Mario Gomez' Weggang aus München:Trennung bei Zählerstand 113

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Und Tor: 113 Mal hat Mario Gomez für den FC Bayern München wie hier im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart getroffen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der FC Bayern plant die erste Saison unter Trainer Pep Guardiola: Franck Ribéry und Daniel Van Buyten verlängern, doch Mario Gomez wird München nach mehr als 100 Treffern im Bayern-Trikot verlassen. Die Ablösesumme und sein Gehalt werden sich an dieser Marke orientieren.

Von Klaus Hoeltzenbein

Klassische Torjäger sind leicht zu berechnende Charaktere. Die einzige Maßeinheit, die für sie gilt, sind die zählbaren Erfolge. Gibt es nichts Zählbares zu vermelden, verwandeln sich viele Torjäger oft in reizbare, feuerspeiende Wesen. Insofern bestand allerdings wenig Gefahr, als Jupp Heynckes am Samstag in Berlin bereits nach gut einer Stunde den Befehl erteilte, auf der Auswechseltafel die Nummer "33" aufleuchten zu lassen. Mario Gomez, da bereits zweimaliger Torschütze, musste raus, Mario Mandzukic durfte rein.

Meist war es umgekehrt in dieser Saison, so wie eine Woche zuvor im Wembleystadion in London: Mandzukic raus, Gomez rein. Allerdings erst in Minute vier der Nachspielzeit. Die Münchner hatten ohne Gomez' Hilfe den Champions-League-Triumph gegen Borussia Dortmund erreicht. Der Wechsel war nur noch taktischer Natur, um die Uhr runterzuspielen.

Berlin und London, dies waren zu nahezu einhundert Prozent die letzten Einsätze des Mario Gomez für den FC Bayern. Zwei Auftritte, beide zeitlich limitiert, in denen sich Glanz und Elend, Gelingen und Scheitern des über vier Spielzeiten gestreckten Aufenthaltes des Stürmers beim Rekordmeister spiegeln. In London nur noch Platzhalter, in Berlin jedoch Matchwinner, jedenfalls bis zum 3:0 der wegweisende Torschütze im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart (Endstand 3:2). Gegen seinen Heimatverein. Auch der Name des Gegners hatte Heynckes in der Entscheidung bestärkt, Gomez dieses Abschiedsspiel vom Anpfiff weg zu gewähren. Trainer lieben solcherart sentimentale Folklore.

Doch wer geglaubt hatte, da gehe jetzt vielleicht doch noch was, der künftige Bayern-Trainer Pep Guardiola könne sich zu einem Anruf beim Zwei-Tore-Stürmer bewegen lassen, der wird dieser Illusion spätestens durch eine aktuelle Aussage des Gomez-Managers Uli Ferber im kicker beraubt: "Die Tendenz bei Mario geht ganz klar dahin, dass er sich vom FC Bayern trennen wird." Der Zähler bleibt also stehen bei 113 Treffern in 174 Pflichtspielen, seit Gomez 2009 vom VfB zu den Bayern kam.

Der 27-Jährige ist damit auf dem Transfermarkt, der in diesem Vor-WM-Sommer ein großes Abenteuer zu werden verspricht. Marktbereinigend wirkt sich zunächst einmal aus, dass die Münchner am Donnerstag gleich vier Personalien verkündeten, die alle das Plazet von Guardiola haben.

Offiziell als Heynckes-Nachfolger präsentiert wird der Spanier am 26. Juni, antreffen wird er auch folgende Herren: Publikumsliebling Franck Ribéry unterschrieb vorzeitig für zwei weitere Jahre bis 2017; er wäre dann 34, weshalb es als möglich erscheint, dass er in München in die Fußball-Rente hinüberwechselt. Ein weiteres Jahr, zunächst bis Sommer 2014, bleibt Daniel Van Buyten. Der Belgier ist zwar bereits 35, hat sich aber als flexibler Innenverteidiger empfohlen, der im Wechsel mit Jérome Boateng neben Abwehrchef Dante eingesetzt wurde.

So schließen die Münchner jene Lücke, die durch die komplizierte Knieverletzung von Holger Badstuber entstanden ist, der frühestens zur Rückrunde 2013/2014 wieder mitwirken kann. Vierter Innenverteidiger wäre der von Mainz 05 kommende Jan Kirchhoff. Die überraschende dritte neue Personalie ist das Engagement des Niederländers Erik ten Haag, 43, für die zweite Mannschaft. Die Planstelle in der vierten Liga war durch den Rückzug von Mehmet Scholl frei geworden. Als Empfehlung bringt ten Haag den soeben vollzogenen Aufstieg mit den Go Ahead Eagles aus Deventer in die Eredivisie, die erste niederländische Liga mit. Personalie vier: Heiko Herrlich, einst Bundesliga-Stürmer, später Trainer in Bochum und Unterhaching, betreut die U17.

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Wohin der Weg von Gomez führt, scheint offen zu sein. Interesse haben wohl der SSC Neapel und der AC Florenz, aus der Premier League jedoch sind derzeit keine Signale zu vernehmen, die Planstellen von Chelsea bis Tottenham sind, Stand heute, gut besetzt oder sollen anderweitig vergeben werden. Allerdings kann sich so ein Transfersommer hinziehen, zumal dieser Gomez kein Schnäppchen sein wird. Wer den Stürmer derzeit auf ein Jahresgehalt von nahe bei zehn Millionen Euro schätzt, der wird nicht allzu weit daneben liegen, und da der Vertrag eigentlich bis 2016 gelaufen wäre, ist auch noch eine formidable Ablöse fällig, die der Markt bei etwa 20 Millionen taxiert. Zu bieten ist für einen Torjäger, der in der Hinrunde auch wegen Verletzung seine Form und seinen Stammplatz an Mario Mandzukic verlor, dessen Wert sich aber aus den alten Bildern speist: Zwölf Tore erzielte Gomez in der Champions-League-Saison 2011/12, besser war nur einer - Messi kam auf 14.

Wie die Gomez-Planstelle besetzt werden soll, ist längst bekannt, dafür haben die Berater von Robert Lewandowski mit einer nervtötenden Strategie gesorgt. Diese wäre durchaus mal eine juristische Überprüfung der Transfer-Kultur durch die Instanzen des Fußballs wert. Doch wo kein Kläger, da fühlt sich kein Richter zuständig. Lewandowski hat noch einen Vertrag bis 2014, und die Dortmunder sind noch nicht mürbe. Am Mittwoch nun hatte Lewandowski, der bislang schwieg, via Sport-Bild die nächste Rakete im Psycho-Theater gezündet. Er wolle bitte sofort "zu meinem Wunschverein" wechseln, "das wäre für alle Seiten das Beste".

Was Mario Gomez als das Beste für sich empfindet, bedarf der baldigen Klärung. Ein Kriterium: Stammplatz gesucht! Auch Gomez muss sich für die WM 2014 in Brasilien empfehlen. In Berlin verabschiedete Jupp Heynckes ihn bei der Auswechslung mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter. Als wolle der Trainer anzeigen: Das war's hier für uns. Und das Ende, das haben wir doch ziemlich gut hinbekommen.

© SZ vom 07.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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