wird künftig an der Seitenlinie der Straubingerinnen stehen, und beide Seiten eint eine bittere Parallele aus der jüngeren Vergangenheit.

Der 39-Jährige war in der vergangenen Saison Cheftrainer beim Männer-Bundesligisten Netzhoppers KW-Bestensee, der allerdings im April einen Insolvenzantrag stellen musste. Nach Prüfung durch die Volleyball-Bundesliga (VBL) dürfen die Netzhoppers nun zwar weiterhin in der ersten Liga antreten. Wasilkowski hatte in der Zwischenzeit aber schon bei Straubings Frauen angeheuert, die Ende Januar ebenfalls insolvent gingen - und in der kommenden Saison nach ihrem Erstliga-Rückzug in der neuen zweiten Liga Pro starten. Diese wurde von der VBL geschaffen, um die große strukturelle Lücke zwischen Oberhaus und zweigleisiger zweiter Liga zu schließen.

Straubings Volleyballerinnen haben sich ebenfalls reformiert in den vergangenen Monaten, die neue Geschäftsstelle ist nur ein kleiner Teil des Aufbruchs. Weil ihre bisherige Heimat, der FTSV Straubing, das Risiko als Lizenznehmer in der Volleyball-Bundesliga nicht länger tragen wollte und künftig seinen Fokus auf den Breitensport legen will, musste für den Zweitligisten ein ganz neuer Verein gefunden werden. Dafür wurde der bisherige Förderverein bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in den Sportverein Nawaro Straubing e. V. umgewandelt und das Spielrecht dorthin übertragen. Neue Vorstände sind die Rechtsanwältin Julia Semmler und der Leiter des Straubinger Hochbauamts, Marko Kreyßig . Zugleich wurde die Nawaro Volleyball GmbH gegründet. Deren sechs Gesellschafter sind allesamt angesehene Straubinger Unternehmer.

Da ahnten sie noch nichts von der nahenden Insolvenz: Nawaro Straubings Volleyballerinnen Ende Dezember nach dem Sieg über Neuwied. Von dieser Mannschaft wird voraussichtlich nur eines der Eigengewächse Valbona Ismaili (Trikotnummer 7), Emilia Jordan (8) oder Antonia Herpich (1) übrig bleiben in der neuen Saison. (Foto: Tobias Jenatschek/Imago)

Mehr als 100 Mitglieder gebe es schon im neuen Verein, sagt Straubings Geschäftsführer Karl Kaden zufrieden. "Wir haben mehrere Gesellschafter, alles auf breitere Schultern verteilt. Und wir haben in diesem Frühjahr vier Jugendmannschaften, die bei deutschen Meisterschaften waren. Unsere U16 wurde sogar deutscher Vizemeister." Der Nachwuchs soll daher auch zu einer der wichtigsten Säulen in Straubings künftigem Konzept werden, weitere junge, deutsche Spielerinnen sollen am Klub andocken, der "irgendwann wieder in der ersten Liga spielen soll", wie Kaden sagt. Der Etat sei noch nicht reif dafür, aber immerhin im unteren sechsstelligen Bereich, "alles darunter wäre ein Himmelfahrtskommando". Und mit Himmelfahrtskommandos kennen sie sich inzwischen ganz gut aus in Straubing, eine weitere Insolvenz wollen sie in jedem Fall vermeiden. Das Insolvenzverfahren gegen die alte Nawaro Spielbetriebs GmbH läuft übrigens noch, es wurde Anfang April eröffnet.

Neu in Straubing: Yina Liu. (Foto: Mohwinkel/Beautiful Sports/Imago)

Für den neuen Mann an der Seitenlinie, den er nach eigener Schilderung bei einem mehrstündigen Gespräch in Berlin von Straubing überzeugt hat, findet Kaden nur lobende Worte. "Mit der Verpflichtung ist uns ein großer Coup gelungen." Das kann man so sehen, denn Wasilkowski hat nicht nur die Netzhoppers seit Sommer 2021 als Cheftrainer betreut, sondern wurde als Co-Trainer 2019 mit den Berlin Recyling Volleys deutscher Meister. Bis 2012 war er noch Universitätsdozent in Polen, danach leitete er in seiner Heimat auch Frauen-Profiklubs, wie Atom Trefl Sopot, als Cheftrainer an und arbeitete in Katar und Frankreich, bevor der Familienvater von Berlins Männern verpflichtet wurde. Neben seinem Engagement in Straubing ist er im Zweitjob noch Co-Trainer von Kroatiens Männer-Nationalmannschaft.

"Schnell war klar, dass wir auf einer Wellenlänge liegen und in Straubing wieder etwas entstehen soll. Ich mag es, junge, hungrige Leute zu entwickeln. Auch deshalb reizt mich die Herausforderung Nawaro", wird Wasilkowski nun in einer Vereinsmitteilung zitiert. Junge, hungrige Leute wie die Eigengewächse Antonia Herpich, Valbona Ismaili und Emilia Jordan. Der Verein machte zwar bis zuletzt noch ein Geheimnis um den künftigen Kader, aber klar ist: Nur eine aus diesem Trio wird Straubing noch erhalten bleiben, dem Vernehmen nach handelt sich dabei um Ismaili. Und einen Zugang gibt es nun auch: Yina Liu, 25, Zuspielerin vom Erstligisten VfB Suhl. Eine Deutsche mit asiatischen Wurzeln, deren Vater 203 Mal als Nationalspieler für China im Einsatz war.

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