Dreiergespanne spielen in Augusta von jeher eine besondere Rolle. Zu den kleinen, gut gepflegten Eigenheiten des Masters zählen der traditionelle Spaßwettbewerb auf dem Kurzplatz, bei dem die Familien der Golfprofis als Caddies mitlaufen können, das Dinner der ehemaligen Sieger zu Ehren des letztjährigen Gewinners des grünen Jacketts, sowie der Auftritt der drei honorigen geladenen ehemaligen Champions: Jack Nicklaus, Gary Player und Tom Watson. Sie eröffnen mit ihren Abschlägen an diesem Donnerstagmorgen das Turniergeschehen - als Ouvertüre für den Auftritt des anderen Trios, das nicht in den 1960er- und 1970er-Jahren, sondern in den frühen 2020er-Jahren den Golfsport bestimmt.
Gewissheit darüber, wer die besten Chancen auf einen Masters-Sieg hat, gibt es in den wenigsten Jahren. Üblicherweise gilt die Regel, dass etwa ein Drittel des herausragend besetzten Feldes den erweiterten Favoritenkreis bildet. Nur: Was sich im vergangenen Jahr im Golfsport entwickelt hat, ist eine seltene Kombination eines Terzetts, das dem Rest der Welt auf eine Art und Weise enteilt ist, dass erste Vergleiche mit den Big Three der Tenniswelt aufkommen: Die Dominanz, die Scottie Scheffler, Jon Rahm und Rory McIlroy derzeit ausstrahlen, erinnert fast schon an die besten Zeiten von Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic.
Profisport mit Tourette:Golfen mit dem Clown im Kopf
Jahrelang hat Robin Smiciklas seine Tourette-Erkrankung verheimlicht - die unkontrollierbaren Bewegungen auf dem Platz unterdrückt. Nun lässt er die Tics zu, strebt in die Weltspitze und fragt sich: Kann man von Tourette sogar profitieren?
Nominell an Nummer eins steht derzeit Scheffler, 26, der als Titelverteidiger am Dienstag zum Champions Dinner eingeladen hat. Er ließ Mini-Cheeseburger, Tortilla-Suppe, Rib-Eye-Steak und Eis mit Keksteigstückchen servieren, was durchaus einige Rückschlüsse auf seinen Charakter zulässt: Scheffler ist Texaner, bodenständig und unprätentiös. Kaviar und Chateaubriand hätten zu ihm ebenso wenig gepasst wie zu Bernhard Langer, der als bayerischer Schwabe einst bei den Köchen in Augusta Schnitzel und Schwarzwälder-Kirsch-Torte in Auftrag gab.
"In hundert Jahren wird man mich vergessen haben"
Scheffler ist in der Tradition der gutmütigen, christlich erzogenen Südstaaten-Golfer aufgewachsen. Seit seinem ersten Karrieresieg in Arizona vor 14 Monaten hat er weitere sieben Siege verbucht, allesamt im Frühjahr rund ums Masters. "Das mit dem Vermächtnis ist eine komplizierte Sache", sagte Scheffler, der im Vergleich zu seinen Konkurrenten zumindest äußerlich nicht so wirkt, als würde es ihm weniger darum gehen, welchen Status in der Golfwelt er erreicht - sondern eher, wie er immer wieder betont, wohin Gott ihn auf seinem weiteren Weg noch führt.
Jon Rahm, 28, glaubt hingegen vor allem daran, dass er selbst seinen Weg bestimmt. Dass der Spanier eines Tages um alle großen Titel im Golf spielen würde, stand kaum jemals in Frage, weder für ihn noch für Beobachter: Zu Collegezeiten schon distanzierte er seine Gegner auf eine brachiale Art und Weise, die ihm seinen Spitznamen Rahmbo einbrachte. Rahm, der Ehrgeizige, wollte immer schon der Beste sein, daran hat sich bis heute nichts geändert. Als er zu Jahresbeginn bei den ersten sieben Turnierauftritten dreimal gewann, konnte sich einige Wochen lang auch der Rest der Szene darauf einigen, dass es nun so weit war. Gestoppt wurde sein Lauf durch ein Magen-Darm-Virus bei der Players Championship vor einem Monat, als Rahm aufgeben musste und dann ein aus seiner Sicht enttäuschendes Matchplay-Resultat ablieferte.
An seinem Status als Siegkandidat beim Masters hat das nichts geändert. Rahm hat bewiesen, dass er jeden Golfplatz der Welt dominieren kann - wenn ihn etwas aus der Bahn wirft, dann sein Ehrgeiz, der bisweilen in Frustration umschlagen kann, die in Augusta noch niemandem geholfen hat. Ein grünes Jackett erhält am Ende nicht selten der Spieler mit der größten Geduld und dem besten Verständnis dafür, dass vier Tage in den grünen Hügeln von Georgia ein andauerndes Auf und Ab sind.
Kaum jemand kann darüber mehr erzählen als Rory McIlroy. Im Vergleich mit Scheffler und Rahm ist der 33-jährige Nordire der Senior, seit 15 Jahren schon versucht er, das Masters zu gewinnen; es reichte bis jetzt für sieben Top-10-Platzierungen. Die US Open (2011), die British Open (2014) und die PGA Championship (2012, 2014) hat McIlroy in jungen Jahren schon gewonnen. Und den Titel in Augusta werde er auch noch holen - sagt zumindest Tiger Woods: "Es ist nur eine Frage der Zeit. Rory hat über die Jahre gezeigt, dass er gelernt hat, hier zu spielen. Er wird es schaffen."
Scheffler und Rahm bringen es jeweils auf einen Major-Sieg, McIlroy hat vier
Außerhalb des Platzes hat sich McIlroy längst den Status als Anführer der Spieler etabliert, die sich gegen die saudi-arabische LIV Tour stellen. Untermauert hat er das mit mehreren Siegen in den vergangenen zwölf Monaten, allerdings auch einer knappen, schmerzhaften Niederlage beim letzten Major-Turnier im Juli 2022: Die British Open verlor McIlroy am Schlusstag, was sein jahrelanges Streben nach einem weiteren Major-Sieg verlängerte. Zuversichtlich ist er nun auch deshalb, weil er dank der Erfahrung "ein wesentlich besserer Spieler" sei als bei seinem ersten Major-Sieg.
"Es ist sicher nicht so, dass wir uns gegenseitig schlechter machen", sagte Scheffler über das Trio. Bereits jetzt steht fest, dass Scheffler, McIlroy und Rahm bei allen vier großen Turnieren der Saison als Favoriten ins Rennen gehen werden. Konkurrenz haben sie genug: Jordan Spieth, Justin Thomas und Collin Morikawa zählen zu den Jägern dieser Drei; auch die LIV-Spieler wie Dustin Johnson, Brooks Koepka und Cameron Smith stoßen diesmal in Augsta dazu, anders als bei den normalen PGA-Tour-Turnieren.
Der Australier Smith - jener Golfprofi, der McIlroy auf dramatische Art in St Andrews den Titel weggeschnappt hatte - wechselte im November für ein Handgeld von 100 Millionen US-Dollar auf die Saudi-Tour und rückte damit aus dem Fokus. Ohne diesen Wechsel, sagen viele, würde er heute mit Scheffler, McIlroy und Rahm ein Quartett an der Weltspitze bilden.
So blieb es beim Trio, dem zur Ära allerdings noch etwas fehlt: Sowohl Federer, Nadal und Djokovic als auch das Terzett Nicklaus, Player und Watson verbindet, dass ihre Karrieren nicht aufgrund der Summe der Siege oder der Weltranglistenposition als einzigartig gelten - sondern aufgrund der Sammlung der wichtigsten Trophäen. Scheffler und Rahm bringen es jeweils auf einen Major-Sieg, McIlroy hat vier, die allerdings weit zurückliegen. Ob die Vergleiche also gerechtfertigt sind, wird sich in diesem Jahr an vier Orten zeigen. Oder anders gesagt: In 16 Golfrunden müssen die großen Drei beweisen, dass ihre Dominanz mehr ist als eine Erscheinung der vergangenen 14 Monate. In Augusta geht es los.