Nationalelf: Löws Nominierung:Eindeutige Zeichen im Fall Gündogan

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Joachim Löw beruft den jungen Dortmunder erstmals in die Nationalelf - und forciert damit eine Entscheidung des Deutsch-Türken zugunsten der DFB-Elf. Ansonsten setzt der Bundestrainer gegen Brasilien auf seinen "Münchner Block" und hat die Gewissheit: Der Fall Ballack ist endgültig erledigt.

Philipp Selldorf

Dieter Hecking, der Trainer des 1. FC Nürnberg, äußert sich in der Öffentlichkeit selten zu den Aktivitäten von Joachim Löw. Am Donnerstag aber hat er den jüngsten Beschluss des Bundestrainers der Ungerechtigkeit bezichtigt. Hecking ist nicht etwa verärgert darüber, dass Löw es versäumt hat, einen Nürnberger Spieler in den Kader für das Testspiel der Nationalmannschaft gegen Brasilien am Mittwoch in Stuttgart zu berufen.

Plötzlich Nationalspieler: der Dortmunder Ilkay Gündogan. (Foto: imago sportfotodienst)

Er ist stattdessen sauer, weil Löw den Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan nominiert hat - den Hecking vorige Saison beim Club hatte betreuen dürfen. "Es ist ärgerlich, dass er nicht früher nominiert wurde, sonst wäre er unser Nationalspieler gewesen", sagte der Trainer, "anscheinend muss man doch erst zu einem großen Klub wechseln, um diese Wertschätzung zu bekommen." Gündogan, 20, ist im Sommer nach Dortmund gewechselt.

Hier und da wird es sicher Beifall für Heckings Protest geben, die kleineren Klubs klagen häufig über Missachtung. Der sachlichen Betrachtung hält die Klage nicht unbedingt stand. Gündogan, der von der U 18 bis zur U 21 sämtliche Juniorenteams des DFB durchlaufen hat, ist schon länger unter Löws Beobachtung, er war aber während der Rückrunde längere Zeit verletzt und konnte sich nicht empfehlen.

Im Dortmunder Mittelfeld hat er nun aber einige verheißungsvolle Arbeitsproben abgegeben, und außerdem ist ein wenig Platz im deutschen Kader, denn Löw verzichtet beim Treffen mit Brasilien auf die Stammspieler Mesut Özil und Sami Khedira. Die beiden absolvieren mit Real Madrid eine aufwendige Saisonvorbereitung mit Reisen nach China und in die USA. Gündogan besitze technisches Talent und hohe Spielintelligenz, lobte Löw: "Es ist eine gute Gelegenheit, ihn zu Beginn der EM-Saison im Kreis des Teams kennenzulernen."

Gündogan gab die Blumen sofort zurück. Er freue sich "riesig, für mich erfüllt sich ein Traum - es stand für mich schon seit langem fest, dass ich für die deutsche Mannschaft spielen möchte". Gündogan ist wie Özil und die Altintop-Zwillinge in Gelsenkirchen geboren, auch seine Familie stammt aus der Türkei.

Dort hat man die Hoffnung aber immer noch nicht aufgegeben, ihn für das Land seiner Väter begeistern zu können. Auch ein Einsatz Gündogans gegen Brasilien würde daran nichts ändern. Erst ein Auftritt im Rahmen der EM-Qualifikation - zum Beispiel am 2. September in Gelsenkirchen gegen Österreich - würde ihn endgültig an die DFB-Elf binden.

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Sehr gut denkbar, dass man beim DFB den Fall jetzt zügig abschließen möchte: Im Oktober steht in Istanbul das Spiel gegen die Türkei an, dann hätte man sich vorher dieses brisanten Themas entledigt.

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Außer Gündogans Gegenwart hat Löws Auswahl keine staunenswerten Besonderheiten zu bieten - abgesehen von die Tatsache, dass der DFB-Kader Heckings These von der Dominanz der Großklubs quasi amtlich bestätigt. Acht Spieler des FC Bayern gehören dem Kreis an, darunter die Münchner Neulinge Manuel Neuer und Jerome Boateng.

Hinzu kommen vier Abgesandte aus Dortmund. Borussia Mönchengladbach wird immerhin durch die Nominierung von Marco Reus beehrt. Es bleibt aber abzuwarten, ob Reus es tatsächlich unversehrt nach Stuttgart oder gar ins längst ausverkaufte Stadion schafft. Dreimal hat Joachim Löw den Angreifer ja schon eingeladen, jedes Mal kam bei letzter Gelegenheit eine Verletzung dazwischen. Zuletzt musste Reus seine Reise nach Österreich und Aserbaidschan absagen.

Einen anderen prominenten Fall hat Löw nicht in sein Aufgebot genommen, obwohl er keineswegs beim 1. FC Nürnberg, sondern beim relativen Großklub Bayer 04 Leverkusen beschäftigt ist. Aber Michael Ballack, 34, hat die Einladung des Bundestrainers bekanntlich bereits im Juni zurückgewiesen. In Stuttgart wird es also keine Sentimentalitäten geben.

© SZ vom 05.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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