Deutsche Weitspringerin:Der Sprung ihres Lebens

Weitsprung: Malaika Mihambo bei der Leichtathletik-WM 2019 in Doha

Perfekte Technik: Malaika Mihambo beim Wettbewerb in Doha.

(Foto: REUTERS)
  • Der Weltmeister-Titel im Weitsprung überwältigt Malaika Mihambo in Doha, doch sie hat jetzt viel Zeit, ihren Erfolg zu verarbeiten.
  • Sie gewinnt in Doha mit riesigem Vorsprung auf die Konkurrenz.
  • Auch für Tokio 2020 hat sie glänzende Aussichten.

Von Saskia Aleythe, Doha

In ein paar Tagen wird Malaika Mihambo irgendwo in Bangkok stehen, und dann kommt dieser Moment, in dem es Klick macht. Dieser Moment, in dem sie dann nach den ersten Urlaubsstunden versteht, dass sie und die Weltmeisterin im Weitsprung tatsächlich dieselbe Person sind. Am Sonntagabend war das noch nicht zu ihr durchgedrungen. In den Kopf schon, natürlich, warum sonst hatte sie plötzlich eine Medaille um den Hals hängen. Aber nicht so wirklich ins Herz und in die Seele, "deswegen stehe ich hier auch so, als ob nichts wäre", sagte sie und lachte. Im Gesicht war es schon angekommen.

Ihr Name "Malaika" ist Swahili und bedeutet "Engel" und so sah sie in Doha nun ja auch aus: Wie sie nach ihrem Goldgewinn die Arme ausbreitete, die Fahne zwischen den Händen, ein Sprung in die Höhe, Kameras klickten. Die 25-Jährige hat einen Reiserucksack mitgenommen nach Doha, am Montag um 8.30 Uhr sollte es schon Richtung Thailand gehen. "Morgen kann ich die Tasche abgeben und den Rucksack aufsetzen und dann geht's los", sagte Mihambo und strahlte, vor einem Jahr hatte sie sich von einer Reise durch Indien inspirieren lassen.

Mihambo liebt den Einblick in andere Welten, hat selber aber immer in ihrer Heimat trainiert, beim TSV Oftersheim; ihr Trainer Ralf Weber und sie kennen sich seit ihrem elften Lebensjahr. Und dann kann es eben die Besinnung auf die einfachen und vertrauten Dinge sein, die einem zum zwölftweitesten Sprung der Geschichte führen.

Das Begreifen ihres Erfolgs war ja nicht nur an den Gewinn der Goldmedaille gekoppelt; Mihambo hatte im Finale in Doha den weitesten Satz mit 7,30 Metern gezeigt - und war insgesamt drei Mal über sieben Meter gesprungen. "Drei Knaller", wie sie später sagte, "echt: unfassbar". Es war ein irrer Wettbewerb: Erst wäre sie beinahe vorzeitig ausgeschieden, später sprang sie nur noch gegen sich selber.

Der erste Versuch auf 6,52 Meter, großer Abstand zum Brett, der nächste ungültig, Platz sieben. Und nun? "Das war auch ein bisschen wie so ein Mantra, was ich mir eingeredet habe. Dass jetzt der nächste Sprung gültig sein muss", sagte sie später und sprach auch davon: Sie wollte einen Sicherheitssprung zeigen, um definitiv noch drei weitere Chancen zu bekommen, annähernd an ihre bisherige Bestleistung von 7,16 Meter zu kommen.

Ein Sicherheitssprung auf 7,30 Meter. So weit sei sie im Training noch nie gekommen, sagte Mihambo, "vielleicht komme ich nie wieder daran." Danach sei ihr schon klar gewesen, dass das für Gold reichen würde. Ihren Körper habe sie für einen kurzen Moment gar nicht mehr gespürt, nachdem die Anspannung schon nach dem dritten Versuch abgefallen war.

In ihrer eigenen Liga

Also kämpfte sie nach ihrem Goldsprung schon gar nicht mehr gegen die Konkurrenz, nur noch um Bestweiten: Der WM-Rekord von 7,36 Meter hätte sie schon noch gereizt, aber gut, klappte dann halt nicht. Sie springt in ihrer eigenen Liga: Über sieben Meter war im Finale keine der Konkurrentinnen gekommen, sie gleich dreimal. Und was man über Malaika Mihambo, die nebenbei noch Umweltmanagement im Master studiert, wissen muss, klang dann auch aus diesen Sätzen heraus: "Jetzt habe ich in einem Wettkampf immerhin schon drei Mal sieben Meter geschafft, das ist auch eine gute Leistung." Es war natürlich viel mehr als das. Der größte Vorsprung in einem WM-Finale jemals, der erste Titel für Deutschland seit 26 Jahren.

Schon der EM-Titel vor einem Jahr in Berlin hatte sie im dritten Versuch zu Gold geführt, auch damals stand das Ausscheiden knapp bevor. Überhaupt hat Mihambo bei großen Wettkämpfen längst überzeugt. 2016 EM-Bronze, danach Platz vier bei Olympia in Rio. Und das, obwohl sie von ihrem Trainer behutsam aufgebaut wurde, es ging nie um den schnellen Erfolg. Ende Januar 2017 rutschte sie von einer Treppenstufe und verletzte sich am Fuß, eine langwierige Geschichte, der Deutsche Leichtathletik-Verband strich sie aus dem Olympia-Kader (ehemals A-Kader), Mihambo war laut Status nur noch eine Athletin mit B-Chancen auf Medaillen.

Und so kann sich das Blatt dann wieder wenden: In Doha sollte Mihambo mit ihrer Wahnsinnssaison und nun mehr neun Sprüngen über sieben Meter das Gesicht der deutschen Mannschaft sein. Zusammen mit dem einzigen anderen Weltmeister: Zehnkämpfer Niklas Kaul, der auch nicht durch ein Leistungszentrum groß geworden ist, sondern durch seinen Heimatverein USC Mainz und die Eltern, die ihn trainieren.

Die Medaille bleibt nun erst mal bei ihrer Mutter, wenn Mihambo nun auf Reisen geht, "die will ich nicht verlieren". Vier Wochen Urlaub stehen bevor, die wolle sie voll auskosten, sagte Mihambo noch, "um das zu verarbeiten und die Saison ein bisschen Revue passieren zu lassen". Dann geht es weiter mit dem neuen Ziel, Olympia. "Wenn man jetzt davon ausgeht, dass alles so gut läuft, ich gesund bleibe, dann kann ich mich einfach nur freuen, wenn ich nächstes Jahr noch mal in so einer Form bei einem großen Wettkampf dastehe", sagte sie. Es sind glänzende Aussichten.

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