Tod von Max Mosley:Wanderer und Herrscher

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Mosley (re.) mit Bernie Ecclestone: zwei damals schon etwas ältere Männer. (Foto: N/A)

Der Chef des Automobil-Weltverbands Fia war sowohl kluger Stratege wie auch Exzentriker mit Hang zu Skandalen. Nun ist Max Mosley im Alter von 81 Jahren einem Krebsleiden erlegen.

Nachruf von Philipp Schneider

Drei Jahre ist es her, da wurde zuletzt eine Geschichte an die Oberfläche gespült, die Max Mosley in Bedrängnis brachte. Nicht, dass daraus eine langfristige Gefahr erwuchs für das öffentliche Ansehen des damals 78-Jährigen. Aus Mosleys Sicht war diese Geschichte wohl eher nur die nächste Herausforderung, die es mit der Kraft eines ihm zweifelsfrei gegebenen brillanten Geistes zu bestehen galt.

Und wenn es eine Leitlinie gibt, an der Max Rufus Mosley, geboren im April 1940 in London, also fünf Monate vor den ersten schweren Bombenangriffen Nazi-Deutschlands auf die britische Hauptstadt, seine eigene Lebensgeschichte gerne entlang erzählte, dann die hier: Er war ein einsamer Wanderer, der zeitlebens ausgeschlossen wurde vom britischen Establishment.

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Gemeinsam mit Bernie Ecclestone hatte Max Mosley die moderne Formel 1 geprägt. Mit 81 hat der Brite den Kampf gegen den Krebs verloren.

Ein geborener Politiker, der nur deshalb in die Formel 1 floh und dort zum wohl einflussreichsten, garantiert aber umstrittensten Präsidenten des Automobil-Weltverbands Fia wurde, weil ihn im britischen Parlament niemand ertragen wollte. Eben weil er das Pech hatte, als Sohn von Oswald Mosley geboren zu sein, der in den Dreißigerjahren die British Union of Fascists anführte und als Hitler-Freund und Mussolini-Bewunderer galt.

Und die letzte Geschichte, die ihn jüngst nochmal ins Abseits drängen sollte, ging so: 2018 berichtete die Daily Mail über ein Flugblatt, mit dem Mosley junior seinen Vater im Jahr 1961 bei einem Versuch unterstützt haben soll, den Briten den Faschismus zu bringen. Darauf wurde vor Einwanderern gewarnt, die angeblich Krankheiten verbreiteten. Die Zeitung fand das Schriftstück in einem Archiv, versehen mit dem Zusatz: "Veröffentlicht von Max Mosley". Er kenne es nicht, teilte Mosley mit. Die Geschichte fiel aber auf ein bestelltes Feld.

Denn zehn Jahre vorher hatte das Revolverblatt News of the World darüber berichtet, Mosley habe eine Orgie mit fünf Prostituierten gefeiert, die bei der Verrichtung ihrer Dienstleistung "Nazikostüme" getragen hätten. Es gab ein fünfstündiges Video von der Sause. Doch Mosley, der in Oxford Physik studierte und später auch Jura, wehrte sich mit aller Macht gegen diese Anschuldigungen.

So richtig leiden konnte ihn wohl nur Bernie Ecclestone

Das Video sei echt, gab er zu. Allerdings seien auf diesem ja bloß BDSM-Rollenspiele ohne Bezug zum Nationalsozialismus zu sehen. Ein Gericht gab ihm Recht, die quer gestreiften Pyjamas, die auf den Bildern zu sehen waren, müssten nicht unbedingt KZ-Sträflingskleidung darstellen.

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Das Gericht ließ Mosley 60 000 Pfund Schadensersatz von der Zeitung zukommen. Und eine außerordentliche Generalversammlung der Fia sprach ihm im Juni 2008 nach geheimer Abstimmung mit fast Zweidrittelmehrheit das Vertrauen aus - ein Jahr noch hielt er sich, bis zum regulären Ende seiner Präsidentschaft. Doch als er dann von der Macht ließ, geschah das nicht wegen knallender Peitschen.

Vielmehr war es mitnichten so, als hätte sich Mosley in den 16 Jahren, die er nach 1993 der Fia vorstand, außerordentlicher Beliebtheit erfreut. So richtig leiden konnte ihn wohl nur Bernie Ecclestone, der langjährige Vermarkter der Formel 1, mit dem Mosley eine kongeniale Symbiose einging. Basierend auf einer gemeinsamen Leidenschaft: dem Multi-Millionen-Dollar-Geschäft.

Zwei Jahre vor Mosleys Peitschenstunden in einem Keller in Chelsea gaben er und Ecclestone ein Doppelinterview. Ob sie Freunde seien, wurden sie gefragt. "Ich würde Max einen Blankoscheck geben", antwortete Ecclestone. "Wenn ich mal von einem Bus überfahren würde und meine Familie Probleme hätte, dann würde ich ihr raten, zu Bernie zu gehen", gab Mosley an.

Irgendwann konnte Mosley die Spielregeln fast nach Belieben verändern

Ecclestone, ein ehemaliger Gebrauchtwagenhändler mit Gespür für das Straßengeschäft, hatte den Juristen Mosley im Jahr 1977 als Rechtsbeistand für eine Organisation akquiriert, die er zuvor aus der Taufe gehoben hatte: die Formula One Constructors Association (Foca). Einen Zusammenschluss von Formel-1-Teams zur gemeinsamen Interessenvertretung der Teams gegenüber der Fia. Mosley hatte zuvor als leidlich erfolgreicher Formel-2-Pilot und später als Mitbegründer des Teams March im Rennsport Fuß gefasst. Das M stand dabei für Mosley.

Nach 1993 marschierten Ecclestone und Mosley Seite an Seite durch die Instanz Formel 1 , die sie nach ihren Vorstellungen veränderten: Ecclestone kümmerte sich als Vermarkter um das Geschäft, Mosley machte als oberster Funktionär Karriere - so erfolgreich, dass er die Regeln des Spiels irgendwann beinahe nach Belieben ändern konnte.

Die Chefs der Formel-1-Teams allerdings litten unter dem Führungsstil Mosleys, den sie als autoritär und willkürlich erlebten. Für ein Beben sorgte ein Deal, in dem Mosley die TV-Rechte des Sports von der Foca auf Ecclestones Firma übertrug, mit einer 100-jährigen Laufzeit für den von vielen Teams als dürftig angesehenen Betrag von 360 Millionen Dollar.

Wie der blinde Fahrer eines Bulldozers pflügte Mosley durch die Formel 1. Nur war er nicht blind, sondern schlau und rücksichtslos. Er schob die Protagonisten so ruppig vor sich her, dass er unfreiwillig das zuvor Undenkbare herbeiführte: Einen Zusammenschluss der Teams, die 2008, angeführt von Ferrari und ihrem mächtigen Präsidenten Luca Di Montezemolo, gegen Mosleys Pläne aufbegehrten, eine Budgetobergrenze in der Formel 1 einzuführen.

Die Idee war nicht schlecht. Versprach sie doch einen ausgeglicheneren Wettbewerb. Der Vorschlag war so visionär wie die von Mosley angestoßene Verbesserung der Sicherheitsstandards nach dem schwarzen Wochenende von Imola 1994, an dem Ayrton Senna und Roland Ratzenberger tödlich verunglückt waren.

Mosley schrieb danach den Teams vor, wie sie ihre Autos zu bauen hatten und ließ eine Rennstrecke nach der anderen entschärfen. Beim Budgetdeckel aber zogen die Teams nicht mit. Sie drohten mit einer rivalisierenden Meisterschaft. Um sie wieder in die Knie zu zwingen, musste Mosley zustimmen, keine weitere Amtszeit als Präsident anzustreben, als seine letzte im Oktober 2009 auslief.

Sonntagnacht ist Max Mosley im Alter von 81 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Die Einführung einer Budgetobergrenze in der Formel 1 hat er noch erlebt. Erzwungen hat sie in diesem Jahr etwas, das noch mehr Wucht entfachen konnte als Max Mosley: die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie.

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