Nach Tod von Robert Enke:Das Nationalteam trauert

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DFB-Tross wird an der Trauerfeier für Robert Enke teilnehmen, die U 21 muss schon am Freitag spielen. Hannover erwägt eine Verlegung des nächsten Bundesliga-Spiels.

Bundestrainer Joachim Löw wird mit allen Spielern um Kapitän Michael Ballack und dem gesamten Betreuerstab der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Sonntag an der Gedenkfeier für Robert Enke in Hannover teilnehmen. Anschließend wird der DFB-Tross nach Düsseldorf weiterreisen, um sich dort auf das drei Tage später in Gelsenkirchen stattfindende Länderspiel gegen die Elfenbeinküste vorzubereiten. Das bestätigte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Donnerstag. Nach der Absage der Partie gegen Chile waren die 21 Akteure am Mittwochnachmittag zu ihren Klubs zurückgekehrt. Bei den Vereinen soll entschieden werden, in welchem Umfang die Spieler bis zum erneuten Treffen der DFB-Auswahl am Trainingsbetrieb teilnehmen.

Trauer: Michael Ballack und Robert Enkes Witwe Teresa beim Gedenkgottesdienst in Hannover. (Foto: Foto: AP)

Hannover 96 gedenkt am Sonntag um elf Uhr mit einer Trauerfeier in seinem Stadion des verstorbenen Nationaltorhüters Robert Enke. Danach werde Enke in seinem Wohnort bei Neustadt am Rübenberge beigesetzt, teilte Klub-Sprecher Andreas Kuhnt am Donnerstag mit. Die Beerdigung werde im kleinen Kreis stattfinden.

Am Mittwochabend hatten 35.000 Menschen in Hannover an einem Trauermarsch teilgenommen. Zu einem Gedenkgottesdienst kamen 1000 Menschen in die Marktkirche, unter ihnen Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Präsident Theo Zwanziger und der Kapitän der Nationalmannschaft, Michael Ballack.

Für Bundestrainer Joachim Löw kam eine Austragung der für diesen Samstag in Köln geplanten Partie gegen Chile nach dem erschütternden Freitod von Nationaltorhüter Enke unter keinen Umständen in Frage. "Niemand fühlt sich in der Lage, in dieser Situation einfach zur Tagesordnung überzugehen", erklärte der 49-Jährige. Löw hatte gemeinsam mit einer DFB-Abordnung um Präsident Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach, Teammanager Oliver Bierhoff und Kapitän Ballack am Mittwochabend an einem Gedenkgottesdienst für Enke in Hannover teilgenommen.

Hannover 96 erwägt Spielverlegung

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach sagte, als Verband habe man die Spielunfähigkeit der Akteure "tausendprozentig respektiert", auch wenn dem DFB durch die Absage des Freundschaftsspiels nach dpa-Informationen rund fünf Millionen Euro an Einnahmen entgehen. "Aber Geld spielt keine Rolle, wir wollen auch gar nicht über den wirtschaftlichen Aspekt sprechen", erklärte Niersbach.

Die rund 37.000 Eintrittskarten, die für die am Samstag in Köln geplante Partie gegen die Südamerikaner schon verkauft worden waren, werden vom DFB zum vollen Preis einschließlich aller Gebühren zurückgenommen, berichtete der Generalsekretär. Ein Tausch gegen ein Ticket für die Partie am kommenden Mittwoch in Gelsenkirchen gegen die Elfenbeinküste sei aus organisatorischen Gründen nicht möglich.

Enkes Verein Hannover 96 erwägt die Verlegung des Bundesliga-Spiels bei Schalke 04. "Das ist noch nicht konkret, aber wir denken über die Möglichkeit nach", sagte 96-Manager Jörg Schmadtke. "Im Moment ist es sehr schwierig, die Situation abzuschätzen. Wir müssen abwarten, wie sich die Mannschaft präsentiert." Die Profis trainieren derzeit nur individuell. Abgesagt sind bereits alle Spiele der Jugendmannschaften für das kommende Wochenende. Über eine Verlegung der Bundesligapartie am 22. November müsste die Deutsche Fußball-Liga (DFL) entscheiden.

U 21 mit Trauerflor

Dagegen muss die U 21 des DFB bereits am Freitag wieder ein Fußballspiel bestreiten, in der EM-Qualifikation müssen die Nachwuchsspieler in Nordirland (21 Uhr) antreten. Die bereits in der Sportschule Kaiserau versammelten Profis verfolgten am Mittwoch gemeinsam die Liveübertragung der Pressekonferenz in Hannover. Trainer Rainer Adrion hatte eine Trainingseinheit abgesetzt. Team-Psychologe Jan Mayer stand Sportlern und Betreuern zu Gesprächen zur Verfügung. "Natürlich tritt bei einem so traurigen Ereignis die Tagesaktualität in den Hintergrund und wir müssen einen Moment innehalten", sagte Adrion auf der Internetseite des DFB vor dem Abflug nach Belfast.

Dennoch muss der Coach schnell die Konzentration auf die sportlich wichtige Partie lenken. "Wir müssen sensibel sein, die richtige Mischung in der Ansprache finden und dem Team wieder ins Bewusstsein bringen, dass es für uns um die Zukunft unserer Auswahl geht", sagte Adrion. "Auch wenn unser ganzes Mitgefühl bei der Frau und der Familie von Robert Enke, seinen Freunden und Angehörigen ist." Die Mannschaft wird in Belfast mit Trauerflor auflaufen, zudem wird eine Schweigeminute eingelegt.

Sportlich steht das Team auf dem Weg zur EM-Endrunde 2011 in Dänemark vor dem Nordirland-Spiel und der Partie am kommenden Dienstag in San Marino unter totalem Erfolgsdruck. In der Gruppe 5 ist die DFB-Elf nach der Niederlage gegen Tschechien (1:2) ins Hintertreffen geraten. Nur der Gruppenerste und die vier besten Zweiten qualifizieren sich für die Playoffs.

"Wir haben eine Aufgabe gestellt bekommen von Robert"

Unterdessen fordern Mitglieder des Fußball-Profigeschäfts mehr Fürsorge für die Spieler. "Die Tragödie Robert Enke gibt Anlass, über bestimmte Dinge nachzudenken, die in dem Geschäft üblich sind und hingenommen werden", sagte Schmadtke im Norddeutschen Rundfunk. "Wir haben eine Aufgabe gestellt bekommen von Robert, über die sollten wir nachdenken." In der RTL-Sendung "Stern TV" fügte Schmadtke hinzu: "Wir müssen uns mit der Thematik befassen, was die Betreuung junger Menschen angeht."

Enkes Ehefrau Teresa und sein behandelnder Arzt hatten die schweren Depressionen des 32-Jährigen auf einer Pressekonferenz öffentlich gemacht. "Es war die freie Entscheidung von Frau Enke. Ich denke, sie wollte auch die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisieren", sagte Hannovers Vereinspräsident Martin Kind in mehreren Interviews.

Enkes Krankheit war bis zuletzt für sein berufliches Umfeld unerkannt geblieben. "Robert hat eine perfekte Rolle gespielt, er hat die Öffentlichkeit perfekt getäuscht.(...) Dadurch hat er uns die Möglichkeit genommen, ihm zu helfen", sagte Schmadtke. Enkes langjähriger Torwarttrainer Jörg Sievers machte deutlich, wie groß das Tabu nach wie vor ist, eine psychische Erkrankung öffentlich zu thematisieren: "Depression wird sicher irgendwo als Schwäche ausgelegt."

Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) und die DFL mahnten mehr psychologische Unterstützung für Spieler an. "Depressionen dürfen kein Tabuthema sein. Gemeinsam mit der Vereinigung der Vertragsfußballspieler und unter Einbeziehung der Kommission Sportmedizin des DFB müssen wir darüber nachdenken, wie wir zu einem offenerem Umgang mit dem Thema kommen", sagte DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus der Deutschen Presse-Agentur dpa.

VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky sagte am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur, die Vereine als Arbeitgeber müssten den Spielern zur Seite stehen und Angebote schaffen. Er lobte Klubs wie Bayern München und den VfL Bochum, die bereits Psychologen beschäftigten. "Es gibt schon gute Beispiele von Klubs (...), die sich öffnen für so eine Thematik. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn weitere Maßnahmen folgen würden - wie auch immer dann geartet."

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