Cas-Urteil zu Manchester City:Bemerkenswerte Widersprüche und Ungereimtheiten

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Ist auch in der kommenden Saison in der Champions League dabei: City-Trainer Pep Guardiola. (Foto: AFP)

Die Richter des Sportgerichtshofs Cas bescheinigen ManCity eine "eklatante Missachtung" der Uefa, lassen den Klub aber Champions League spielen - das Urteil provoziert.

Von Sven Haist, London

Der Resultat liest sich wie das Ergebnis eines Fußballspiels. Mit 2:1 für Manchester City wertete das als Schiedsgericht bestimmte dreiköpfige Panel des Internationalen Sportgerichtshofs Cas die Auseinandersetzung des englischen Fußballklubs mit dem europäischen Fußballverband Uefa. Das geht aus der am Dienstag veröffentlichten Urteilsbegründung hervor, Aktenzeichen CAS 2020/A/6785 Manchester City FC v. Uefa.

Die Details folgten einem bereits am 13. Juli bekannt gegebenen Beschluss. Darin hob der Cas die vom unabhängigen Finanzkontrollgremium der Uefa im Februar auf zwei Jahre angesetzte Champions-League-Sperre gegen Manchester City auf und setzte die auf 30 Millionen Euro bezifferte Geldstrafe, erlassen wegen mangelnder Kooperation mit den Verbandsgremien, auf zehn Millionen herab. Der Grund: Verjährung und zu dünne Beweislage. Das war ein Erdrutscherfolg für den Premier-League-Klub in diesem, inklusive Vorläufer, sich über mehrere Jahre streckenden Verfahren. Die Uefa hatte schon im November 2018 begonnen, auf Basis geleakter Dokumente zu untersuchen, ob der Klub durch falsche Einkommensangaben seine Bilanzen zwischen 2012 und 2016 entgegen den Regularien des sogenannten Financial Fairplay aufgehübscht hatte. Diese Regeln sollen dem finanziellen Aufpumpen der Klubs durch Besitzer oder Gönner eine Grenze setzen.

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Das Cas-Urteil zugunsten von Manchester City fällt mit 2:1 Richterstimmen aus - und zwei der Richter hatte der Fußballklub selbst vorgeschlagen. Der Fall beschädigt das angekratzte Vertrauen in die Sportrechtsprechung weiter.

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Die Inhalte der auf 93 Seiten dargelegten Argumentation des Schiedsgerichts führten nun allerdings umgehend zu mehr Gesprächsstoff, als dem von Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan über die Abu Dhabi United Group mit Abermillionen Petrodollar unterstützten Klub recht sein dürfte. Am liebsten würde City, stets alle Anschuldigungen bestreitend, wohl den großen Mantel des Schweigens über die Angelegenheit breiten, die vor allem den eigenen Ruf ankratzt. In den elf Kapiteln der Begründung lassen sich zahlreiche bemerkenswerte Widersprüche und Ungereimtheiten finden.

Mehr als 200 Millionen Euro an Sponsorengeldern der beiden in Abu Dhabi registrierten Unternehmen Etihad Airways (Fluggesellschaft) und Etisalat (Telekommunikation) sollen in Wirklichkeit aus dem Haus des milliardenschweren Kronprinzen Scheich Mansour stammen. Trotz "eklatanter Missachtung" der Uefa-Investigationen, so urteilt der Cas, habe es zwar nicht genügend Beweise gegeben, um die Ergebnisse der Uefa zu untermauern. Aber "völlig falsch" sei der Vorwurf der finanziellen Unregelmäßigkeiten nicht. Die Ausführungen lassen darauf schließen, dass Hauptgeldgeber Etihad - der in einem der voluminösesten Sponsorendeals überhaupt in drei Spielzeiten bis 2016 circa 250 Millionen Euro in den Klub steckte - City letztlich aus der Patsche half. Allen voran Etihads hochrangiger Manager Tony Douglas, der mit seiner Zeugenaussage die Echtheit der Sponsorenverträge bestätigte. Der gut dokumentierte Verdacht war gewesen, dass das Geld tatsächlich von Mansour stammte und lediglich durch Etihad hindurchgeleitet wurde, um es wie marktübliches Sponsoring erscheinen zu lassen.

Die Urteilsbegründung hebt die Darstellungen von City weitestgehend aus den Angeln, wonach die Anschuldigungen "völlig falsch" seien und dafür auch "unwiderlegbare Beweise" vorliegen würden. Der Cas kritisierte Manchester City (MCFC) vielmehr dafür, dass es Beweisanträge und Zeugen ablehnte und so das Verfahren behinderte: "Das Gremium ist der Ansicht, dass die Uefa keineswegs leichtfertig Anklage gegen den MCFC erhoben hat. Wie auch der MCFC einräumte, gab es eine legitime Grundlage für die Strafverfolgung des MCFC."

Dann wäre da auch noch der mutmaßliche Interessenskonflikt der Personen im Schiedsgericht: Wie auf Seite 14 des Verdikts zu lesen ist, empfahl Manchester City für das eigene Verfahren den portugiesischen Anwalt Rui Botica Santos als Vorsitzenden des Drei-Mann-Gremiums. Dabei besagen die Cas-Regeln, dass der Leiter des Panels vom Chef der Berufungsschlichtungsabteilung des Cas ausgewählt werden muss. Doch noch am selben Tag, dem 30. März 2020, winkte die Uefa damals irritierenderweise den Vorschlag von City "ohne Einwände" durch - und begrüßte eine zeitnahe Verkündung des Vorsitzenden, um weitere Verzögerungen bei der Besetzung des Panels zu vermeiden. Darauf verweist auf SZ-Anfrage auch der Cas: Es habe bei den Parteien "keine Einwände" gegen Botica Santos gegeben. Was womöglich an einem gewissen Zeitdruck lag: Drei Wochen zuvor hatten neun Vereine aus der Premier League einen Antrag beim Cas eingereicht, jeglichem Versuch von City entgegenzutreten, dem Klub die Teilnahme an der Champions League in der nächsten Saison zu ermöglichen, solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei.

Neben dem zweiten Panelmitglied Ulrich Haas, das die Uefa benannte, wirkte noch der von City nominierte Anwalt Andrew McDougall am Urteil mit - auch bei ihm wird nun die vom Cas verlangte Unabhängigkeit in Zweifel gezogen. Laut der britischen Zeitung Guardian war McDougall von 2016 bis 2018 in leitender Funktion bei einer Kanzlei tätig, die über ein Büro in Abu Dhabi die staatlichen Firmen Etihad und Etisalat als Kunden führt.

Aus Sicht von City soll McDougall selbst nicht für diese Unternehmen tätig gewesen sein. Und auch hier teilte der Cas der SZ am Mittwoch mit: Man habe keine Kenntnis über mögliche Interessenkonflikte. Die Benennung sei "im Einklang mit dem Cas-Code erfolgt". Und auch hier: Es habe keine Einwände gegeben.

Der Verein verzichtete zunächst darauf, zur Urteilsbegründung Stellung zu nehmen, auf der Webseite war unter den aktuellen Nachrichten nur etwa zu lesen, dass Trainer Pep Guardiola als Kandidat für den Coach des Monats Juli in der Premier League nominiert wurde. Nach Bekanntgabe des Urteils vor zwei Wochen postete Manel Estiarte aus dem Trainerstab auf Instagram noch ein Foto von sich mit Guardiola, Fußballdirektor Txiki Begiristain, Vorstand Ferran Soriano und Geschäftsführer Omar Berrada vor dem Hintergrund der Breaking News - kurz darauf wurde es gelöscht.

Besonders dreist erscheint angesichts der Sachlage, dass der Verein versuchte, sogar die vom Cas auferlegte, bereits reduzierte Zehn-Millionen-Strafe zu drücken - mit dem Verweis auf Umsatzeinbußen in der Corona-Krise. Momentan bereitet sich die Mannschaft auf das am Freitag in einer Woche anstehende Achtelfinal-Rückspiel in der Königsklasse zuhause gegen Real Madrid (Hinspiel: 2:1) vor. Nur interessiert sich dafür, außer City, momentan eher niemand.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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