Mitgliederversammlung beim Hamburger SV:HSV, plus oder minus?

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Hamburger Euphorie nach dem Klassenerhalt. Entscheiden sich die Mitglieder des Hamburger SV nun auch für "HSV Plus"? (Foto: Axel Heimken/dpa)

Die Reforminitiative "HSV Plus" will den Hamburger SV revolutionieren - doch was bedeutet das eigentlich? Wer würde im neuen Aufsichtsrat sitzen? Woran könnte das Projekt scheitern? Und kommt tatsächlich Dietmar Beiersdorfer zurück? Fragen und Antworten zur Abstimmung am Sonntag.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Am Sonntag um 11 Uhr stimmen die Mitglieder des Hamburger SV über die Zukunft ihres Vereins ab. Das Zauberwort heißt "HSV Plus", das Reformprojekt benötigt jedoch eine Zustimmung von 75 Prozent, soll es im Sommer umgesetzt werden. Was bringt "HSV Plus" dem maroden Klub? Wären damit alle Probleme des HSV auf einen Schlag gelöst? Woran könnte es scheitern? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist "HSV Plus"?

Dem Hamburger SV steht eine Revolution bevor: Die Initiative um den früheren HSV-Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff strebt eine Strukturreform mit Ausgliederung und Umbildung der Profi-Abteilung in eine Aktiengesellschaft an. Das macht den Einstieg für Investoren leichter, viele Bundesligisten sind bereits ähnlich strukturiert. "HSV Plus" bietet dazu quasi das Gesamtpaket: Ein Schattenkabinett für den Aufsichtsrat ist bereits benannt, der alte Aufsichtsrat müsste zurücktreten. Auch steht mit dem Milliardär Klaus-Michael Kühne ein erster Investor bereit, der zum Start zehn Millionen Euro investieren soll. Weitere Investoren sollen gefunden werden. Nötig ist dazu jedoch eine Dreiviertelmehrheit bei der Mitgliederversammlung am Sonntag.

Wer sind die Unterstützer?

Ein breites Netzwerk aus früheren Spielern und Funktionären, die sich um Initiator Rieckhoff scharen. Seit Monaten läuft der Wahlkampf, nahezu täglich melden sich Rieckhoffs Mitstreiter und werben für "HSV Plus". Mit dabei sind Ex-Coach Thomas Doll, frühere Profis wie Thomas von Heesen, Ditmar Jakobs oder Willi Schulz, Ex-Sportdirektor Holger Hieronymus, dazu Fachleute aus Wirtschaft und Juristerei. Und natürlich Klaus-Michael Kühne, der finanzstarke Gönner, der dem Klub zuletzt Rafael van der Vaart finanzierte. Einige dieser Personen sind nur Unterstützer des Konzepts. Andere stehen für Ämter im neuen Aufsichtsrat zur Verfügung.

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:"Ich will auch ein Weltstar werden"

Hakan Çalhanoğlu findet, dass der Hamburger SV zu klein geworden ist für einen wie ihn. Er will den Klub jetzt unbedingt verlassen. Dabei hat er erst im Februar seinen Vertrag bis 2018 verlängert. Der 20-Jährige zelebriert die Schnelllebigkeit des Geschäfts.

Von Carsten Eberts

Wer sind die Gegner?

In der ersten Abstimmungsrunde im Januar mussten sich einige Konkurrenzinitiativen bereits geschlagen geben. Nun verbünden sie sich, um "HSV Plus" noch zu verhindern. Vereinsurgesteine wie Ex-Präsident Jürgen Hunke und Manfred Kaltz warnen vor den Folgen. Auch sie befürworten eine Ausgliederung der Profiabteilung, jedoch zu anderen Konditionen als "HSV Plus". Hauptvorwurf ist, dass die Mitglieder, die beim HSV traditionell eine starke Stimme haben, in den Hintergrund gedrängt werden, stattdessen würden Investoren das Kommando übernehmen. "Ich kann nur davor warnen, diesen Weg so zu gehen", sagt Hunke im Hamburger Abendblatt: "Es kommt nicht auf die Rechtsform an, sondern auf die Qualifikation der handelnden Personen (...)." Anwalt Rainer Ferslev spricht gar vom "verlogensten Ausgliederungsbericht, den ich in meinem Berufsleben gesehen habe".

Wie läuft die Abstimmung?

Am Sonntag von 11 Uhr an kommt es in der Hamburger Arena zur großen Abstimmung. Wer über 16 Jahre alt und seit mindestens einem halben Jahr HSV-Mitglied ist, darf ins Stadion und kann über die Strukturreform mitentscheiden. Die Sitzung dürfte bis in die Abendstunden dauern, die Rednerliste ist lang. Auch das Quorum ist hoch: Da es sich um eine Satzungsänderung handelt, müssen 75 Prozent der anwesenden Mitglieder für "HSV Plus" stimmen. Sonst ist der Antrag abgelehnt. Eine Fernwahl für auswärtige Mitglieder, vergleichbar mit der Briefwahl bei Bundestagswahlen, wurde abgelehnt.

Wie geht es aus?

Es wird sehr knapp. Auch wenige Tage zuvor zeichnet sich kein klares Ergebnis ab. Unterstützer und Gegner kämpfen um jede Stimme. Auf der Website von "HSV Plus" werden sogar Mitfahrgelegenheiten und private Übernachtungsmöglichkeiten angeboten, damit jeder, der abstimmen will, abstimmen kann - komme er von noch so weit her.

Sind die Chancen durch den Klassenerhalt größer geworden?

Eher nicht. Die Saison am Abgrund hat den Klub zwar aufgerüttelt, das positive Ende könnte manches Mitglied jedoch bestärken, die grundlegende Vereinsreform abzulehnen. Das "Weiter so" ist im Klub tief verankert, viele glauben immer noch, dass der HSV auf einer Stufe mit dem FC Bayern, Schalke oder Dortmund agieren müsste. Warum also den ganzen Verein umkrempeln, wenn die Saison am Ende nur ein Betriebsunfall war?

Wenn HSV Plus kommt: Wer werden die prägenden Figuren?

Das Schattenkabinett für den sechsköpfigen Aufsichtsrat steht. Die Ex-Profis Thomas von Heesen und Peter Nogly sind dabei, dazu die Unternehmer Dieter Becken, Karl Gernandt, Felix Goedhart und Bernd Bönte - letzterer bekannt als erfolgreicher Manager der Klitschko-Brüder. Gernandt fällt die wichtigste Rolle zu: Der Kühne-Intimus wird als neuer Aufsichtsratsboss gehandelt, von Heesen als sein Stellvertreter. Alle bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrats müssten abtreten. Auch Vorstandschef Carl-Edgar Jarchow und Sportdirektor Oliver Kreuzer hätten kaum eine Zukunft.

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Mag sein, dass der Hamburger SV ein stolzer Hansestadt-Verein ist. In der Wirklichkeit des Fußballs ist der Klub aber längst nicht mehr in einer Liga mit München, Dortmund oder Berlin. Stattdessen steht der HSV gerade nur sehr knapp über Zweitliga-Niveau.

Ein Kommentar von Claudio Catuogno

Kehrt Dietmar Beiersdorfer zurück?

Dem 2009 geschassten Beiersdorfer trauern viele beim HSV immer noch nach. Sie verknüpfen ihn mit besseren Zeiten, schließlich gelang dem HSV unter Beiersdorfer zuletzt der Sprung in ein europäisches Halbfinale. "HSV Plus" wirbt stark um den 50-Jährigen, in den neuen Strukturen könnte er mächtiger Vorstandsboss der neu zu gründenden AG werden. Der designierte neue Aufsichtsratsboss Gernandt bezeichnete Beiersdorfer als "einzigen deutschen Fußball-Manager, der internationale Anerkennung genießt". Allerdings: Das macht ihn nicht gerade günstiger. Bis 2015 ist Beiersdorfer zudem noch an den russischen Klub Zenit Sankt Petersburg gebunden.

Ist der HSV saniert, wenn "HSV Plus" kommt?

Ganz sicher nicht. Den Klub drücken Verbindlichkeiten in Höhe von 100 Millionen Euro. Die Ausgliederung der Profiabteilung würde es externen Investoren zwar ermöglichen, beim HSV einzusteigen. Mehr Geldgeber als Vereinsmäzen Kühne, der bereits zehn Millionen Euro versprochen hat, sind allerdings nicht in Sicht. Kühne könnte dem Klub finanziellen Spielraum geben - mehr jedoch nicht.

Was passiert, wenn "HSV Plus" nicht kommt?

Dann geht es weiter wie bisher - mit den handelnden Personen. Die Mitglieder hätten die Tür für externe Investoren erst einmal geschlossen, und der HSV müsste sich nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten für seine überteuerte, kaum erstligareife Mannschaft umsehen. Das Problem, dass der Verein dringend Geld benötigt, bliebe bestehen. Auf die Millionen von Klaus-Michael Kühne könnte der HSV dann nicht mehr hoffen.

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