Milliardär will Vereine und Arenen verkaufen:Der größte Deal der Sportgeschichte

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Der Milliardär Philip Anschutz will sein Unternehmen veräußern, zu dem 25 Sportvereine wie die Los Angeles Lakers, die Eisbären Berlin und LA Galaxy sowie mehr als 100 Arenen gehören. Über die Gründe wird heftig spekuliert, es könnte mit einem ehrgeizigen Projekt zu tun haben.

Jürgen Schmieder

Die Menschen erzählen gerne eine drollige Geschichte über Philip Anschutz, wenn sie erklären möchten, wie dieser Mann so tickt. Bei einem Eishockeyspiel der Los Angeles Kings bemerkten die Angestellten, dass ihr Chef, dieser 72 Jahre alte Milliardär aus Denver, nicht da war. Anschutz hat keinen Chauffeur, keinen Assistenten und kein Handy - also wurde er als vermisst gemeldet.

Der Traum von Philip Anschutz: ein Stadion mitten in Los Angeles - dazu ein Footballteam. (Foto: Farmersfield.com)

Irgendwann tauchte er auf und entschuldigte die Verspätung damit, dass er zurück ins Hotel geeilt war: Er habe die Tickets vergessen und gefürchtet, dass er nicht ins Staples Center gedurft hätte. Wohlgemerkt: Anschutz gehören sowohl die Arena als auch der Klub.

Nun hat Anschutz mit einer knappen Ankündigung für ein Erdbeben gesorgt - und es muss schon etwas Monströses sein, damit die Menschen in Los Angeles den Begriff Erdbeben verwenden, ohne dass tatsächlich die Erde wackelt. Er ließ verlautbaren, eine seiner Firmen veräußern zu wollen, die Anschutz Entertainment Group (AEG). "Dies ist die geeignete Zeit, AEG an einen neuen, qualifizierten Eigentümer zu übergeben", sagte Firmenpräsident Tim Leiwecke in einer knappen Erklärung. Anschutz selbst wollte sich nicht äußern.

Dieser Verkauf ist nichts weniger als der größte Deal in der Geschichte von Sport und Entertainment, Experten rechnen mit einem Gesamterlös von bis zu sieben Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen ist weltweit an mehr als 25 Sportklubs und mehr als 100 Arenen mit jeweils mehr als 7000 Sitzplätzen beteiligt. Darüber hinaus hat die Firma die weltweit zweitgrößte Agentur für Konzertvermarktung im Portfolio, die unter anderem die Comeback-Tour von Michael Jackson plante - und nach dessen plötzlichem Tod die Beerdigung organisierte.

Die vor 34 Jahren gegründete Firma AEG betreibt ein einfaches wie geniales Geschäftsmodell: Sportteams brauchen Arenen. AEG baut oder kauft eine prächtige Halle, die zu einem Markenzeichen in der jeweiligen Stadt werden soll. In dieser Arena finden dann nicht nur die Partien der Mannschaften statt, sondern auch Boxkämpfe und Musikkonzerte. So kann AEG die eigenen Arenen durch eigene Teams und eigene Veranstaltungen beinahe auslasten - und die restlichen Tage recht entspannt vermieten.

"Live-Konzerte sind mittlerweile der ökonomische Motor der Musikindustrie, das Erleben einer Partie im Stadion gehört seit jeher zu den Eckpfeilern professionellen Sports", sagt Leiwecke, "wir sind einzigartig positioniert und führen Projekte durch, an die andere Firmen nicht einmal denken können." Kurz nach der Verkaufs-Ankündigung meldeten sich bereits Interessenten: das Immobilien-Unternehmen Colony Capital LLC, die Investment-Firma Guggenheim Partners LLC, der Milliardär Patrick Soon-Shiong.

Anschutz Entertainment Group steht zum Verkauf
:Ein Paket für 5,4 Milliarden Euro

Dagegen wirkt ein Scheich fast provinziell: Mehr als 100 Stadien und Hallen auf der ganzen Welt und mehr als 25 Profi-Sportklubs besitzt der Milliardär Philip Anschutz. All dies bietet er nun als Komplettpaket an. Was man sich für rund sieben Milliarden US-Dollar, also 5,4 Milliarden Euro, kaufen kann.

Bleibt die Frage, warum Anschutz diese Firma veräußern möchte. In den USA wird derzeit wild spekuliert, weil sich Anschutz nicht äußert. Er liegt laut Forbes mit einem Nettovermögen von sieben Milliarden US-Dollar auf Platz 44 der reichsten Amerikaner und gilt darüberhinaus als Sport- und vor allem Fußballfan. Er verkauft dieses Unternehmen nicht, weil er muss - sondern offensichtlich, weil er es so will. Es geht ihm offenbar um sein Vermächtnis.

Ein Mann und seine Mannschaft: Philip Anschutz (vorne) feierte mit den Los Angeles Kings im vergangenen Sommer den Gewinn des Eishockey-Titels. (Foto: Reuters)

Anschutz ist 72 Jahre alt, keines seiner drei Kinder hat Interesse an AEG, deshalb sucht er jemanden, der die Firma in seinem Sinne weiterführt, bevor es die Erben zerstückeln und zerstören. "Wir suchen einen Käufer, der die Verpflichtungen übernimmt und die Prinzipien von Mr. Anschutz weiterführt", sagt Leiwecke knapp. Der Käufer soll die komplette Firma übernehmen und auch die weniger lukrativen Klubs und Bauwerke behalten.

Anschutz könnte sein Unternehmen aber auch deshalb verkaufen, damit ihm sein Nachfolger ein sportliches Denkmal in Los Angeles setzt. Seit dem Wegzug der Rams und der Raiders im Jahr 1995 gibt es kein professionelles Footballteam mehr in der zweitgrößten Stadt der USA. Anschutz will nun direkt neben dem Staples Center ein Footballstadion mit 78.000 Plätzen bauen - eine Art Glaspalast: Die Arena im Stadtzentrum soll eine transparente Hülle und ein bewegliches Dach haben, durch das auch dann die Sonne aufs Spielfeld scheint, wenn es geschlossen ist.

Anschutz möchte einen, am liebsten zwei Klubs zum Umzug nach Los Angeles bewegen, als mögliche Kandidaten gelten die San Diego Chargers, die St. Louis Rams, die Jacksonville Jaguars und die Oakland Raiders. Im Frühjahr 2013 sollen Team-Eigentümer, die Profiliga NFL und Vertreter der Stadt verhandeln, der Stadtrat von Los Angeles stimmt am 28. September über eine Genehmigung ab, wobei ein Votum pro Stadion als sicher gilt.

Die Arena soll 1,2 Milliarden Dollar kosten und zur Spielzeit 2016 bezugsfertig sein. Fehlt noch das Team, der Wert der Chargers etwa beträgt laut Forbes 920 Millionen. Anschutz, so heißt es, sucht einen jüngeren, ebenso sportverrückten Milliardär wie etwa Soon-Shiong, der seinen Traum von Football in LA teilt und verwirklicht. "Ich habe die Bestätigung von Philip Anschutz und Tim Leiwecke, dass der Verkauf des Unternehmens keinen Einfluss darauf hat, ein NFL-Team zurück nach LA zu holen", sagte Bürgermeister Antonio Villaraigosa, "die verhandelten Verträge sind gültig."

Details zu diesen Verträgen wurden bislang nicht veröffentlicht - doch wird Anschutz auch nach dem Verkauf seiner Firma Tickets für dieses Stadion bekommen, die er dann im Hotel vergessen darf.

© SZ vom 21.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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