MotoGP:Der Doktor wird stiller

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Der italienische Fahrer Valentino Rossi vom Rennstall Yamaha beim Qualifying für das MotoGP von Tschechien in Brünn. (Foto: Michal Cizek/AFP)

Der neunmalige Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi hat das schlechteste Halbjahr seiner mehr als 20 Jahre langen Karriere hinter sich. Inzwischen spricht er sogar leise übers Aufhören.

Von David Wiederkehr

Oft passiert es ja nicht, dass der Doktor sprachlos wird. Meistens ist er schließlich zu Scherzen aufgelegt und fast immer gut gelaunt. Zumindest wirkt Valentino Rossi so, nach außen.

Doch der Doktor befindet sich gerade in einer sportlichen Krise - und die schlägt ihm auch aufs Gemüt. Rossi wird stiller. Und ratloser. Nachdem er Anfang Juli beim letzten GP auf dem Sachsenring wieder nur Achter wurde und klar war, dass er mit lediglich 80 Punkten in die Sommerpause gehen würde, so wie letztmals 1996, in seinem ersten Jahr als WM-Fahrer, da fragte er ungläubig zurück: "Ich bin noch schlechter als damals bei Ducati? Ernsthaft? Mir fehlen die Worte."

Ja, ernsthaft: So erfolglos wie derzeit war der 40-Jährige bestenfalls zu Beginn seiner Karriere, noch vor seinen neun WM-Titeln. Und ja: Der letzte all dieser Titel mag inzwischen ein Jahrzehnt zurückliegen, trotzdem war der Italiener auch in den zehn Jahren danach eine prägende Figur und immer wieder für Podestplätze (70) und auch Siege (12) gut. Und bei den Fans populärer als alle Konkurrenten zusammen. Die Motorrad-WM ohne Rossi? Undenkbar.

Was Rossi besonders zu denken gibt: Auf einmal ist selbst seine Yamaha chancenlos. 2011 und 2012 hatte er es auf der Ducati versucht und so die Sehnsüchte der Motorradfans in der Heimat gestillt. Zumindest vermeintlich: Der italienische Ausnahmekönner auf der italienischen Marke. Stattdessen wurde sein Wechsel zum Debakel. Die Ducati war nicht konkurrenzfähig, und nicht einmal Rossi konnte das ausbügeln.

Sturz, Sturz, Sturz - das gab es bei Rossi zuvor noch nie

Seit 2013 sitzt er aber wieder auf der Yamaha, seiner Yamaha YZR-M1, mit der er vier seiner sieben MotoGP-Titel gewonnen hat. Doch die Yamaha ist lange nicht mehr so zuverlässig wie früher und Rossi begeht mittlerweile Fehler, wie man sie nicht von ihm gewohnt ist. Im Juni etwa schied er gleich bei allen drei Rennen aus, in Assen, in Katalonien und - besonders frustrierend - bei seinem Heimrennen in Mugello. Noch so eine bittere Premiere in seiner Karriere: Nie zuvor war er drei Rennen in Folge ohne WM-Punkte geblieben.

Immerhin mit acht Zählern ging er vom Sachsenring in die Sommerpause, doch wenn an diesem Sonntag auf der Traditionsstrecke von Brünn die WM weitergeht, stehen Rossi und Yamaha unter Erfolgsdruck. "Wenn wir die Probleme nicht endlich lösen, werden wir bald sehr große Schwierigkeiten haben", sagte Rossi der Gazzetta dello Sport. "Früher oder später werden wir sagen müssen, dass es genug ist." Der Satz ließ aufhorchen.

Anfang 2018 hat Rossi seinen Vertrag beim japanischen Rennstall nochmals verlängert, um zwei Jahre bis Ende 2020. Und sowohl er als auch Teamchef Lin Jarvis wurden bislang nicht müde zu betonen, dass dies nicht der letzte Vertrag gewesen sein muss. Aber inzwischen ist Rossi 40, und inzwischen erwähnt er dieses Alter in Interviews sogar selbst. Trotzdem blockt Yamaha Fragen zum möglichen Karriereende konsequent ab. Kontrollieren seine Presseverantwortlichen die Fragerunde - im Rahmen von Sponsorenterminen im eigenen Teambereich beispielsweise -, wird das Thema gleich ganz verboten.

Was, wenn Marquez 2020 zu ihm aufgeschlossen hat?

Für einen Sportler mit dem Heldenstatus eines Valentino Rossi ist die Frage nach dem perfekten Karriereende besonders schwierig. Was, wenn er Ende 2020 zurücktritt, und ihm sein letzter Sieg noch immer im Juni 2017 gelang? Und gleichzeitig der Spanier Marc Marquez selbst zum neunten Mal Weltmeister wird? Wo steht Rossi dann im Vergleich mit dem erst 26-jährigen Katalanen? Ist er tatsächlich noch der "GOAT", wie die Amerikaner den in ihrer Sportart jeweils größten aller Zeiten nennen.

Es ist nicht anzunehmen, dass Rossi derzeit groß darüber nachdenkt. Als Rennfahrer lebt er in der Gegenwart, nimmt Training für Training und Rennen für Rennen. "Und wenn ich die Daten analysiere", sagt Rossi, "sehe ich klar, dass ich immer noch schnell sein kann." Nur ist er selbst Realist genug, um zu ahnen, dass ihm das für die 2019er-WM kaum noch etwas bringt. Vor dem Brünn-GP sagt er deshalb: "Für uns läuft jetzt schon die Vorbereitung für 2020."

© SZ vom 04.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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