MotoGP:Höchststrafe für den Motor-Quäler

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Heißt mit Vornamen wie eine taktische Luft-Boden-Rakete und ist auch als Motorradfahrer nicht ganz ungefährlich: der Spanier Maverick Vinales, 26. (Foto: Yamaha Press Office/imago images/Insidefoto)

Er hat versucht, den Motor seiner Maschine zu schrotten, nun muss Motorradpilot Maverick Vinales gehen: Yamaha löst während der Saison den Vertrag mit dem 26-jährigen Spanier auf. Es ist eine riskante Entscheidung.

Von Philipp Schneider, Spielberg/München

So ein Motorrad in der MotoGP ist kein Tennisschläger, damit geht es schon mal los. Jedes Bike ist ein Prototyp, handgefertigt, die Motoren werden individuell angepasst. Für die Herstellung der Krafträder werden sündteure Materialien verwendet, die meisten Teile bestehen aus Magnesium, Titan oder Kohlefaser. Die Stückkosten eines der 360 km/h schnellen Flitzer belaufen sich auf mehr als eine Million US-Dollar, allein die des Motors auf einen mittleren sechsstelligen Betrag. Insofern lässt sich den Verantwortlichen von Yamaha nicht vorwerfen, sie hätten eine sogenannte Milchmädchenrechnung vollzogen, bevor sie am Freitag bekanntgaben, den eigentlich bis zum Saisonende gültigen Vertrag mit dem Piloten Maverick Vinales mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Der 26-jährige Spanier, dem seine Eltern in weiser Vorahnung jenen handfesten Vornamen verpassten, den selbst der von Tom Cruise in Top Gun verkörperte aufbrausende Kampfpilot Pete "Maverick" Mitchell nur als Spitzname trägt, hat am vorvergangenen Renn-Wochenende versucht, seinen Motor zu schrotten. Einfach so. Aus Verzweiflung. Mit Vorsatz.

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"Ich hatte eine Frustration in mir, eine innere Explosion, die ich nicht richtig handhaben konnte", hatte Vinales zwar noch unter der Woche als Entschuldigung vorgetragen. In der Hoffnung, seinen Fall mit einer vorübergehenden Suspendierung in die Garage schieben zu können. Aber da hatte er die Gnadenlosigkeit von Yamaha-Projektleiter Takahiro Sumi unterschätzt. Wenn einer dem Material nicht den nötigen Respekt entgegenbringt, dann hört aus Sicht des Japaners der Spaß auf. Und so endet nun die Zusammenarbeit zwischen Vinales und dem Rennstall mit einem Knall. Nachdem er im japanischen Werksteam vier Saisons an der Seite des neunmaligen Weltmeisters Valentino Rossi gefahren war, wurde er seit diesem Jahr von dessen Nachfolger düpiert: Fabio Quartararo ist 22, also vier Jahre jünger als Vinales. Der Franzose führt nach elf Rennen die WM-Wertung an, Vinales ist auf dem gleichen Motorrad Siebter. In viereinhalb Jahren im Yamaha-Werksteam gelangen Vinales acht GP-Siege. Quartararo hingegen bei Yamaha sieben in zwölf Monaten. Deshalb die innere Explosion?

Er donnerte im fünften anstatt im sechsten Gang über die Gerade

Ein Motorrad ist kein Tennisschläger, es hüpft nicht auf und ab oder verbiegt sich, wenn ihm Leid zugefügt wird. Auch verbirgt der Helm jede Emotion. Im Falle von Vinales war es also die On-Board-Kamera, die ihn überführte.

Nach einem Rennabbruch wegen eines Feuerunfalls war Vinales beim Großen Preis der Steiermark in die Box gefahren. Das Team wechselte die Kupplung, offenbar gegen seinen Willen, in der Aufstellung vor dem Neustart starb dem Piloten dann der Motor ab. Vinales musste schieben, aus der Boxengasse starten und dem Feld hinterher hecheln. Bis zur letzten Runde. Da zeigte die On-Board-Kamera, wie er am Gas drehte und fing akustisch ein, wie er die Drehzahl seines Motors mehrfach in eine ungesunde Höhe trieb. Im Stile eines amerikanischen Austauschstudenten, der nur Automatik gewohnt ist, kreiste Vinales mit einem jaulenden Gefährt durch die Steiermark, donnerte im fünften anstatt im sechsten Gang über die Gerade, ehe er noch vor dem Ziel ausrollte in der Boxengasse und dort seinen Motor noch einmal so richtig aufheulen ließ.

Der Eklat hat eine Vorgeschichte

Ob er damit, wie nun hier und da zu hören ist, wirklich einen Motorplatzer riskierte, der einen Ölaustritt zur Folge hätte haben können, der seine Rivalen auf der Rennbahn gefährdet hätte, das sei mal dahingestellt. Für einen solchen Fall ist im Motor ein Drehzahlbegrenzer verbaut, der nicht ohne Grund so heißt. Valentino Rossi, sein ehemaliger Teamkollege, sagte: "Es ist natürlich eine schlechte Sache, die man nicht tun sollte, aber es wirkte jetzt nicht so extrem." Im ersten Ärger verhängte Yamaha nur eine Suspendierung, aber dann dämmerte den Verantwortlichen wohl, dass Vinales' Verhalten ohne drakonische Strafe auch in Anbetracht seines Salärs in Höhe von 6,5 Millionen Euro einen Gesichtsverlust für die Japaner bedeutet hätte, der nicht hinnehmbar gewesen wäre.

Yamaha riskiert viel mit der Entscheidung. Erstmals seit 2015 kann der Rennstall die Triple-Crown gewinnen, also die Pokale für Fahrer, Hersteller und Team sammeln. Es wird kaum möglich sein, einen ähnlich routinierten Ersatz für Vinales zu finden. Doch der Eklat hatte eine Vorgeschichte: Nachdem Vinales im Juni bekanntgegeben hatte, den Rennstall ein Jahr vor Vertragsablauf zu verlassen, klagte er über fehlende Unterstützung und Respektlosigkeit. Den Saison-Auftakt in Katar hatte er noch gewonnen, zwischendurch heiratete er und wurde Vater, dann trödelte als Letzter auf dem Sachsenring und in Spielberg herum, ehe er verkündete, in der kommenden Saison für Aprilia zu starten. "Maverick geht, weil ihm Yamaha kein passendes Motorrad gegeben hat", klagte sein Vater Angel Vinales. Und damit gibt es doch noch eine Parallele zum Tennis. Wo der jammernde Sportpapa bekanntlich erfunden wurde.

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