Mitchell Weiser bei Werder Bremen:Einer, der nicht mehr wegzudenken ist

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Zwei Säulen im Bremer Spiel: Mitchell Weiser und Niclas Füllkrug bejubeln die Bremer 1:0-Führung gegen Schalke, die sie gemeinsam hergestellt hatten. (Foto: Claus Bergmann/Imago)

Mitchell Weiser galt schon immer als großes Talent, doch bei Bayern, Hertha und Leverkusen konnte er sich nicht durchsetzen. Nun ist er angekommen - und kann etwas, das auch Hansi Flick gut gebrauchen könnte.

Von Thomas Hürner, Bremen

So ganz wussten sie bei Werder Bremen nicht, ob sie Mitchell Weiser wirklich haben wollen. Und die Zeit drängte. Das Transferfenster war im August 2021 nur noch wenige Stunden lang offen, die Verantwortlichen mussten also eine schnelle Entscheidung treffen. Machen? Oder lieber nicht machen? Markus Anfang, damals noch Bremer Trainer, zückte sein Handy und meldete sich beim Außenverteidiger per Videotelefonat, was sich im Nachhinein als ungünstiger Kontaktweg herausstellte. Weiser befand sich gerade im Duschbereich seines damaligen Arbeitgebers Bayer Leverkusen.

Peinliche Stille stellte sich dennoch nicht ein, und Weiser versicherte glaubwürdig, dass er "Bock" auf Werder habe. "Das ist schon ein Schlitzohr", stellte der Sportchef Frank Baumann anerkennend fest - und holte Weiser als Last-Minute-Leihe nach Bremen.

Etwas mehr als ein Jahr ist diese Szene nun her, die in einer Dazn-Doku über die vergangene Aufstiegssaison des SV Werder zu sehen ist. Und allerspätestens seit dem Bremer 2:1-Heimsieg am Samstag gegen den Mitaufsteiger FC Schalke 04 dürfte feststehen: Gut für Werder, dass Weiser sein Handy offenbar mit zum Duschen nimmt. Gut aber auch für Weiser, dass sich die Bremer noch schnell bei ihm gemeldet haben, obwohl sie sich nicht ganz sicher waren. Schlitzohrigkeit sollte auf dem Rasen schließlich nur in verträglichen Dosen abgegeben werden.

Weiser sei "ein Spieler, der technisch auf engem Raum alles lösen kann", lobt Werder-Coach Ole Werner

Weiser, 28, hat deutlich an Reife und Wettkampfhärte zugelegt, seit er für Werder spielt. Lossprinten, einen harten Zweikampf führen, den harten Zweikampf gewinnen, den Kopf oben behalten, eine Flanke schlagen: Weiser, der früher schon mal zu Unkonzentriertheit und Leichtsinn neigte, lässt mittlerweile wenig Zweifel aufkommen, dass er den rechten Flügel als sein ureigenes Territorium begreift, in dem keine Eindringlinge geduldet werden.

Ein ausgezeichneter Fußballer war er ja schon immer. Im Spiel gegen Schalke bereitete Weiser beide Bremer Treffer vor, den ersten mit einem frechen Hackentrick auf Stürmer Niclas Füllkrug, den zweiten per 30-Meter-Diagonalball auf den anderen Stürmer Marvin Ducksch. "Er ist ein Spieler, der technisch auf engem Raum alles lösen kann", lobte der Werder-Coach Ole Werner nach dem Sieg gegen Schalke: "Ich bin sehr froh, dass er da ist." Des Trainers Freude lässt sich auch anhand einiger Sachargumente ablesen. Zur bislang mehr als ordentlichen Werder-Saison hat Weiser bereits einen Treffer und sechs Vorlagen beigetragen, dank seines hohen Energielevels ist er längst nicht mehr wegzudenken aus der Bremer Startelf.

Werner hat Weiser nur von seinem Vorgänger Anfang geerbt, doch er wusste sofort etwas mit ihm anzufangen. Im inzwischen standardisierten Bremer 3-5-2-System ist Weiser der offensivere der beiden Außenspieler, der nach vorne viele Freiheiten hat, solange er nicht die Wege nach hinten scheut. Das war nicht immer so. Weiser galt lange als großes Talent, das sich nur als bedingt empfänglich für Handlungsempfehlungen seiner Trainer zeigte. Das merkten sie beim FC Bayern, wo sich der damals noch sehr junge Flügelmann nicht durchsetzen konnte. Das merkten sie später auch bei Hertha BSC und Bayer Leverkusen, wo man ihm hinter vorgehaltener Hand jeweils nachrief, dass der nicht mehr ganz so junge Flügelmann vor allem an sich selbst gescheitert sei.

Füllkrugs Verletzung ist nicht schlimm - ein möglicher WM-Ausfall stünde nicht zu befürchten

Diese eher negativen Meinungsbilder lassen jedoch außer Acht, dass Weiser nun mal ein sensibler Fußballer ist, der viel Zutrauen braucht, um sich im Profialltag zurechtzufinden. In Bremen ist dies offenbar der Fall. "Ich habe hier meine Freude am Fußball wiederentdeckt", sagte Weiser nach dem Sieg gegen Schalke, der davon abgesehen ein paar frohe Botschaften nach sich zog: Stürmer Füllkrug, der am Samstag mit Rückenschmerzen ausgewechselt werden musste, hat lediglich eine leichte Prellung zu beklagen. Ein längerer Ausfall steht nicht zu befürchten.

Füllkrug dürfte somit auf jeden Fall in der körperlichen Verfassung sein, um bei der schon bald anstehenden WM die vakante Torjäger-Rolle im DFB-Team auszufüllen. Und wo man nun schon bei theoretischen Erwägungen und interessanten Gedankenmodellen angelangt wäre: Auf eine Menge überqualifizierter Außenverteidiger kann Bundestrainer Hansi Flick ja bekanntlich auch nicht zurückgreifen. Mitchell Weiser ist jedenfalls immer gut zu erreichen. Sogar unter der Dusche.

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