Alles im Leben hat seinen Preis und weil das auch für Unbelehrbarkeit gilt, kann es teuer werden. Samstagnacht in Las Vegas saßen knapp 15 000 Menschen in einer Halle, alle hatten für diesen Zugang viel Geld bezahlt. Mehrere tausend Euro im Durchschnitt. Bei diesem Kampf muss man dabei sein, wurde ihnen erzählt, also waren sie glücklich, dem exklusiven Event beizuwohnen. Weltweit zahlten ein paar Millionen Menschen für die TV-Übertragung, in den USA kostete der Zugang 89 US-Dollar.
Wer sich auf solche Kosten einlässt, will natürlich etwas geliefert bekommen, wobei die Art der Dienstleistung hier noch zu klären wäre. Floyd Mayweather Jr. (40, seit zwei Jahren im Ruhestand, aber in bis dahin 49 Kämpfen unbesiegt) und der MMA-Kämpfer Conor McGregor (29, Ikone seines Sports, aber Box-Debütant) standen sich also im Ring gegenüber, nach zehn Runden endete der Kampf mit dem Urteil des Ringrichters: Kampfabbruch, weil McGregor angeknockt durch die Gegend taumelte, technischer K.o.. Mayweather und sein Gegner steckten noch einmal kurz die Köpfe zusammen, flüsterten sich "großartige Show!" zu und dann war sie perfekt: die teuerste Veräppelung im Sport.
Der sportliche Teil dieses Abends ist schnell erzählt. McGregor wagte sich zu Beginn offensiver an Mayweather heran, er war flink unterwegs, schwang die Arme durch die Lüfte, während sich der Amerikaner durch den Ring treiben ließ, scheinbar plan- und ziellos. Mayweather hatte in den kommenden Runden die besseren und vor allem kräftigeren Schläge, wie sich das für einen Boxer gehört. Doch seine Motivation für ein schnelles Ende war gering.
Am Ende wird der Kampf wohl annähernd eine Milliarde Dollar Umsatz generiert haben
Seinen verhaltenen Stil sollte der Amerikaner später als Kampfstrategie verkaufen und die klang sogar schlüssig: "Unser Plan war, uns Zeit zu lassen. Ihn schlagen zu lassen, bis er müde ist." Im MMA dauert ein Kampf maximal 25 Minuten und so war McGregor am Ende in Las Vegas genau zu diesem Zeitpunkt: ziemlich platt. Dass der ehemalige beste Boxer seinen Gegner müde laufen will, statt ihn im Kampf zu bezwingen, wofür genau spricht das? Mit ein bisschen Leidenschaft hätte er früh triumphieren können, aber dann wäre die jetzige Win-Win-Situation ausgeblieben. McGregor steht als ehrenhafter Debütant da, weil er so lange durchgehalten hat. Und Mayweather weiter als ungeschlagen. Mit 50-0 wird seine Kampfstatistik nun beworben, womit er den Rekord von Rocky Marciano gebrochen hätte. Dass davon einer ein Showkampf gegen McGregor war, scheint nur eine Randnotiz zu sein. "Ein Sieg ist ein Sieg, egal wie", meinte Mayweather noch.
Egal wie, dieses Prinzip hat sich im Boxen über die Jahre bewährt, vor allem in Vermarktungsfragen. Begegnungen, die rein sportlich wenig Spannung erlauben, zu Megakämpfen hochzujubeln. Entweder durch die Verbreitung allerlei Unflätigkeiten und/oder durch das Überhöhen der Ungewissheit. Was, wenn der Favorit doch gestürzt wird? Was, wenn da eine große Überraschung lauert? Gedanken und Szenarien, von denen der Sport im Allgemeinen lebt. Doch funktioniert das bis ins Unermessliche?
Ob ein Triathlet den besten Schwimmer schlagen kann? Ein Zehnkämpfer den besten Stabhochspringer? Es sind Fragen, die niemand stellt, der logisches Denken beherrscht. Mayweather und McGregor haben es geschafft, diese Fähigkeit bei vielen zahlungswilligen Menschen völlig auszuschalten. Man muss das wohl tatsächlich als Leistung begreifen. Ein Boxkampf, in dem ein herausragender Boxer gegen einen sportartfremden Kämpfer antritt, soll ergebnisoffen sein? Klingt absurd, lässt sich aber genauso absurd vermarkten: Am Ende soll der Kampf wohl annähernd eine Milliarde Dollar Umsatz generieren.
"Ich verstehe es nicht als ernsthaften Kampf", sagte Ex-Weltmeister Lennox Lewis vorab, Mike Tyson wurde noch drastischer: "McGregor wird im Boxen gekillt. Ich bin wütend, weil sie boxen". Die NSAC (Nevada State Athletic Commission) hätte das Zusammentreffen verhindern können, sie ist Lizenzgeber und beaufsichtigt alle möglichen Kampfveranstaltungen, natürlich auch mit einem gewissen Blick fürs Geld im heimischen Bundesstaat. Der bekommt acht Prozent aus den Ticketverkäufen, die Kommission aus diesem Anteil 25, am Ende über eine Million US-Dollar. Dass McGregor als Anfänger im Ring erheblichem Verletzungsrisiko ausgesetzt ist, spielte bei den Entscheidern keine große Rolle. "Wir waren sehr überrascht, dass der Kampf erlaubt wurde", sagte Larry Lovelace, Präsident einer Vereinigung renommierter Ringärzte, der New York Times.
Der WBC kreierte extra einen "money belt"
Unumstritten werden Millionen Menschen gut unterhalten nach dieser Nacht einschlafen, genau für diese Dienstleistung haben sie schließlich bezahlt. So mancher kann sich ja durchaus amüsieren über das mal pubertäre, mal martialische Gehabe vor dem Kampf, über Mayweathers Räubermaske, mit der er den Ring betrat oder überhaupt darüber, dass sich jetzt beide großen Respekt zollen, nachdem sie sich monatelang beschimpft oder verspottet haben.
Dass der Sport in dieser Nacht eine Lachnummer war, störte selbst den Weltverband WBC nicht: Er hatte extra einen Gürtel angefertigt, den "money belt" mit 3360 Diamanten, diversen anderen Klunkern und Edelmetallen, um ihn Mayweather zu verleihen.
Falls es noch einen Beweis dafür gebraucht hat, ist dieser nun erbracht: Die Unterhaltungsblase hat den Sport erdrückt. Und die Menge jubelt.