Im Österreicher-Haus feiert sogar Russlands Präsident mit viel Bier. Shaun White muss das Verlieren erst noch lernen. Der größte Gegner der deutschen Rodler ist im eigenen Lager zu finden. Und DOSB-Präsident Alfons Hörmann macht bei jeder Gelegenheit ein Foto von sich. Der schwerste Problem: Die Spiele in Sotschi verlaufen bislang auffallend reibungslos, nur ein Problem wiegt schwer. Und zwar wirklich schwer, denn es handelt sich um den Schnee, der mit Wasser voll gesogen auf den Pisten liegt. Die hohen Temperaturen nicht nur in Sotschi, sondern auch in den Bergen, lassen den Schnee rapide schmelzen. Und selbst wo er präpariert wird, dauert es nicht lange, bis er weich wird und tiefe Furchen aufweist. Beim Biathlon und im Langlauf kam es zu ungewöhnlich Stürzen, insbesondere nachmittags, wenn die Pisten schon viel Sonne ertragen mussten. Sulzig ist der Schnee, sagen die Fachleute. Zum Ende der ersten Woche kletterten die Temperaturen auf 15 bis 20 Grad. Die Pistenbauer hoffen inständig, dass die zweite Woche etwas kühler wird.
Das beste Haus: Alle großen Wintersportnationen haben bei Olympia ein eigenes Haus, wo sich Sportler und Funktionäre abends treffen, die Journalisten kommen dazu, auch manche Fans. Dort gibt es dann gutes Essen, viel Bier und gute Laune. In einem Haus gibt es jedoch noch mehr gutes Essen, noch viel mehr Bier und die allerbeste Laune überhaupt: bei den Österreichern. Unter gewieften Olympia-Teilnehmern und selbst für Russlands Präsident Wladimir Putin ist es ein offenes Geheimnis, wo die besten Parties stattfinden. Nach dem Abfahrtsgold für Matthias Mayer wurde aus Ischgl wurde eigens DJ Coco eingeflogen. Doch nicht nur Sieger werden gefeiert: Als die Rodel-Doppelsitzer Linger/Linger ins Nationenhaus kamen, hatten sie "nur" Silber gewonnen. Dennoch wurden sie auf Schultern in den ersten Stock getragen. Damit hatten sie den eindeutig besseren Empfang als die Deutschen Wendl/Arlt. Sie hatten Gold gewonnen, doch sie gingen ein paar hundert Meter weiter, ins Deutsche Haus.
Der größte Druck: Die Last des Gewinnen-Müssens ist für kein Team größer als für die russische Eishockey-Nationalmannschaft. Schon Auswärtsspiele der Russen können zu Erlebnissen werden, weil die Fans so enthusiastisch sind. Was sich im Bolschoi-Eispalast während der Winterspiele abspielt, ist nochmal zehn Nummern lauter. Laufen die russischen Spitzenkäfte aus NHL und KHL ein, brüllt die ganze Arena. "Wir waren nervös", sagte sogar Alexander Owetschkin, der immerhin schon fast 700 NHL-Spiele absolviert hat, "aber kein Wunder bei dem verrückten Publikum". Das Auftaktspiel gegen Slowenien gewannen die Russen mit etwas Mühe, am Samstag kommt es nun zum Gigantenduell mit den USA. Eine Niederlage gegen die USA ist für die Russen eigentlich unvorstellbar. Der Druck ist mal wieder gewaltig.
Das unerwartetste Gold: Es wäre falsch zu behaupten, Carina Vogt hätte ein paar Momente gebraucht, um ihre Goldmedaille zu realisieren. Vermutlich hat sie es immer noch nicht ganz verstanden. Die deutsche Skispringerin, die noch nie zuvor einen Weltcup gewonnen hatte, flog der Konkurrenz in Sotschi einfach davon - und verstand die Welt nicht mehr. Ob im Stadion, bei der Medaillenzeremonie oder tags darauf im deutschen Haus: Vogt wirkte entrückt, viel zu überwältigt, um echte Freude zu zeigen. "Ganz begriffen hab ich das noch nicht, was da passiert ist. Dass mir zwei solche Sprünge gelungen sind, Wahnsinn", sagte Vogt. Auch rührte sie, dass sich Martin Schmitt und Sven Hannawald mit Glückwünschen bei ihr meldeten. Wegen ihnen hatte Vogt einst mit dem Skispringen begonnen.
Die größte Niederlage: Vierte Plätze sind sogar bei Olympia, wo dabei sein bekanntlich alles ist, eher bescheiden. Und dass es ausgerechnet Shaun White getroffen hatte, konnte einer ganz besonders schwer verstehen: Shaun White. Die Qualifikation hatte er noch klar dominiert, im Finaldurchgang wirkte er dann seltsam gehemmt. Er wisse nicht genau, was passiert sei, werde weiter an sich arbeiten, sagte White: "Für mich mag es hart sein, für den Sport ist es jedoch ein wichtiger Abend", sagte er trotzdem. Damit hatte er sogar Recht: Es war ein wichtiger Abend, weil viele Leute zuschauten, die es sonst nicht zu den X-Games schaffen. Sie sahen zudem eine Sportart, in der junge Athleten dabei sind, sich von ihrem größten Frontman zu emanzipieren.
Die traurigste Regel: Das Trauerflorverbot des IOC hat nicht nur die Norweger schwer erschüttet, sondern auch all jene, die mit einem gesunden Maß an Empathie das Geschehen bei den Winterspielen verfolgen. Der 25-jährige Bruder der norwegischen Langläuferin Astrid Jacobsen war am Tag der Eröffnungsfeier gestorben, weil dieser der Mannschaft auch als Trainingspartner bekannt war, entschloss sich das Team, beim Skiathlon mit Trauerflor aufzulaufen. Das IOC reagierte prompt, nicht etwa mit Mitgefühl - sondern in Form einer Rüge. "Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda" sei verboten, so das IOC. In einer Zeit, in der der Zuspruch für Olympia vielerorts sinkt (siehe Volksentscheid in München), hat sich das Komitee damit einen besonderen Akt der Herzlosigkeit geleistet. Und will auch künftig an seiner umstrittenen Charta festhalten.
Der beste Fotograf: Bleibt zu hoffen, dass Alfons Hörmann eine zweite SD-Karte für sein Handy dabei hat. Sonst dürfte es langsam knapp werden mit dem Speicherplatz. Wo immer der DOSB-Präsident dieser Tage auftritt, hat er sein Mobilfunkgerät dabei. Und Hörmann macht Fotos: von sich selbst. Er reckt den Arm in die Höhe, dass neben seinem Kopf auch noch möglichst viel von der Umgebung drauf ist und knipst: Hörmann bei der Abfahrt, Hörmann beim Rodeln, Hörmann bei der Siegerehrung. "Selfies" heißen solche Schnappschüsse, manche Leute finden das ziemlich affig, andere total lustig. Alfons "Selfie" Hörmann gehört eher zu zweiterer Gruppe.
Der größte Zoff: Wenn es schon keine sportlichen Gegner gibt, dann wenigstens eine zünftige Opposition im eigenen Lager. Nach dem deutschen Doppelsieg im Frauen-Rodeln ging es tatsächlich nicht darum, wie die Konkurrenz bezwungen wurden. Sondern warum sich die Tatjana und die Natalie nicht so gerne mögen. Natalie Geisenberger und Tatjana Hüfner trainieren in unterschiedlichen Trainingsgruppen, und Hüfner (aus Oberhof) findet, dass Geisenberger (aus Berchtesgaden) strukturell bevorzugt wird. Das mag stimmen, auch wenn Geisenberger davon nichts wissen will. Trotzdem ist die Pressekonferenz nach dem deutschen Doppelsieg ein denkbar schlechter Ort, um eine solche Debatte der großen Öffentlichkeit zu präsentieren. Als hätte es an diesem Tag wirklich keine sportlichen Gegner gegeben.
Der größte Wutausbruch: Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig brauchte nur ein paar Minuten um sich zu sammeln, dann stapfte er in Richtung der deutschen Journalisten los. Hönig hatte etwas mitzuteilen, und er scherte sich auch nicht darum, dass seine Athletinnen noch in der Nähe zusammen standen, um sich gegenseitig zu trösten. Das deprimierende Verfolgungsrennen sei ein "Griff ins Klo" gewesen, sagte Hönig, "ich verstehe nicht, woran es liegt. Ich kann mir das nicht erklären." Die Starter anderer Nationen hätten es geschafft, sich optimal auf den Höhepunkt vorzubereiten - nur die Deutschen nicht. Seine Wutrede wirkte kaum, auch im darauf folgenden Einzel-Rennen schaffte es keine Deutsche unter die besten Zehn.
Die schlechteste Tarnung: Sie sitzen in den Bergen, sie verstecken sich - doch jeder sieht sie: Überall in den Höhen über Krasnaja Poljana sind russische Soldaten stationiert und sollen die Spiele vor Angriffen aus den Bergen schützen. Weil hier normalerweise Schnee liegen soll, sind sie in weiße Anzüge gepackt. Auch die kleinen Hütten, in denen sie zu zweit sitzen, sind weiß ummantelt. Das kleine Problem: Es liegt kein Schnee. Der Untergrund ist dunkel, meist eher braun als grün, so dass die weißen Hütten auch aus der Ferne bestens sichtbar sind. An einen zweiten Satz Tarnkleidung wurde offenbar nicht gedacht.