Moto 2:Trauriges Ende einer Ära

Lesezeit: 4 min

Mit der Verdrängung von Kiefer Racing aus der Moto 2 verlässt auch Lukas Tulovic die Weltmeisterschaft. (Foto: Eibner/imago)
  • Mit dem Ausschluss von Kiefer Racing verliert ein Traditionsteam seinen Platz in der Moto-2-WM.
  • Seit 2003 war das Team dort vertreten und bekannt für seine erfolgreiche Nachwuchsarbeit - und die letzten großen deutschen Erfolge.
  • Jetzt will die Rennleitung in der unbekannten, aber straßenähnlichen Supersport-Klasse antreten.

Von Thomas Gröbner

Am Ende war es umsonst gewesen. Der Aufschrei, die Plakate und Banner mit "Safe Kiefer Racing", die T-Shirts, die der Fahrer Lukas Tulovic entworfen hat. "Rettet Kiefer, unser deutsches Motorsport-Erbe", stand darauf. "Es hat gut getan", sagt Jochen Kiefer. "Aber es war mir klar, dass das nichts bringen wird."

Der Rechteinhaber Dorna hat sich nicht erweichen lassen, der Rauswurf des Teams aus der WM blieb bestehen. Und so hat am vorvergangenen Wochenende der traditionsreichste deutsche Motorrad-Rennstall Abschied nehmen müssen. Nicht einmal das Vorhaben, im letzten Rennen nicht Letzter zu werden, ist aufgegangen. Auf dem Circuit Ricardo Tormo in Valencia musste der 19-jährige Tulovic sein Motorrad mit einem Defekt abstellen. Es war ein trauriges Ende einer Ära. Was bleibt: die Frage, wer das Erbe antritt und wer die Lücke füllt, die der Rennstall hinterlässt.

MotoGP
:Der Doktor wird stiller

Der neunmalige Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi hat das schlechteste Halbjahr seiner mehr als 20 Jahre langen Karriere hinter sich. Inzwischen spricht er sogar leise übers Aufhören.

Von David Wiederkehr

Der Name Kiefer steht im Motorradsport für gute Nachwuchsarbeit - und auch für die letzten großen deutschen Erfolge. Seit 2003 waren die Brüder Jochen und Stefan mit ihrem Team in der WM, mit Stefan Bradl gewann der Rennstall 2011 die Moto2-WM, 2015 die Moto3 mit Fahrer Danny Kent. Doch zuletzt trafen Jochen Kiefer harte Schicksalsschläge. 2017 wurde sein Bruder und Teamchef Stefan beim Grand Prix in Malaysia in seinem Hotelzimmer tot aufgefunden; eine Obduktion ergab als Ursache einen Herzinfarkt.

"Dankbarkeit gibt es nicht"

Jochen Kiefer muss seitdem alleine weitermachen; er, der sich immer als Techniker und Schrauber gesehen hat, und den Bruder die Geschäfte führen ließ. "Stefan wusste, wo er hingehen muss und mit wem er zu reden hat." Dieses Wissen fehle ihm noch, sagte Kiefer vor wenigen Wochen. Und es ist möglich, dass auch das dazu beigetragen haben mag, dass plötzlich kein Platz mehr war für den Rennstall. Denn im August hatte die Dorna plötzlich Redebedarf, lud ihn zu einem Gespräch vor - und eröffnete ihm das WM-Aus. "Dankbarkeit gibt es nicht", sagte Kiefer danach. "Aber auch die Leute von der Dorna hatten Tränen in den Augen."

Es ist die alte Geschichte von der Macht des Geldes im Motorsport, die wohl hinter dem Aus von Kiefer steht. Womöglich haben große Konzerne Druck gemacht und viel Geld ins Spiel gebracht, um weitere Startplätze in der Moto2 zu bekommen. "Die Teams, die den kleinsten Widerstand haben, sind die Privatteams - und deshalb mussten wir über die Klinge springen", klagt Kiefer. Die Dorna begründete ihre Entscheidung, Kiefer und das italienische Tasca-Team auszuschließen, vordergründig mit der geplanten Verkleinerung des Starterfeldes, um Kosten zu sparen. Doch die Startplätze wurden nun dem italienischen Team Gresini und dem vom staatlichen malaysischen Ölkonzern alimentierten Team Petronas zugeschlagen. Nur weil sich der Hersteller KTM überraschend zurückzog, wurde das Fahrerlager tatsächlich ausgedünnt.

Kurz hatte Jochen Kiefer überlegt, alles hinzuwerfen. Trost und Halt gab ihm seine Frau, die nach dem Tod seines Bruders im Rennstall einstieg. "Wir haben uns entschlossen, diesen Weg weiter zu gehen."

Der Weg führt nun in die kaum beachtete Supersport-Klasse, eine Weltmeisterschaft mit seriennahen Motorrädern; ähnlich den Maschinen, die auch auf deutschen Straßen unterwegs sind. Noch fehlt die offizielle Zusage der Dorna, doch Kiefer steht schon in Verhandlungen mit heimischen Fahrern, zuletzt wurde Jonas Folger als Kandidat gehandelt. Doch Folger startet nun in der deutschen Meisterschaft IDM, der zweite Platz bei Kiefer neben Lukas Tulovic bleibt im Augenblick noch vakant. "Wir müssen jetzt ein bisschen Pionierarbeit leisten. Wir wollen mit deutschen Fahrern starten, und vielleicht können wir für einen kleinen Ruck sorgen", sagt Kiefer.

Die Motorrad-Begeisterung in Deutschland könnte einen Schub gut gebrauchen. Die Euphorie, die der Tüftler Toni Mang einst hierzulande für den Motorradsport entfachte, wurde spätestens mit dem Aufstieg von Michael Schumacher abgelöst. Die Deutschen strömten danach lieber zu den Rennen in der Formel 1 und die TV-Kameras folgten. Als sich Michael Schumacher nach seinem Rücktritt bei Ferrari und vor seinem Comeback bei Mercedes auf zwei Rädern versuchte, da war der Motorradsport wieder in den Schlagzeilen ( Bild: "Motorrad-Schumi im PS-Rausch").

Auch die Konzerne wissen, dass Deutschland ein wichtiger Markt im Motorradsegment ist

Ein deutscher Fahrer mit Chancen auf einen Sieg in der MotoGP, der Königsklasse der Motorräder, könnte den Sport hierzulande wieder näherbringen ans Rampenlicht. Das dürfte auch im Sinne der großen Konzerne sein, schließlich gilt Deutschland als wichtiger Markt im Motorradsegment. Zuletzt hatte man die Hoffnungen auf Stefan Bradl gesetzt - nach dem WM-Titel mit Kiefer. Doch das Versprechen konnte er nicht ganz einlösen, Bradl, 29, ist inzwischen Testfahrer für Honda.

Mit Kiefer verlassen auch die Piloten Lukas Tulovic, Philipp Öttl, 23, und Jonas Folger, 26, die Weltmeisterschaft. Nur noch Marcel Schrötter, 26, wird übrig bleiben, beim deutschen Intact-Team in der Moto2, das mit dem Schweizer Tom Lüthi ein gutes Jahr hatte und nur knapp den Sieg in der Team-Wertung verpasste. Prüstel, das deutsche Team in der Moto3, geht auch im nächsten Jahr ohne einheimische Piloten an den Start.

"Eine Katastrophe" ist für den letzten deutschen Weltmeister Sandro Cortese die Situation. Er gewann 2012 den Titel in der Moto3 und hofft im Moment, noch in der Superbike-Serie unterzukommen. Für ihn tragen die Verbände die Schuld am fehlenden Nachwuchs: "Man hat in vielen Belangen versagt." Ohne vielversprechende deutsche Piloten haben es die heimischen Teams schwerer, Sponsoren aufzutreiben. Und die wenigen Plätze im Starterfeld lassen sich die Rennställe oft mit einer teuren Mitgift bezahlen. Zwischen 300 000 Euro und einer halben Million müsse ein deutscher Nachwuchsfahrer mitbringen, um in einem spanischen Team unterzukommen, rechnet Kiefer vor. "Ich wüsste keinen, der sich das in Deutschland leisten könnte." Bei ihm haben die Fahrer 100 000 Euro mitgebracht, erzählt Kiefer.

Für einen kurzen Moment durfte sich Stefan Bradl Hoffnungen machen auf einen Platz in der MotoGP im Honda-Team neben dem dominierenden Weltmeister Marc Marquez, als sein Nebenmann Jorge Lorenzo gerade entnervt seine Karriere beendete. Doch an die Seite von Marc Marquez wird in der nächsten Saison sein Bruder Alex treten, der gerade die Moto2-WM gewonnen hat. "Es wird schwierig, neue Talente in die MotoGP zu bringen", sagt Kiefer. "Ich sehe da in den nächsten fünf Jahren keinen Deutschen, der das schaffen könnte."

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Motorrad-Sport
:Fahrer greift Gegner bei Tempo 200 in die Bremse

Romano Fenati wurde daraufhin von seinem Team rausgeschmissen. Der 22-Jährige habe "das Leben eines anderen Fahrers riskiert."

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: