Manchester United und Manchester City:Furcht vor der finsteren Parallelwelt

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Das Selbstwertgefühl der englischen Premier League leidet gewaltig, weil den reichen Klubs Manchester United und Manchester City bereits das Aus in der Champions League droht. Beiden Vereinen bleiben exakt "90 Minuten, um Europa zu retten".

Raphael Honigstein, Manchester

In seinen 25 Jahren im Amt hat sich Sir Alex Ferguson nie mit nostalgischen Rückblicken auf das Erreichte aufgehalten. "Die Vergangenheit ist ein fremdes Land für ihn", schrieb kürzlich die Daily Mail. Umso beklemmender wirkt die Aussicht auf einen Zwangsaufenthalt in noch fremderen, unangenehmeren Gefilden. Sein Manchester United muss am Mittwoch beim FC Basel mindestens Remis spielen, um nicht in der ungeliebten Europa League zu landen.

Uniteds Überflieger Wayne Rooney (Mitte) und die Kontrahenten der "Blues" von City bangen derzeit beide um das Überwintern in der Champions League. (Foto: AFP)

Das gleiche Schicksal droht den Nachbarn von Manchester City: der von Scheich Mansour aus Abu Dhabi finanzierte Klub muss gegen den FC Bayern ein besseres Ergebnis erzielen als Neapel bei Villarreal. "90 Minuten, um Europa zu retten", titelte die Lokalzeitung Manchester Evening News, die den Nachfolgewettbewerb des Uefa-Pokals offensichtlich in einer finsteren Parallelwelt fernab des Kontinents verortet.

"Eine Katastrophe für den englischen Fußball", wie Arsenals Trainer Arsène Wenger den möglichen Vorrunden-K.o. der drei anderen englischen Vertreter (Chelsea, ManCity, ManUtd) am Montag nannte, steht nicht wirklich bevor, aber das Selbstwertgefühl von Manchester würde im Falle eines doppelten Misserfolgs in der Tat leiden.

City (Tabellenerster, 38 Punkte) und United (Zweiter, 33) sind die derzeit einzigen Titelkandidaten in der heimischen Liga, zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren darf sich die frühere Textil-Metropole im Nordwesten der Insel als Fußballhauptstadt Englands fühlen. Der Wert dieses Titels wäre durch ein frühzeitiges Scheitern in der Königsklasse gehörig relativiert. "Der Liga droht eine Identitätskrise", schrieb der Daily Telegraph zu dem Missverhältnis zwischen heimischer Dominanz und internationalem Unzulänglichkeiten.

United und City eint die Angst, demnächst mit dem als Programmhinweis getarnten Schmähruf "Thursday Night, Channel 5" in den gegnerischen Stadien empfangen zu werden. Ursache und Wirkung der Gruppenphasen-Probleme unterscheiden sich jedoch von Klub zu Klub stark.

Beim englischen Rekordmeister spielte wohl eine gewisse Überheblichkeit eine Rolle, wie Ferguson vor dem Endspiel in der Schweiz mit einer Spur von Schuldbewusstsein zugab. "Die Gegner in Europa sind stärker geworden, wir müssen ein bisschen mehr Gas geben", sagte der Schotte.

Kuriose Strafen im Fußball
:Lebenslang gesperrt - wegen Schauspielerei

Die zehnmonatige Sperre für den "Po-Jubel" in Iran gehört zu den kuriosesten Strafen der Fußballgeschichte. Doch es gab noch andere: Ein Torwart erschauspielerte sich eine lebenslange Sperre, Éric Cantona entging sogar nur knapp dem Gefängnis. Ausgesprochen milde kam José Mourinho davon.

Sir Alex hatte gegen Benfica und Basel kräftigst rotiert und dabei die eigenen Möglichkeiten überschätzt. Ein Qualitäts-Defizit in der Zentrale und ungewohnte Unkonzentriertheiten in der Abwehr resultierten in drei Unentschieden mit sechs Gegentreffern. "Unser Schlendrian könnte weh tun", sagte der 69-Jährige.

Die Klubs aus Manchester im Vergleich mit dem FC Bayern. (Foto: SZ-Grafik)

Fergusons Legendenstatus würde die Blamage nicht gefährden. Doch Mittelfeldspieler Darren Fletcher weiß genau, warum das Team die Wiederholung des "Albtraums von 2005", als United sich zum ersten und einzigen Mal nach der Gruppenphase verabschiedete, tunlichst vermeiden sollte. Ferguson beschleunigte nach dem Tiefpunkt des vergangenen Jahrzehnts den Kaderumbau.

Drei Jahre später gewann er die Champions League zum zweiten Mal, danach kam man noch zweimal ins Endspiel. Wenn man bedenkt, dass der an sich hoch profitable Verein seit der von Banken finanzierten Übernahme durch die Glazer-Familie 2005 geschätzte 600 Millionen Euro für die Schuldentilgung aufbringen musste, ist die durchgehende sportliche Konkurrenzfähigkeit des Klubs Fergusons eigentliches Meisterstück.

Bei City, das in Europa als Debütant eine schwere Gruppe erwischte und Lehrgeld zahlen musste, würde man dank der guten Ausgangssituation in der Liga mit einem Aus ebenfalls leben können. Die Hoffnung auf die erste Meisterschaft seit 1968 zieht die Fans der Hellblauen weitaus stärker in den Bann. Scheich Mansour stärkte Trainer Roberto Mancini vergangene Woche auch demonstrativ den Rücken. "Die Liga hat Priorität, Mancini hat bisher hervorragende Arbeit verrichtet", sagte der 41-Jährige.

Rein finanziell ist für den hochdefizitären Klub das Achtelfinale sowieso zu vernachlässigen, wichtig ist nur die Qualifikation für die Vorrunde im nächsten Jahr. Experten gehen inzwischen davon aus, dass City auf Grund der vielen Ausnahmeregelungen im Uefa-Reglement sogar eine realistische Chance haben dürfte, künftig die Financial Fairplay-Auflagen des Verbandes zu erfüllen.

Dementsprechend wirsch reagierte Mancini am Dienstag auf Karl-Heinz Rummenigges jüngste Kritik ("Finanzielles Doping muss beendet, das Oligarchentum in den Hintergrund gedrängt werden") an Citys Geschäftsmodell: "Ich verstehe nicht, warum er immer über uns redet und ein Problem mit uns hat", sagte der Italiener, "wir arbeiten am Financial Fairplay, so wie andere Vereine auch." Der Verkauf des immer noch unerlaubt in Argentinien urlaubenden Carlos Tévez an den AC Milan soll bald die Bilanzen schönen.

Viel Prestige steht für die beiden Manchesters auf dem Spiel; der sportliche Schaden wäre nur für City überschaubar. Englands Fußball-Kapitale könnte sich im Falle einer Degradierung zur europäischen Provinzbühne immerhin trösten, dass einer der Klubs bald im FA-Pokal reüssieren wird, wenn auch auf Kosten des Nachbarn: City und United müssen im Januar zum Derby in der ersten Hauptrunde ran.

© SZ vom 07.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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