Münchner Derby in der Regionalliga:Schluss mit Bratwurststand-Gemütlichkeit

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Blau gegen Rot im Grünwalder Stadion: 1860-Spieler Sebastian Hertner gegen Bayerns Vladimir Rankovic im Hinspiel. (Foto: Claus Schunk)

Tabellenführer zu Gast beim Dritten: Wenn der TSV 1860 II und der FC Bayern II am Mittwochabend bei Flutlicht aufeinandertreffen, wird nicht zu spüren sein, dass dieses Spiel in der Regionalliga stattfindet. Erwartet werden bundesligataugliche Fanchoreografien - und ein neuer Zuschauerrekord.

Von Christoph Leischwitz

An diesem Mittwochabend werden einige Spieler glauben, sie seien schon angekommen im Profifußball: Anpfiff 20.15 Uhr, Flutlicht, mehr als 10.000 Zuschauer im Grünwalder Stadion - so eine Partie ist schon was anderes, als etwa zum TSV Rain/Lech reisen zu müssen. Das Spiel 1860 II gegen FC Bayern II hat nichts mehr zu tun mit der Bratwurststand-Gemütlichkeit, die sonst in der Regionalliga Bayern herrscht.

Von der Stimmung her sowieso nicht. Es wird bundesligataugliche Choreografien und Gesänge geben aus Fanblöcken, die anders als im Hinspiel im August (2:0 für den FC Bayern) diesmal hoffentlich friedlich das Spiel verfolgen.

Auch sportlich rangiert diese Partie im Grunde genommen in einer anderen Liga. Oft ging es an den ersten 20 Spieltagen nur noch darum, wie hoch die Juniorenteams der Profiklubs gewinnen würden, bei den Bayern noch mehr als bei den Sechzigern. Jeder Ausrutscher wurde als Riesenüberraschung gefeiert und als verzweifelter Versuch genutzt, dieser Liga noch so etwas wie Spannung zuzusprechen.

Der FC Bayern führt die Tabelle seit dem ersten Spieltag an, die Sechziger sind Dritte, die insgesamt sechs Lizenz-Mannschaften stehen allesamt unter den ersten acht der Tabelle. Mithalten können nur noch der FV Illertissen (Rang zwei) und mit Abstrichen der TSV Buchbach (Rang sechs), der es sich offensichtlich leisten kann, immer wieder die besten Spieler der anderen Amateurklubs abzuwerben.

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Auch wenn es im Klub kaum einer ausspricht: Fußball-Zweitligist TSV 1860 befindet sich nach der 1:3-Niederlage gegen Dresden im Abstiegskampf. Die Zuschauer wirken teilnahmslos. Und der Präsident muss sich fragen, ob er zur Demotivation des Teams beigetragen hat.

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Ein Grund für die Überlegenheit der Nachwuchsmannschaften liegt auf der Hand: Sieben Mal die Woche Training anstatt nur drei oder vier Mal, das macht sich umso bemerkbarer, je länger die Saison dauert. Noch dazu wenn man dabei Trainer hat, die für ihre Mannschaft Vollzeit arbeiten. Doch in der vergangenen Saison waren die Unterschiede noch nicht so deutlich geworden, da spielte zum Beispiel der FC Augsburg II am Ende in der Abstiegsrelegation, Greuther Fürth II und Ingolstadt II lagen irgendwo im Mittelfeld. Da verliefen Spiele oft noch spannend.

Am Beispiel von Marius Duhnke lässt sich gut verfolgen, was in der Zwischenzeit passiert ist. In der vergangenen Spielzeit, der Premieren-Saison der Regionalliga Bayern, spielte der 20-Jährige noch für den FC Bayern II. In der Hinrunde erzielte er in neun Spielen ein Tor, in der Rückrunde in 17 Spielen schon 14 Treffer. Auf die Frage, wie es zu dieser Leistungssteigerung kam, sagte er damals: "Ich habe mich eben an den Männerfußball gewöhnt."

Dabei verlängerte der FC Bayern im Anschluss mit Duhnke den Vertrag nicht einmal. Beim Rekordmeister werden anderen Spielern deutlich bessere Perspektiven eingeräumt. Duhnke hat dennoch seine Entwicklung genommen, er spielt jetzt in der dritten Liga für die SpVgg Unterhaching.

"Die jungen Spieler lernen sehr viel sehr schnell", erklärt Augsburgs Trainer Dieter Märkle. Die Regionalliga ist für den Nachwuchs der Profiklubs nichts anderes als eine Überholspur ohne Tempolimit. Fürths Trainer Ludwig Preis sieht das ähnlich: "Sie wissen jetzt eben, was sie erwartet, wenn sie etwa nach Buchbach fahren, das war vergangene Saison noch nicht so." Da verlor Fürth II noch mit 1:3 bei den Oberbayern, diesmal gewannen sie 5:2.

"Wir haben jetzt eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz", sagt Nachwuchskoordinator Michael Tarnat vom FC Bayern. Er meint damit aber gar nicht die Spieler, sondern deren Selbstvertrauen. Der FC Bayern II gilt als Bester der Besten und trotz einer unvorhersehbaren Zulosung in der Relegation als klarer Aufstiegsfavorit, ohne dass er sich namhaft verstärkt hätte. Das wirft auch ein Problem auf: Die meisten gut ausgebildeten Spieler sind nächste Saison nicht mehr verfügbar, weil ihre Verträge auslaufen und sie in die Profiligen streben.

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"Die Gefahr ist groß, die vertragliche Situation ist eben so", bestätigt Tarnat. Der FC Bayern würde dann in der dritten Liga vor allem mit Spielern aus der eigenen Jugend antreten, die noch keine Erfahrung in der Regionalliga gesammelt haben. Doch Tarnat hat Hoffnung, einige aus der aktuellen Mannschaft halten zu können: "Ich glaube, die dritte Liga könnte für einige ein Anreiz sein, noch einmal zu verlängern."

Aktuell ist das Münchner Derby ein seltener Gradmesser. Schon das Hinspiel sei "sehr intensiv" gewesen, sagt Tarnat, nicht nur auf den Rängen. Man habe da bereits einen Leistungssprung zur vergangenen Saison erkennen können. Auch Sechzigs Trainer Torsten Fröhling will am Mittwoch sehen, "wie weit sich meine Mannschaft entwickelt hat in den vergangenen Monaten" - bei vielen anderen Spielen scheint ihm das gar nicht mehr möglich zu sein. Seine Mannschaft ist im Schnitt noch jünger als jene des FC Bayern, Stammspieler wie Mike Ott und Julian Weigl sind gerade 18.

Angesichts elf Punkte Vorsprung der Roten auf die Blauen ist das Derby vielleicht schon die letzte Chance, noch einmal Spannung in die Liga zu bekommen. Für die Fans jedenfalls hat das Spiel einen zusätzlichen Anreiz: Sollten die Bayern aufsteigen, wäre es wohl für lange Zeit das letzte Aufeinandertreffen der beiden Klubs.

© SZ vom 06.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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