Motorsport:Ende der Unabhängigkeit in der Formel 1

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Sauber-Pilot Felipe Nasr steuert seinen Boliden über die Rennstrecke in Silverstone. (Foto: Getty Images)

Die Schweizer Investment-Gesellschaft Longbow übernimmt das Team Sauber - der Verkauf steht für eine Zeitwende in der höchsten Motorsportklasse.

Von Elmar Brümmer, Zürich

Jetzt ist es nur noch einer. Der Brite Frank Williams, 74, ist der letzte Rennstallbesitzer in der Formel 1, der noch auf eigenen Namen und eigene Rechnung fährt. Denn vor dem Ungarn-Grand-Prix, der an diesem Sonntag in Budapest ausgefahren wird, hat der Schweizer Peter Sauber, mit 72 Jahren in etwa die gleiche Altersklasse wie Williams, sein Team an die Investment-Gesellschaft Longbow Finance S.A. verkauft. Außerdem trat er als Verwaltungsratspräsident des Rennstalls zurück.

Longbow Finance S.A. ist eine Schweizer Finanzgesellschaft. Hinter ihr stehen die Besitzer von TetraPak, die einen schwedischen Rennfahrer zum Champ machen wollen und mit dem aktuellen Sauber-Fahrer Marcus Ericsson in Verbindung gebracht werden.

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Die Holding von Tetra Pak ist auch in der französischen Schweiz ansässig. Longbow Finance plant, den Namen Sauber weiter zu benutzen. Im Grand-Prix-Geschäft steht er seit fast einem Vierteljahrhundert schließlich für etwas. Die neuen Eigentümer, das wurde an diesem Mittwoch bekannt gegeben, haben alle Anteile der Sauber-Holdinggesellschaft übernommen. Sie bekräftigten aber umgehend, dass es keine Änderung des Teamnamens geben wird. Peter Sauber wird an der Spitze des Verwaltungsrates von seinem Landsmann Pascal Picci abgelöst. Dieser bekennt sich zur Swissness - was über den Erhalt von mehr als 300 Arbeitsplätzen in Hinwil bei Zürich hinaus ein Faktor ist: "Als Schweizer Unternehmen sind wir sehr erfreut, die Zukunft einer Schweizer Firma in einer hoch spezialisierten und innovativen Industrie zu sichern", ließ Picci erklären.

Seit BMW Ende 2009 die Formel 1 überstürzt und ohne Titelgewinn verließ, stand Peter Sauber in der Haftung - obwohl er zuvor sein Lebenswerk an den Münchner Automobilhersteller verkauft hatte. Als "Schweizer des Jahres 2005" war es für ihn eine Frage des Stolzes, den vor allem durch seinen High-Tech-Windkanal geprägten Formel-1-Betrieb zu sichern, der in der von Briten regierten Motorsportwelt lange exotisch anmutete. Aber durch die Ablöse, die laufenden Verpflichtungen und die mangelnden Ressourcen geriet das Team nach Saubers Rückkauf in eine Abwärtsspirale. Vor drei Jahren kam erstmals der Gerichtsvollzieher, anschließend mussten Bezahlfahrer mit ihren Sponsoren für den nötigen Unterhalt sorgen. Es konnten aber trotz hoher Effizienz und verzweifeltem Kampf immer nur Löcher gestopft werden, verlorene Prozesse verhinderten im Vorjahr fast den Saisonstart, in diesem Frühjahr konnten die Gehälter nur mit Verzögerung bezahlt werden. Saubers Image litt, was den Firmengründer tief traf: Er machte sich sehr rar mit öffentlichen oder internen Auftritten.

Verkaufsgerüchte gab es schon länger. An jeden aber wollte Peter Sauber eben auch nicht verkaufen. Manche Investoren aus dem Nahen Osten oder aus Russland entpuppten sich zudem als Luftnummern.

Angesichts der Probleme geriet Monisha Kaltenborn, die erste Teamchefin überhaupt in der Formel 1, immer mehr in die Kritik. Ihr gehörten zuletzt 30 Prozent von Sauber, auch diese gehen an die neue Holding über. Die Österreicherin aber soll weiterhin das Team führen, und nach dem Willen der Investoren zur Stabilisierung des Unternehmens beitragen und eine wettbewerbsfähige Basis schaffen. Sie freue sich auf eine "spannende Zukunft", nachdem mit dem Verkauf die beste Lösung für alle Beteiligten erreicht worden sei, wird Kaltenborn in einer Mitteilung zitiert. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Eigentümer auch die Verbindlichkeiten der Renn-Firma übernehmen, die in einem höheren zweistelligen Millionenbereich angesiedelt sein sollen.

In dieser Saison hat Sauber als einziges der elf Formel-1-Teams noch keinen Punkt gewonnen. Mit dem Ende der Finanzkrise soll es nun auch sportlich aufwärts gehen. Allerdings muss zunächst in die Infrastruktur und in das Personal investiert werden, zuletzt konnte man mangels Weiterentwicklung nicht mal an den Testfahrten teilnehmen. "Wir sind den neuen Besitzern sehr dankbar, dass sie an die Kompetenzen, die Fähigkeiten und die Effizienz von Sauber glauben und uns diese Chance geben", teilte Monisha Kaltenborn, 45, mit.

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Der Brite solle sich über seinen zehnten Platz in Baku wahnsinnig aufgeregt haben. Kevin Durant verstärkt den Vize-Meister. Dirk Nowitzki beendet Karriere in Dallas.

Die Unabhängigkeit wird in der von den Konzern-Rennställen regierten Formel 1 damit zu einem seltenen Gut. Aber Sturheit hätte sich im Überlebenskampf nicht ausgezahlt, vermutlich hätte der Rennstall die Saison nicht einmal zu Ende fahren können. Die Finanzinvestoren sehen offenbar mehr Chance als Risiko in ihrem Engagement. So wie es einst auch Peter Sauber getan hatte: "Ich bin sehr glücklich, dass sich meine mutige Investition mit dem Rückkauf des Teams vor sechs Jahren schlussendlich als richtig erwiesen hat."

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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