Maria Scharapowa bei den US Open:Die Mundwinkel bleiben waagerecht

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Maria Scharapowa bei den US Open während ihres Erstrunden-Matches Maria Kirilenko (Foto: AFP)

Maria Scharapowa erreicht bei den US Open die zweite Runde, profitiert aber von einer Verletzung ihrer Gegnerin Maria Kirilenko. Davor wackelt die Scharapowa - wie so viele andere Favoriten.

Von Jürgen Schmieder, New York

Zu den größten Mysterien der Tenniswelt zählt die Gefühlslage von Maria Scharapowa. Die Russin gehört zu den eher kühleren Vertretern ihrer Zunft, das Heben des Mundwinkels darf bereits als gewaltige Emotion interpretiert werden. Es ist deshalb durchaus verwunderlich, dass Scharapowa nach ihrem Sieg gegen Maria Kirilenko sagte: "Ich hatte beim Betreten des Stadions Gänsehaut. Die Menschen sind voller Energie, sie sind laut und in die Partie involviert. Ich genieße das."

Scharapowa absolvierte die erste Abendpartie bei diesen US Open, vor beinahe 20.000 Zuschauern im Arthur Ashe Stadium - wie ein Genuss wirkte das jedoch zunächst nicht. Ihr unterliefen leichte Fehler, sie vergab zahlreiche Chancen beim Aufschlag ihrer Gegnerin, ihre Vorhandschläge landeten häufiger im Netz als im Spielfeld. Schnell lag sie im ersten Durchgang mit 2:4 zurück, es hatte tatsächlich den Anschein, als könne Scharapowa diese Partie verlieren. Ihre Reaktion: keine. "Ich habe mir keine Sorgen gemacht. Ich habe die Fehler abgestellt und die Partie gedreht", war ihre kurze Erklärung für das, was danach passierte.

US Open
:Holpriger Auftakt für Kerber und Petkovic

Drei Sätze und mehr als zwei Stunden Spielzeit: Die deutschen Tennisprofis Angelique Kerber und Andrea Petkovic tun sich zum Auftakt der US Open erstaunlich schwer. Novak Djokovic hat deutlich weniger Mühe.

Blessur am Knöchel

Sie gewann nämlich zehn Spiele nacheinander und deshalb die Partie am Ende locker mit 6:4 und 6:0. Sie ballte die Faust, gab ihrer Gegnerin die Hand, winkte kurz ins Publikum. Das war's. Dass sie mit Kirilenko seit Jahren befreundet ist - es gibt wunderbare Fotos der beiden als Teenager -, war für sie an diesem Abend ebenfalls von untergeordneter Bedeutung: "Wenn man auf dem Platz steht, dann blendet man das aus. Man will einfach nur gewinnen und vergisst, dass da eine Freundin auf der anderen Seite steht."

Das deutliche Ergebnis hatte freilich auch damit zu tun, dass sich Kirilenko Mitte des ersten Durchgangs eine Blessur am Knöchel zugezogen hatte, was eine spannendere Partie verhinderte. Scharapowas Reaktion darauf: keine. Im Gegenteil: Als sie nach der Partie darauf angesprochen wurde, welche Regel sie gerne verändern würde, wenn sie denn könnte, sagte sie: "Ich würde eine Gebühr für medizinische Behandlungen verlangen - dann würde man sehen, wer tatsächlich verletzt ist. 2500 Dollar oder so, das wäre lustig." In diesem Moment, ja wirklich, da lachte sie.

Es war ihr erster Auftritt bei den US Open seit 2012, das Turnier im vergangenen Jahr hatte sie wegen einer Schulterverletzung absagen müssen. In diesem Jahr gewann sie die French Open. Ihre Leistungen während der Hartplatz-Saison ließen keine Rückschlüsse darauf zu, welche Rolle sie nun in New York wird spielen können. In Montreal verlor sie bereits ihre zweite Partie, in Cincinnati erreichte sie immerhin das Halbfinale. Scharapowa selbst wollte sich nicht zu ihrer aktuellen Form äußern, sie sagte nur: "Es ist ein schönes Gefühl, wieder in diesem Stadion zu sein."

Scharapowa hatte also durchaus ein wenig Mühe bei ihrem ersten Auftritt bei diesem Turnier - und war damit keineswegs alleine. Andy Murray etwa agierte beim 6:3, 7:6, 1:6 und 7:5 gegen Robin Haase nicht immer souverän, auch Venus Williams präsentierte sich durchaus wackelig beim 2:6, 6:3 und 6:3 gegen Kimiko Dale-Krumm. Caroline Wozniacki profitierte davon, dass ihre Gegnerin im dritten Satz aufgeben musste. Bei den Männern unterlag der an Platz 21 gesetzte Michail Juschny gegen das bereits in Wimbledon auffällig gewordene Talent Nick Kyrgios mit 5:7, 6:7, 6:2 und 6:7.

Es ist diese erste Partie bei einem Grand-Slam-Turnier, die vielen favorisierten Akteuren Sorgen bereitet. Andrea Petkovic sagte dazu: "Die ersten zwei Tage laufen alle wie Leichen rum. Wir haben diese erste Runde dämonisiert, weil es das Schlimmste ist, was einem passieren kann: die erste Partie eines Grand-Slam-Turniers zu verlieren." Auch sie hatte reichlich Mühe gegen die Tunesierin Ons Jabeur, am Ende gewann sie mit 7:6, 1:6 und 6:3.

Ähnlich erging es auch den anderen deutschen Spielerinnen, die mit dem Ziel nach New York gekommen sind, auch in der kommenden Woche noch über einen Tennisplatz in Flushing Meadows zu laufen und nicht in Manhattan über den Broadway zu flanieren. Angelique Kerber gewann gegen die Qualifikantin Ksenia Pervak mit 6:2, 3:6 und 7:5. "Ich war ein bisschen nervös, es war nicht einfach", sagte Kerber danach: "Am Ende hat mich dann mein Kampfgeist gerettet."

Nervosität schwindet

Auch Sabine Lisicki wirkte bei ihrer Partie gegen Françoise Abanda - ebenfalls eine Qualifikantin - vor allem im zweiten Durchgang und bei langen Ballwechseln nicht gerade sicher, sondern lag gar mit 3:5 zurück. "Ich habe blöde Fehler gemacht und blöde Entscheidungen getroffen", sagte sie nach dem Sieg (6:3, 7:5).

Sie alle haben die erste Runde überstanden, der große Druck ist nun weg. "Ich weiß auch nicht, warum das so ist - aber in der zweiten Runde ist man schon nicht mehr so nervös, obwohl es eigentlich die gleiche Situation ist", sagte Petkovic.

Scharapowa dagegen machte sich - zumindest öffentlich - weniger Sorgen um Druck oder ein mögliches frühes Scheitern, sondern eher wegen ihrer Zu-Bett-Geh-Zeiten aufgrund der Abendpartien: "Normalerweise schlafe ich jetzt schon - zu Beginn meiner Karriere war es schwieriger, mich auf diese Spiele vorzubereiten, aber mittlerweile genieße ich das." Wer nun ein Lächeln erwartete, der wurde enttäuscht. Die Mundwinkel blieben exakt waagerecht.

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