Basketball:Chemische Reaktionen

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Das Thema ist noch nicht vom Tisch: Der umstrittene Joshiko Saibou (li., im Spiel gegen Tschechien) konnte sportlich bislang überzeugen. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Die deutsche Nationalmannschaft zeigt sich trotz der umstrittenen Nominierung von Joshiko Saibou und vieler Absagen beim Supercup in guter Verfassung. Nun gilt es noch, Dennis Schröder für das Olympia-Qualifikationsturnier zu integrieren.

Von Ralf Tögel, Hamburg/München

Energie. Bereitschaft. Chemie. Das waren die Schlüsselworte, die Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl nach dem 91:79-Erfolg gegen Italien und dem damit verbundenen sechsten Sieg im Supercup wählte. Center Johannes Voigtmann, der sich mit einer Wortmeldung zur umstrittenen Nominierung von Joshiko Saibou und nun mit starken Leistungen für die Rolle des Anführers empfohlen hatte, unterstrich die gute Stimmung im Team: "Jeder hat sich für den anderen eingesetzt." Es war in der Tat eine richtig gute Teamleistung.

Betont sachlich und ruhig analysierte Rödl die starken Leistungen seiner Auswahl, die schon Tschechien (95:62) und Tunesien (102:79) deutlich bezwungen hatte. Das war zum einen dem Naturell des 52-Jährigen geschuldet, wohl aber auch einer gewissen Erleichterung. Der starke Auftritt beim wichtigen Vorbereitungsturnier für die Olympia-Qualifikation im kroatischen Split (29. Juni bis 4. Juli) war ja nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Denn in der ohnehin knapp bemessenen Zeit zur Präparation der Mannschaft für das große Ziel Tokio hatte Rödl einige Klippen zu umschiffen. Zwar kann er auf die Dienste des derzeit wohl besten deutschen Basketballers Dennis Schröder zählen, der spät zur Mannschaft stieß, doch in Daniel Theis, Isaiah Hartenstein und Maximilian Kleber sagten drei NBA-Spieler ihre Teilnahme ab. Zudem fällt Paul Zipser, der eine bestechende Saison für den FC Bayern gespielt hat, bis auf Weiteres aus - der Flügelspieler war wegen einer Gehirnblutung notoperiert worden. Und schließlich verursachte Rödl selbst mit der überraschenden Nominierung von Joshiko Saibou große Irritationen.

Johannes Voigtmann positioniert sich klar gegen das Gedankengut des Teamkollegen Joshiko Saibou

Der hatte im vergangenen Jahr an zwei Corona-Demonstrationen teilgenommen, weshalb er von den Baskets Bonn fristlos gekündigt wurde. Saibou zeigte in einem vom Deutschen Basketball Bund (DBB) kürzlich veröffentlichten Video zwar Reue und entschuldigte sich, es gab dennoch heftiger Kritik für dessen Nominierung - auch seitens ehemaliger Nationalspieler. DBB-Vizepräsident Armin Andres gab zu, die Sachlage unterschätzt zu haben: "Wir haben als Verband große Fehler gemacht." Voigtmann indes stellte klar, dass die Sache längst nicht aus der Welt sei. Saibou habe eine zweite Chance verdient, sollte er sich aber nicht weiter öffentlich von diesem Gedankengut distanzieren, "muss er rausgeschmissen werden, oder ich bin weg".

Trotz dieses Spannungsfelds wusste die Nationalmannschaft zu überzeugen. Zeigten sich Tschechien und Tunesien nicht als gleichsam wehrhaft, sah der Bundestrainer vor allem gegen starke Italiener viele gute Ansätze. Saibou bestätigte Rödls Entscheidung immerhin aus sportlicher Sicht, der Point Guard, der mittlerweile für den französischen Erstligisten Reims spielt, war in allen drei Partien Topscorer der deutschen Auswahl. Die ist auch ohne die namhaften NBA-Legionäre stark besetzt, vor allem Isaac Bonga und Moritz Wagner, beide ebenfalls in der nordamerikanischen Topliga beschäftigt, haben sich dort enorm entwickelt.

Zudem weiß Rödl erfahrene Euroleague-Kräfte wie Voigtmann, der beim Topklub ZSKA Moskau zum Mitarbeiter mit Führungskompetenz aufgestiegen ist, und Danilo Barthel (Fenerbahce Istanbul) im Kader. Kapitän Robin Benzing spielt für den spanischen Erstligisten Zaragoza und bringt große Erfahrung ins Team, und Distanzschütze Andreas Obst knüpft nahtlos an seine starke Bundesligasaison für Ulm an - er wird kommende Saison wohl bei einem Euroleague-Klub anheuern.

Dennis Schröder muss sich in das stimmige Kollektiv einreihen - das hat bei der WM 2019 in China nicht funktioniert

Zudem sind in Maodo Lo, Johannes Thiemann und Niels Giffey drei Leistungsträger vom deutschen Meister Berlin zum Team gestoßen, die wegen der langen Saison ein paar Tage zusätzliche Pause bekamen. Und natürlich ist da noch Dennis Schröder: Der Spielmacher der Los Angeles Lakers spielte eine mäßige Saison und schied mit dem Titelverteidiger in der ersten Runde der NBA-Playoffs aus, weshalb er nun immerhin dem Nationalteam helfen kann, wie Voigtmann glaubt: "Dennis hebt unser Niveau allein dadurch, dass er viele Gegner auf sich zieht."

Die große Kunst wird sein, den 27-Jährigen, der sich um seine Ausnahmestellung im Nationalteam nur zu bewusst ist, schnell in das bereits stimmige Kollektiv zu integrieren. Das hatte bei der Weltmeisterschaft 2019 nicht funktioniert: Deutschland enttäuschte trotz eines starken Kaders mit Platz 18, Hauptkritikpunkt war das zu stark auf Schröder zugeschnittene Spiel.

Dieses Mal werde das nicht so sein, sagt Rödl, Schröder soll sich einreihen. Die unbegründet verspätete Ankunft des Spielmachers allerdings stieß bereits auf Kritik. Den letzten Test gibt es am Donnerstag in Heidelberg gegen Senegal (20 Uhr, kostenlos bei Magentasport), nur vier Tage später, am kommenden Dienstag, geht es gegen Gruppengegner Mexiko, am 1. Juli wartet Russland. In der zweiten Gruppe spielen Tunesien, Brasilien und Gastgeber Kroatien, nur der Turniersieger bekommt ein Ticket nach Tokio. Besonders die Kroaten sind ein schwerer Widersacher, findet Rödl: "Vor allem, weil sie zu Hause spielen, sind sie der Favorit."

Entscheidend werde also die Teamchemie sein, glaubt der Bundestrainer: "Wir wollten eine Kultur des Miteinanders schaffen. Das ist uns gelungen." Und daran wird Rödl gemessen.

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