Mustafi in der Nationalmannschaft:Shkodran wer?

Lesezeit: 3 min

Keine Berührungsägste: Sampdorias Shkodran Mustafi (li.) gegen Mailands Giampaolo Pazzini (Foto: dpa)

Für das Testspiel gegen Chile befördert Bundestrainer Joachim Löw den in Deutschland weitgehend unbekannten Shkodran Mustafi in die Nationalmannschaft. Dabei kommandiert der 21-Jährige in der Serie A immerhin die Defensive von Sampdoria Genua.

Von Johannes Knuth

Zu der Sache mit dem Marktwert wollte Shkodran Mustafi nichts sagen. Italienische Reporter hatten dem 21-Jährigen zuletzt vorgerechnet, der habe sich in den vergangenen Monaten vervielfacht, laut transfermarkt.de von einst 600.000 auf zwei Millionen Euro. Mustafi, mittlerweile ein Stammgast in der Aufstellung von Sampdoria Genua, entgegnete höflich: "Mit diesen Dingen beschäftigte ich mich nicht". Doch völlig unrealistisch dürften die Hochrechnungen nicht gewesen sein.

Vor allem jetzt seit der Sache mit der Nationalmannschaft.

Als Bundestrainer Joachim Löw am Freitagmittag seine Auserwählten für das Testspiel gegen Chile verkündete, waren ein paar neue Namen zu vernehmen: André Hahn, Matthias Ginter, Pierre-Michel Lasogga. Und dann war da Shkodran Mustafi.

DFB-Aufgebot
:Löw wechselt in den Kampfmodus

Bundestrainer Joachim Löw überrascht mit seinem Aufgebot für das Länderspiel gegen Chile - und lässt ein paar strategische Weichenstellungen erahnen: Seinen Samtfüßen stellt er Rackerer an die Seite. Wenige Monate vor der Fußball-WM kombiniert er Schonung und Warnung.

Von Christof Kneer

Shkodran wer?

Shkodran Mustafi, 21, Innenverteidiger, war in Deutschland bisher nur den sogenannten "Brancheninsidern" bekannt. Dabei hat sich Mustafi seit Saisonbeginn zu einem sogenannten Leistungsträger beim Serie-A-Klub Sampdoria entwickelt. Er spielt zudem konstant, ist nicht verletzt - und erfüllt damit alle Anforderungen, die eine erlesene Auswahl von Löws sogenannten Stammkräften zuletzt nicht nachweisen konnte. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, an Alternativen für den Ernstfall zu arbeiten", sagte Löw am Freitag. "Ein sehr, sehr schönes Gefühl, das hätte ich nicht erwartet", sagte der 21-Jährige.

Es hatte eine Weile lang nicht so prächtig ausgesehen, mit Mustafi und der A-Nationalmannschaft.

Mustafi, geboren in Bad Hersfeld, ist 14, als er vom SV Rotenburg ins Jugendinternat des Hamburger SV wechselt. Dort schulen sie ihn um, vom Stürmer zum Verteidiger. Mustafi spielt in der B-Jugend, A-Jugend, Martin Jol lässt ihn ein paar Mal bei den Profis mittrainieren. Mustafi, dessen Eltern aus Albanien stammen, kann sich aussuchen, für welche Jugend-Nationalmannschaft er aufläuft. Er entscheidet sich für Deutschland, der besseren Perspektive wegen.

Im Mai 2009 wird Deutschland U-17-Europameister, 2:1 gewinnen die Nachwuchskicker das Endspiel gegen die Niederlande. Im Tor spielt ein gewisser Marc-André ter Stegen, im Mittelfeld Mario Götze, in der Abwehr Shkodran Mustafi. Neben dem Stadion in Magdeburg haben sie ein Zelt nur für Späher aus ganz Europa aufgebaut. Kurz nach dem Turnier verkündet Mustafi, dass er zum FC Everton wechseln wird, er sagt damals gegenüber spox.com: "Ich will noch etwas erreichen. Und dazu bietet England derzeit die besten Voraussetzungen. Ich werde solange kämpfen und alles geben, bis ich irgendwann in der ersten Liga spiele."

15 Minuten Europa League

Aber Mustafi spielt nicht in der ersten Liga. Er braucht eine Weile, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, die Sprache, die Kultur, das Spielsystem, an den Konkurrenzkampf. Im Dezember 2009 wechselt ihn Evertons damaliger Trainer David Moyes für 15 Minuten ein - im letzten Gruppenspiel der Europaleague gegen Bate Borisow, Everton ist längst für die K.o.-Runde qualifiziert. 2012 wechselt Mustafi in die Serie B zu Sampdoria Genua, ablösefrei. Mittlerweile sagt er über die Zeit: "Mir persönlich hat es geholfen, weil man schneller erwachsen wird".

Die Fortschritte seines Reifeprozesses werden aber erst in Genua sichtbar. Sampdoria steigt mit Mustafi in die Serie A auf. Dort hat der 21-Jährige seit Saisonbeginn in der Liga und im Pokal 23 Spiele bestritten, fast alle von Beginn an. Mustafi, 1,84 Meter groß, 82 Kilo schwer, gewinnt die meisten Kopfballduelle in der Innenverteidigung, er antizipiert gut, fängt viele Bälle ab.

Vor allem erteilt Mustafi immer häufiger Kommandos, zuletzt vor einer Woche beim 0:2 gegen den AC Mailand: "Wenn es etwas zu sagen gibt, sage ich es - ob an einen jungen Spieler oder an einen erfahreneren als ich", so Mustafi, "ich war schon oft Kapitän der Jugend-Nationalmannschaften, das hat mir geholfen, die Führung zu übernehmen." Horst Hrubresch, sein Trainer in der U21-Auswahl, bestätigte zuletzt im kicker: "Er ist eine echte Persönlichkeit und sehr reif für sein Alter." Das ist auch Löw nicht verborgen geblieben.

Spätestens seit Freitag dürften seine Qualitäten auch ein breiteres Publikum interessieren, Bundesliga-Späher inklusive. Allerdings läuft der Vertrag des 21-Jährigen in Genua bis 2016. Mustafi sagte zuletzt: "Ich bin hier sehr glücklich."

© SZ.de/jkn/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: