Mögliche Klitschko-Gegner:Angst vor Donnerschlag und Wurzelbehandlung

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Am Samstag boxen in Erfurt drei Kämpfer, die künftig Witali oder Wladimir Klitschko herausfordern könnten: Ruslan Chagaev, Alexander Powetkin und Robert Helenius. Ist wirklich einer von ihnen in der Lage, einen würdigen Gegner abzugeben? Eine Analyse.

Jürgen Schmieder

Manny Pacquiao hat offenbar keine Lust, seine physischen Grenzen neu auszuloten. Der Filipino, derzeit über die Gewichtsklassen hinweg der beste Boxer des Planeten, will nicht gegen Wladimir Klitschko antreten. Das macht durchaus Sinn: Pacquiao müsste sich 49 Kilo anfuttern und auf wundersame Weise 29 Zentimeter wachsen, um Klitschko auf Augenhöhe begegnen zu können.

Kämpfen um die WBA-Weltmeisterschaft: Alexander Powetkin (links) und Ruslan Chagaev. (Foto: dpa)

Es war auch eher ein Scherz von Klitschko, der auf die Frage nach möglichen Gegnern antwortete: "Der beste Pound-for-pound-Kämpfer derzeit ist Manny Pacquiao. Er wäre bestimmt ein attraktiver Kontrahent."

Das Problem der Klitschkos: Sie halten die Titel aller bedeutenden Verbände im Schwergewicht, die einst blühende Gewichtsklasse kommt derzeit ein wenig spannungsfrei daher. Passend dazu hat der Verband WBA Wladimir Klitschko nach seinem Sieg gegen David Haye zum Superchampion ernannt und vergibt den WM-Titel neu - um wenigstens einen Weltmeister präsentieren zu können, der nicht Klitschko heißt.

Dieses Vorgehen kann man als Geschäftemacherei und sportlich wertlose Titelinflation abtun - oder es mit einer gehörigen Portion Naivität als Chance sehen, einen würdigen Herausforderer für die Klitschkos zu ermitteln. In Erfurt boxen Alexander Powetkin und Ruslan Chagaev um diesen WBA-Titel, zuvor kämpft Robert Helenius gegen Siarhei Liakhovich um die Intercontinental-Meisterschaft der Verbände WBA und WBO.

Powetkin, Chagaev und Helenius sind neben Tomasz Adamek - der am 10. September in Breslau gegen Vitali Klitschko antritt - die neuen Desperados in der Stadt. Doch ist wirklich einer von ihnen in der Lage, einen würdigen Gegner abzugeben? Eine Analyse.

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Ruslan Chagaev

Gewann gegen Walujew, verlor danach gegen Wladimir Klitschko: Ruslan Chagaev. (Foto: dpa)

Wladimir Klitschko guckte ziemlich verdutzt drein, als er sich vor der zehnten Runde im Ring umsah und keinen Gegner entdecken konnte. Sekunden später war klar: Die Betreuer von Ruslan Chagaev hatten das Handtuch geworfen, um ihrem Kämpfer weitere harte Treffer zu ersparen. Das war am 20. Juni 2009, als Chagaev die erste Niederlage seiner Karriere hinnehmen musste.

Der 32-jährige Usbeke trägt den Beinamen "der weiße Tyson" - und nicht erst seit der Niederlage gegen Klitschko steht fest, dass dieser Spitzname als einer der unpassendsten in die Geschichte des Sports eingehen könnte. Chagaev ist 1,86 Meter groß, er bewegt sich recht agil durch den Ring und schlägt überaus schnell und präzise - ohne jedoch wirklich wuchtig zu treffen.

Bekannt wurde Chagaev vor allem durch den Kampf gegen Nikolaj Walujew im April 2007, den Chagaev mit einer mutigen und taktisch herausragenden Vorstellung klar nach Punkten gewann - was ihn zum Weltmeister des Verbandes WBA machte. Danach allerdings musste der Usbeke immer wieder Kämpfe absagen, teils wegen bemerkenswerter Verletzungen. Eine unvollständige Auflistung: Magen-Darm-Probleme, Virusinfektion, Hepatitiserkrankung, Netzhautablösung im linken Auge, Achillessehnenriss.

In den vergangenen vier Jahren absolvierte Chagaev deshalb nur sechs Kämpfe, vor einem Jahr erwarb er sich durch einen Sieg gegen den damals 40-jährigen Kali Meehan das Recht, um die WBA-Weltmeisterschaft zu boxen. Durch die Ernennung Wladimir Klitschkos zum Superchampion bekommt er nun gegen Powetkin seine Chance.

Chagaev wird vom Ring Magazine immer noch auf Platz vier im Schwergewicht geführt, seine Bilanz von 27 Siegen aus 29 Kämpfen (ein Unentschieden) ist immer noch imposant. "Natürlich würde ich gerne noch einmal gegen Wladimir Klitschko boxen", sagt Chagaev - und klingt dabei wie jemand, der behauptet, gerne noch einmal eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt zu bekommen.

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Einen Krieg hatte David Haye angekündigt, doch er ist zu oft auf der Flucht, tänzelt, duckt sich, weicht zurück. Dennoch: Der Brite beweist sein Talent und bringt Wladimir Klitschko immerhin kurz ins Wanken. Am überzeugendsten ist allerdings seine schauspielerische Leistung.

Jürgen Schmieder, Hamburg

Alexander Powetkin

Seit Jahren wird der Name des 1,88 Meter großen Russen genannt, wenn es darum geht, Gegner für einen der Klitschkos zu benennen. Im Dezember 2008 sollte Alexander Powetkin gegen Wladimir antreten, musste den Kampf jedoch wegen einer Verletzung im Sprunggelenk absagen. Die für September 2010 geplante Auseinandersetzung mit Klitschko ließ Powetkin platzen, indem er nicht zur Pressekonferenz erschien und den Vertrag nicht rechtzeitig unterschrieb.

Powetkin gilt seit seiner Zeit als Amateurboxer als Naturgewalt, der seine Gegner nicht ausboxt, sondern mit Wucht und Wille schlichtweg überrennt. Nach seinem Olympiasieg bei den Spielen 2004 in Athen wechselte er zum Profiboxen und gewann seitdem alle 21 Kämpfe, 15 davon durch Niederschlag. Bedeutende Gegner waren dabei Chris Byrd, Eddie Chambers und Larry Donald - seit zwei Jahren allerdings scheint Powetkin eher an einer imposanten Bilanz interessiert zu sein denn an Kämpfen gegen namhafte Boxer.

Seit dieser Zeit lässt sich Powetkin von Teddy Atlas trainieren, der einst Mike Tyson eine Pistole an den Kopf gehalten und Michael Moorer während eines Kampfes anbot, für ihn im Ring zu übernehmen. Atlas brachte dem bis dahin statisch und eindimensional agierenden Powetkin bei, dass ein Boxer seinen Oberkörper bewegen darf, dass Ausweichen und Deckung auch zum Repertoire gehören.

Der extravagante Trainer gilt auch als Grund dafür, dass Powetkin einem Duell mit den Klitschkos bislang aus dem Weg ging. Powetkin sei "noch nicht bereit", sagte Atlas Anfang des Jahres - und verzichtete gar auf eine Gage von 200.000 Dollar, die er für die Betreuung Powetkins bei diesem Kampf bekommen hätte.

Die Auseinandersetzung mit Chagaev gilt als karrieredefinierend für Powetkin - und auch für dessen Boxstall Sauerland, der in der prägenden Gewichtsklasse des Boxens neben Helenius gerne einen zweiten Kandidaten für eine Klitschko-Herausforderung präsentieren würde.

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Robert Helenius

Man hätte ihn gern zum Nachbarn, diesen Robert Helenius. Er spricht respektvoll über seine Gegner, von seinen Antrittsprämien beim Preisboxen möchte er irgendwann einmal Waisenhäuser bauen, über seine Popularität sagt er: "Ich mag es nicht besonders, berühmt zu sein." Wer immer noch nicht glaubt, dass er ein prima Kerl ist, dem erzählt der Familienvater die Geschichte, wie er als 13-jähriger Junge seinen Vater überredete, die Zustimmung zu einer Tätowierung zu geben: "Ich wollte beweisen, dass jemand, der ein Tattoo hat, nicht zwingend ein Idiot sein muss."

Helenius gilt als Antithese zu anderen Boxern, deren Lippen sich schneller bewegen als die Fäuste. 1,99 Meter ist er groß und etwa 108 Kilogramm wuchtig, mit seinen schmalen Schultern, dem wenig definierten Oberkörper und den freundlichen Augen sieht er eher aus wie ein tapsiger Holzfäller. Im Ring jedoch agiert er wie einer, dem auch das Abholzen der dicksten Bäume zuzutrauen ist. Wenn er sich Videos seiner Kämpfe ansehe, erschrecke er bisweilen über "diesen anderen Kerl", der da seine Gegner zuerst mit der linken Führhand dominiert und dann mit einer wuchtigen rechten Geraden aus dem Gefecht nimmt. "Dann kommt das innere Tier raus", sagt Helenius.

In der Rangliste des Ring Magazine liegt Helenius derzeit auf Platz neun im Schwergewicht. Der 27-jährige Finne hat jeden seiner 15 Profikämpfen gewonnen, davon zehn durch Niederschlag. Seine Gegner waren nicht nur masochistisch veranlagte und gut bezahlte Opfer, sondern durchaus Kämpfer mit herausragender Reputation: Im vergangenen Jahr besiegte er den ehemaligen Weltmeister Lamon Brewster durch technischen K.o., im April schlug er Samuel Peter nieder, der sich zuvor gegen beide Klitschkos immerhin gewehrt hatte.

Für seine Statur bewegt er sich erstaunlich flink, neben seinem rechten Donnerschlag verfügt er laut Trainer Uli Wegner über "ein sicheres Näschen für die Gefahr", dazu sei Helenius einer, "der ganz genau zuhört." Mit einem Sieg gegen Liakhovich dürfte Helenius weiter ins Rampenlicht rücken, das ihm eigentlich so gar nicht behagt.

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