Mihambo und Kaul:Es gibt tausend Königswege zum Erfolg

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Niklas Kaul sitzt am Ende des Laufs über 1500 Meter inmitten seiner niedergeschlagenen Gegner. (Foto: Tim Bradbury/Getty Images)

Die Wahl zum Sportler des Jahres zeigt, wie unterschiedlich die erfolgreichsten Athleten zum Ziel kommen - und wie befremdlich manche Entscheidungen von Sportbürokraten sind.

Kommentar von Johannes Knuth

Als der Zehnkämpfer Niklas Kaul im vergangenen Oktober bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha überraschend die Goldmedaille gewonnen hatte, da gab es einen Moment, in dem sich sein Triumph bündelte wie in einem langen, leisen, harmonischen Schlussakkord einer Sinfonie. Kaul war die abschließenden 1500 Meter als Schnellster gerannt, er durfte im Ziel also auch als Erster ermattet zu Boden sinken. Und weil der 21-Jährige so pünktlich eingetroffen war, saß er schon wieder aufrecht im Ziel, wie ein Fels in der Brandung, als die Mitbewerber nach und nach eintrafen und um ihn herum zu Boden plumpsten. Kaul hatte sogar schon wieder die Kraft, ungläubig zu lächeln - wie einer, der begriffen hatte, dass er, die personifizierte Zukunft seines Sports, soeben die Gegenwart überlistet hatte.

Dass Niklas Kaul und Weitspringerin Malaika Mihambo, die zweite deutsche Gold-Gewinnerin in Doha, nun auch offiziell zu den deutschen Erfolgsgesichtern des Jahres ausgerufen worden sind, bietet die Gelegenheit, sich noch mal grundsätzliche Gedanken über die Prämierten zu machen, ihre Historie, Gegenwart, Zukunft. Wenn man sich zwei Sportler des Jahres bauen dürfte, die nicht nur einschlägige Erfolge, sondern auch die sogenannte Haltung mit sich führen, die von ihnen verlangt wird, dann kämen diese Musterathleten Mihambo und Kaul zumindest ganz schön nahe: Sie wären strebsam, hätten einige Jahre und Erfolge hinter sich und noch einige vor sich. Sie wüssten, wann sie auf andere hören sollten und wann auf sich selbst. Und sie sähen sich imstande, über die Menschenrechtslage im WM-Ausrichterland ebenso zu reden wie über die Medienpräsenz der Leichtathletik, die in der Vergangenheit immer mehr in die Nische des Kommerzsports gerutscht ist.

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Ein irrer Wettbewerb und drei Knallersprünge: Malaika Mihambo kann ihre Goldmedaille vor Freude kaum begreifen, dabei ist sie das logische Resultat eines langen Prozesses.

Von Saskia Aleythe, Doha

Aber Sportlerehrungen erzählen ja immer auch was über die Biotope, aus denen die Musterschüler hervorgehen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) kann jedenfalls reklamieren, dass sich seine Strategie mal wieder bewährt hat: das System der tausend Königswege, die die Athleten eigenverantwortlich erkunden dürfen - zumindest solange sie erfolgreich sind. Mal ist es das badische Oftersheim, wo Mihambo bis heute von einem Hobbytrainer betreut wird, mal die Unistadt Mainz, wo Kaul dem Training seiner Eltern vertraut. Aber daran, wie schmal diese Pfade zuweilen sind, erinnert ausgerechnet Mihambo selbst. Der DLV hatte die 25-Jährige vor zwei Jahren für eine Weile aus der höchsten Förderklasse genommen, weil sie unverschuldet einen Treppensturz erlitten hatte, der sie ein Jahr in den Krankenstand zwang. Motiviert man so jemandem, dem schon damals nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft gehörte?

Es ist manchmal schon befremdlich, wie kühl manche Sportbürokraten vorgehen, wenn man weiß, wie wenige Gewissheiten es für den olympischen Sport hierzulande noch gibt. Viele Nachwuchskräfte finden in der Leichtathletik oft nur zufällig ins System - Stichwort: mangelnde TV-Präsenz - und wenn sie doch hereingespült werden, sind sie oft früh erfolgreich - Stichwort: 21 Medaillen bei der diesjährigen U23-EM. Nur: viele Starterfelder waren dort auch frei von deutschen Athleten.

Anderes Beispiel gefällig? Die gut gemeinte Reform des DLV, die Startfelder bei den diesjährigen nationalen Meisterschaften zu verknappen, um das Programm für Zuschauer und TV zu straffen, erwies sich ebenfalls als kurzsichtig - manchem Nachwuchsathleten blieb so ein Start verwehrt. Und was, wenn darunter auch ein künftiger Niklas Kaul war - einer der hofft, irgendwann auch einmal auf der Bahn zu hocken, mit diesem ungläubigen Lächeln im Gesicht?

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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