Nationaltorwart beim BVB:Klopp opfert Weidenfeller

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Vorerst ausgemustert: Nationalkeeper Roman Weidenfeller. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Kommentarlos hat BVB-Trainer Jürgen Klopp Nationaltorhüter Roman Weidenfeller ausgemustert. Sein Vertreter Mitch Langerak dürfte auch in der Champions League gegen Anderlecht spielen - und soll in der Mannschaft einige Fürsprecher haben.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Roman Weidenfeller war abgetaucht, tief in der zweiten Reihe der Reservebank, den Kragen hoch-, die Mütze heruntergezogen - gerade so, als solle niemand sehen, wo er gerade saß. Dortmunds Nationaltorwart war ja selbst überrascht über seinen neuen Sitzplatz, er ist offenbar zum Instrument eines geplanten Neustarts geworden, zu einer Art Bauernopfer der BVB-Wende.

Vorerst will er nicht darüber reden, denn noch besteht Hoffnung, dass sich das "Bauchgefühl" von Jürgen Klopp bei nächster Gelegenheit wieder ändert - mit diesem Wort hatte der Trainer den abrupten Wechsel zu Weidenfellers bisherigem Vertreter Mitch Langerak erklärt. "Das ist eine sportliche Entscheidung des Trainers", sagt Weidenfeller nur, "die habe ich natürlich zu akzeptieren."

Aber man merkt ihm trotzdem an, dass er nicht weiß, wie er die Degradierung bewerten soll, die ihn kurz vor dem Spiel des BVB gegen Hoffenheim (1:0) erwischte. Dass er am Dienstagabend, beim letzten Champions-League-Gruppenspiel gegen den RSC Anderlecht, schon zwischen die Pfosten zurückkehren kann, darf bezweifelt werden. Da Dortmund bereits fürs Achtelfinale qualifiziert ist, wäre es unter normalen Umständen ohnehin wahrscheinlich gewesen, dass Langerak mal ins Tor rücken darf - um ein bisschen Spielpraxis zu sammeln. Klopp könnte es nun bei dieser Entscheidung belassen. Am Freitagabend hatte er sich noch nicht festlegen wollen, wer nun die Nummer eins sei: doch Weidenfeller oder eben Langerak, der Australier mit den ostpreußischen Ahnen.

Überraschend war für Weidenfeller, aber auch für einige seiner Kollegen, die barsche Art und Weise, mit der Klopp den 34-Jährigen für das wichtige Spiel gegen Hoffenheim ausgebootet hatte. Eine vorherige Warnung unter vier Augen, wie in solchen Fällen bei verdienten Spielern üblich, hatte Klopp offenbar nicht ausgesprochen.

Am vergangenen Mittwoch war Langerak beim Training ohne weiteren Kommentar in die sogenannte A-Elf abkommandiert worden, bei der Sitzung vor dem Spiel kam dann die kalte Dusche für Weidenfeller. "Ich werde einen Teufel tun und Spieler fragen, ob sie es cool finden, wenn sie nicht spielen", polterte Klopp nachher. Aus Mannschaft und Umfeld hört man von keinem Ärger und keinen Unstimmigkeiten.

Es gehört zu den probaten Mitteln von Trainern, in Krisensituationen etablierte Spieler mit ausreichender Fallhöhe abzustrafen, um ein Zeichen zu setzen. Als Ottmar Hitzfeld in Dortmund als Trainer begann, kostete das den heutigen BVB-Torwarttrainer Teddy de Beer den Job, der erst 19 Jahre alte Stefan Klos übernahm. 2004, als der BVB mitten in der Finanzkrise unterzugehen schien, hat Weidenfeller dasselbe schon mal am eigenen Leibe erfahren: Dortmunds damaliger Trainer Matthias Sammer stellte unerwartet den Franzosen Guillaume Warmuz ins Tor.

Dieses Mal weiß Weidenfeller aber, dass er "bisher sicher nicht meine beste Halbserie" gespielt hat. Wenn ein Titelanwärter wie der BVB 21 Gegentore kassiert, ramponiert das zwangsläufig das Ansehen des Torwarts. Tatsächlich war Weidenfeller bei mehreren der comedy-reifen Gegentore beteiligt. Bei einem Patzer in Köln, bei einem in Paderborn, zuletzt beim halben Eigentor von Matthias Ginter in Frankfurt. Und als er beim Freistoßtor von Hannovers Kiyotake nicht rechtzeitig in die Torecke kam und das Heimspiel 0:1 verloren ging, mokierte sich Kapitän Mats Hummels sogar öffentlich: Der Ball sei "ganz schön lange in der Luft" gewesen, er habe sich "gewundert, dass der im Tor landet". Einen Tag später ruderte Hummels zurück. Das schale Gefühl der Kritik aber blieb haften.

In Dortmund zweifelt niemand an Mitch Langerak. Er kommt zwar in seinen fast viereinhalb Jahren beim BVB nur auf 23 Bundesliga-Einsätze, aber einen erkennbaren Fehler leistete er sich nie, auch nicht 2012, beim triumphalen DFB-Pokalfinale gegen Bayern München, als er früh für den verletzten Weidenfeller eingewechselt wurde. Zwar hat Weidenfeller in den vergangenen Jahren eine Metamorphose zum moderneren Torwart geschafft, aber am ehesten glänzt er immer noch in jenen traditionellen Situationen, in denen Stürmer allein auf ihn zulaufen oder er einen unhaltbaren Ball aus dem Torwinkel holt.

Gut möglich, dass der impulsive Weidenfeller bis Weihnachten seinen Frust herunterschlucken muss. Langerak scheint unter den vielen gleichaltrigen Kollegen Fürsprecher zu haben; wie es heißt, soll dazu auch Mats Hummels gehören. Für Langerak bieten die nächsten Spiele die Chance, sich auch perspektivisch als Weidenfeller-Nachfolger aufzudrängen; der Vertrag des Nationalkeepers läuft 2016 aus. Zum Rückrundenstart aber dürfte Langerak mit der australischen Nationalelf noch beim Asien-Cup sein, der Australier wird deshalb auch die Vorbereitung auf die Rückrunde verpassen. Für Weidenfeller wäre das die Chance zurückzukommen.

Krach wird es mit Roman Weidenfeller aber vermutlich ohnehin nicht geben. Er will, ähnlich wie Sebastian Kehl, nach seiner Spielerkarriere beim BVB bleiben.

© SZ vom 09.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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