Es macht einfach "Plopp" - und der Ellenbogen flutscht raus aus dem Gelenk. Manche Dinge muss man nicht fühlen, um zu begreifen, wie unangenehm sie sind und wenn Ronda Rousey über ihre härteste Waffe spricht, reicht schon dieses eine Wort. Rousey kennt den Schmerz, vor allem aber kennen ihn ihre Gegnerinnen. "Es fühlt sich an, wie wenn man von einem Truthahnbraten einen Schenkel abreißt", weiß die Mixed-Martial-Arts-Kämpferin. Nach dem "Plopp" wird es definitiv nicht besser.
Ronda Rousey war 2015 die drittmeist gesuchte Person bei Google, noch vor Donald Trump. Sie hat vier Millionen mehr Instagram-Follower als Serena Williams, ist Multimillionärin und der größte Star der Ultimate Fighting Championship Serie (UFC), die erst vor ein paar Monaten für vier Milliarden US-Dollar den Eigentümer gewechselt hat.
Nach über einem Jahr außerhalb des Käfigs gibt sie nun ihr Comeback, am Freitag will sie sich den Gürtel im Bantamgewicht zurückholen, der ihr Ende 2015 völlig überraschend entrissen wurde. Ronda Rousey ist ein Phänomen, das die Menschen vor allem in den USA bewegt. Manche begeistert sie im Guten, manche im Schlechten.
So wie einst Mike Tyson
Mit ihrem Armhebel hat sich Rousey schon so mancher Gegnerin entledigt. In neun ihrer 13 Kämpfe als MMA-Sportlerin verdrehte die 29-Jährige den Arm der Kontrahentin so, dass es "Plopp" machte und der Kampf beendet war. Im November 2015 hat es nicht "Plopp" gemacht, es hat gekracht. Zum ersten Mal in ihrer Karriere wurde Rousey besiegt, vor 56 000 Zuschauern in Melbourne erlebte sie ihren Mike-Tyson-Moment: So wie der Schwergewichtler 1990 völlig überraschend Buster Douglas unterlag, gab es für Rousey den ersten K.o. ihrer Karriere. Holly Holm, ebenfalls US-Amerikanerin, hatte der Unbesiegbaren in der zweiten Runde einen Kopftritt verpasst und danach mit Schlägen das Gesicht malträtiert. Rousey kauerte auf dem Boden. George Foreman, der einst gegen Muhammad Ali verloren hatte, twitterte: "Down goes Muhammad, Frazier & Foreman. RONDA ROUSEY we all came back so will you."
Man muss kein Fan von Kampfsport sein, um eine Begeisterung für Ronda Rousey zu entwickeln. Sie hat sich Lebensträume erfüllt, die sich viele gar nicht getraut haben zu träumen. UFC-Präsident Dana White sagte noch 2011, er würde niemals Frauen in seiner Kampfserie antreten lassen. Nur ein Jahr später machte er Rousey zur ersten Frau mit UFC-Vertrag und WM-Gürtel. "Kämpfen ist keine Männer-Sache, es ist eine Menschen-Sache", sagt Rousey.
Eine Frau als Gesicht des brutalsten Kampfsports? Tatsächlich steht Ronda Rousey für Errungenschaften ihres Geschlechts: Sie hat mit ihrer Stärke den mächtigsten Mann in ihrem Sport überzeugt, sich doch an eine Frauen-Sparte heranzutrauen. Ihre Biographie "Zum Kämpfen geboren" könnte genauso gut als Lebensratgeber für Hartgesottene taugen. Aufstehen, fokussieren, hart arbeiten, niemals auch nur ans Aufgeben denken - es ist diese Einstellung, die sie in Amerika lieben und im Leistungssport propagieren. "Lieber sterben oder gelähmt werden als verlieren", solche Sätze stehen dann da. Die Supermarkt-Kette Wal-Mart weigerte sich, das Buch in seinen Läden zu verkaufen, weil der Inhalt zu gewalttätig sei. Einmal hat Rousey einen Freund verprügelt, weil er heimlich Nacktfotos von ihr gemacht hat.
Als Rousey acht Jahre alt war, nahm sich der Vater das Leben. Ein Unfall beim Schlittenfahren zerstörte sein Rückgrat, er wurde nicht mehr gesund und verzweifelte daran. Für Rousey begann damals das Leben als Kämpferin: Ihre Mutter war einst Weltmeisterin im Judo geworden, als erste Amerikanerin überhaupt. Und so ging es auch für Rousey auf die Matten. "Wenn ich ein Turnier gewonnen hatte, fragte sie, wieso ich nicht sämtliche Kämpfe durch Ippon gewonnen habe", erinnert sich Rousey.
Ihr wurde beigebracht, auch unter Schmerzen weiterzumachen: "Schmerz ist nur eine Information. Diese Information kann ich zur Kenntnis nehmen oder ignorieren." Also kämpfte sie auch mit gebrochenem Knöchel bei einem Jugendturnier. Die jüngste Athletin bei Olympia 2004 in Athen hieß: Ronda Rousey. Sie war damals 17 Jahre alt. Vier Jahre später klappte es in Peking mit der Bronzemedaille im Judo.
Bulimie hat sie viele Jahre begleitet, das ständige Gewicht-Machen, um in ihrer Kampfklasse antreten zu können, belastete sie enorm. Muskulöse Oberarme, die sie sich für den Sport antrainiert hatte, nahmen andere zum Anlass, über sie zu spotten. Rousey wehrt sich dagegen, für ein Shooting mit der Sports Illustrated nahm sie sogar noch extra zu. "Ich fand, dass ich viel zu dünn war für ein Magazin, das die Weiblichkeit abbilden will", sagt sie, "wenn ich einen Körpertyp repräsentieren kann, der in den Medien selten vorkommt, bin ich froh, dass ich das tun kann." Sylvester Stallone engagierte sie auch wegen ihres Bizeps' für eine Rolle im Film "Expendables 3".
Eine Frau, die anderen den Arm auskugeln kann und gleichzeitig Fotoshootings dreht, im Abendkleid auf Film-Premieren posiert - das sind die Faktoren, die Rousey für etliche so anziehend machen. Rousey ist keine Feministin, sie lässt sich auch mal nackt ablichten, wenn es der Vermarktung dient. Manche sehen das als Verrat der eigenen Prinzipien. Immer wieder kam nach ihrer Niederlage gegen Holms auch Kritik auf, Rousey hätte in der Vorbereitung zu wenig Wert aufs Training gelegt. "Diese Niederlage hat mich gerettet", sagte Rousey ESPN, "davor, etwas zu werden, was ich nie werden wollte." Sie meint: Eine Person, die nur für das Bild lebt, das die anderen von einem haben.
"Ich dachte, ich bin jetzt nichts mehr wert"
Monatelang zog sich die Kämpferin komplett zurück, mit Niederlagen konnte sie nie gut umgehen. "Jede einzelne Niederlage gibt mir das Gefühl, ein Teil meiner Seele wäre abgestorben", beschreibt Rousey das, diesmal hatte sie auch Selbstmord-Gedanken: "Ich dachte, ich bin jetzt nichts mehr wert." Doch der Gedanke an eine gemeinsame Zukunft mit ihrem Freund Travis Browne habe sie am Leben gehalten.
14 Millionen US-Dollar soll Rousey in diesem Jahr eingenommen haben, doch sie lebt kein Leben, in dem Geld eine große Rolle spielt. Als sie mit MMA anfing, schlief sie manche Nacht in einem angeranzten Ford Fiesta. "In unserer Gesellschaft wird das Geld viel zu sehr verehrt", sagt Rousey, "nur weil das der einfachste Weg ist, Aufmerksamkeit zu bekommen, heißt das nicht, dass es der richtige Weg ist." Es ist eine Ansicht, die man beim Verband UFC nicht unbedingt teilt: Vor Kämpfen müssen die Athleten eine ausufernde Werbetour hinter sich bringen, um so viele zahlende Fernsehzuschauer wie möglich zu finden. Zuletzt war der Ire Conor McGregor in Ungnade gefallen, weil ihm die Pressetermine zu viel wurden.
All zu lange will Rousey nicht mehr kämpfen, kündigte sie vor der Begegnung mit Amanda Nunesam am Freitag an. Denn die Zukunftsträume haben wenig mit Schlagen, Treten, Armverdrehen zu tun: Sie will ein Haus in Idoha oder Alaska, voller eigener Kinder, und ein Tierheim eröffnen. Warum sie nun überhaupt nochmal kämpft? "Ich will in der Lage sein, mit erhobenem Haupt zurückzutreten", sagt Rousey. Als ob das wirklich noch von ihrer Leistung im Achteck abhinge.